Stewart O'Nan

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Stewart O'Nan

Beitragvon steffi » Do 20. Nov 2008, 17:08

Ich wollte ja noch berichten, wie mir das Buch letzendlich gefallen hat: Sehr gut !

Ich mag ja seinen realistischen Stil sehr und auch, dass er keinerlei Wertung über die Personen einbringt. Auch am Ende weiß man nicht, wie der Autor zu den Personen wirklich steht. Das bedingt auch der Aufbau, denn es wird abwechselnd aus der Sicht von einer Person aber mit der Haltung eines auktorialen Erzählers erzählt. Man begleitet sie vom Aufstehen und Duschen bis zum Zähneputzen und Schlafengehen. Auch interessant ist die gradlinige Zeitstruktur. Wenn eine Person minutiös beobachtet wird läuft die Zeit weiter und es gibt keine parallele Handlungen. Nach ein paar Minuten oder Stunden setzt die nächste Person ein. Ein paar Personen waren etwas mehr im Vordergrund, aber vielleicht auch, weil ihr Charakter mehr extrovertiert war. Manchmal hatte ich das Gefühl, sie drängen sich einfach vor.

Es geht um eine Woche in dem Sommerhaus der Familie in Chautauqua, an einem See in der Nähe der Niagara Fälle. Das Sommerhaus wird verkauft, weil der Vater gestorben ist und es gibt Erinnerungen und ein bißchen Wehmut, aber insgesamt geht es mehr um das Leben der Familie. Alltägliche Sorgen und auch die Reflektion, ob das Leben sein Versprechen gehalten hat, ob man Ziele erreicht hat und wie wichtig das Erreichen von Zielen überhaupt ist und ob und wie man mit diesem Leben irgendwie glücklich werden kann. Diese Melancholie gefällt mir immer sehr, weil es auch den Blick schärft, dass man zum einen auch in kleinen Dingen Glück finden kann und dass man an diesem inneren Glück festzuhalten soll und nicht blind irgendwelchen Zielen nachzulaufen. Und doch wird dies immer wieder in dem Buch in Frage gestellt. Eine gewisse Verzweiflung ist auch spürbar.

Für mich ein exzellentes Familienbuch, in dem wirklich das alltägliche Leben ohne Schnörkel und Spielereien erzählt wird, gradlinig, schonungslos und leise aber deutlich.
Zuletzt geändert von steffi am Mo 26. Jan 2009, 09:54, insgesamt 1-mal geändert.
Gruss von Steffi

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Re: Stewart O'Nan: Abschied von Chautauqua

Beitragvon JMaria » Fr 21. Nov 2008, 11:20

Hallo Steffi,

Danke für deine Ausführungen. Ich mag ja gut geschriebene Familienroman sehr gern und da du schreibst, dass dieses Leben ohne Schnörkel und Spielerei beschrieben wird, klingt es für mich als ein guter Lesetipp.

Steffi hat geschrieben:Diese Melancholie gefällt mir immer sehr, weil es auch den Blick schärft, dass man zum einen auch in kleinen Dingen Glück finden kann und dass man an diesem inneren Glück festzuhalten soll und nicht blind irgendwelchen Zielen nachzulaufen. Und doch wird dies immer wieder in dem Buch in Frage gestellt. Eine gewisse Verzweiflung ist auch spürbar.


diese Stimmung gehört einfach zu einem Buch von Stewart O'Nan. Das würde ich in der Art erwarten.

ich seh schon, mit all den guten Lesetipps hier im Forum, kann der Winter kommen.

Hast du dich gut fürs Wochenende und den Schnee gerüstet?

Liebe Grüße
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Re: Stewart O'Nan: Abschied von Chautauqua

Beitragvon Rachel » Fr 21. Nov 2008, 11:56

Hallo Steffi,

auch von mir vielen Dank für deine interessanten Eindrücke zu dem Buch. Das klingt wirklich sehr, sehr reizvoll, zumal ich ebenfalls sehr gerne gut geschreibene Familienromane lese.

Erst einmal werde ich zwar "Last Night at the Lobster" lesen, aber wenn mir das gefällt, dauert es sicher nicht mehr lange, bis auch "Abschied von Chautauqua" gekauft wird. :)
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Re: Stewart O'Nan: Abschied von Chautauqua

Beitragvon steffi » Sa 22. Nov 2008, 10:34

JMaria hat geschrieben:Hast du dich gut fürs Wochenende und den Schnee gerüstet?


Hihi, den geborgten player habe ich bestückt und gerade ein neues Buch begonnen, sonst nix vor am Wochenende - was will man mehr ?!

Freut mich, dass ich euch neugierig machen konnte. Die Beziehungen der Familienmitglieder untereinander sind übrigens sehr gut und lebensnah geschildert, manchmal kommt man sich mittendrin vor. Auch habe ich die ganze Gegend und das Sommerhaus plastisch vor Augen, fast als ob ich einen Film gesehen hätte. Aber das passiert mir bei O'Nan immer. Für mich wars auch ein richtiges Wohlfühlbuch, ich finde, ein guter Familienroman muss sowas ausstrahlen.

Auf meine Weihnachtswunschliste habe ich schon ein weiteres Buch von O'Nan gepackt: Sommer der Züge. Ich hoffe, mein Weihnachtsmann bringt es ;)
Gruss von Steffi

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Re: Stewart O'Nan: Abschied von Chautauqua

Beitragvon JMaria » Sa 22. Nov 2008, 12:10

steffi hat geschrieben:Auf meine Weihnachtswunschliste habe ich schon ein weiteres Buch von O'Nan gepackt: Sommer der Züge. Ich hoffe, mein Weihnachtsmann bringt es ;)


Hallo Steffi,

der Inhalt klingt sehr vielversprechend:

http://www.rowohlt.de/buch/Stewart_O_Na ... .5392.html

immer diese Tipps. ;-)

Edit:
du hast wieder mal einen guten Riecher, Steffi. Gerade fand ich diese Aussage im Stern: [url=http://www.stern.de/unterhaltung/buecher/:STEWART-O'NAN-Heiterer-Chronist-Hölle/index.html?id=71756]Heiterer Chronist der Hölle[/url]

auszugsweise auf S. 2
Und wer gerade O'Nans schnellen Plots und rasanter Schreibe verfallen war, den bremste das nächste Buch aus: »Sommer der Züge« heißt es auf Deutsch und beschreibt den lähmenden Stillstand an der amerikanischen Heimatfront des Zweiten Weltkriegs - ein wunderschöner, langer und langsamer Roman, wie gemacht für Leser, die sich mit Büchern in der Ecke verbunkern und gern eine Seite zweimal lesen, weil sie so schlau voll geschrieben ist.


oja, sich in einer Leseecke verbunkern, das kenne ich, mach ich selbst gern *g*

Liebe Grüße
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Re: Stewart O'Nan: Abschied von Chautauqua

Beitragvon JMaria » So 25. Jan 2009, 18:22

Hallo zusammen,

in der NZZ Sonntagsbeilage Januar 09 findet sich eine Rezension zu dem neuen O'Nan: Alle, alle lieben dich.

http://static.nzz.ch/download/pdf/NZZaS ... r_2009.pdf
(ca. 3 MB)

@Steffi,
könntest du den Thread-Titel umändern auf "Stewart O'Nan", denn ich könnte mir vorstellen, dass ein allgemeiner Thread zum Autor bestimmt noch öfters benutzt wird. Oder was meinst du?

Liebe Grüße
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Re: Stewart O'Nan: Abschied von Chautauqua

Beitragvon Doris » So 25. Jan 2009, 19:13

JMaria hat geschrieben:Hallo zusammen,

in der NZZ Sonntagsbeilage Januar 09 findet sich eine Rezension zu dem neuen O'Nan: Alle, alle lieben dich.

Liebe Grüße
Maria


Den werd ich mir gleich mal durchlesen, das Buch interessiert mich auch sehr.
Danke Maria für den Link

herzlichst, Doris
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Re: Stewart O'Nan

Beitragvon steffi » Mo 26. Jan 2009, 10:02

Oho, das klingt ja auch wieder sehr interessant - eine Art Familienroman wieder *lechz*.

@Maria: Titel hab ich abgeändert - gute Idee !!
Gruss von Steffi

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Re: Stewart O'Nan

Beitragvon JMaria » Mo 26. Jan 2009, 10:13

steffi hat geschrieben:Oho, das klingt ja auch wieder sehr interessant - eine Art Familienroman wieder *lechz*.



Hallo Steffi, hallo Doris,

danke fürs Abändern, Steffi :)

ich finde auch, dass die Rezi verführerisch klingt. Besonders der letzte Satz:

Doch wer sich vom Ticken der Uhr einlullen lassen möchte, wird damit glücklich werden.

also wieder eine langsame, intensiver Auseinandersetzung mit den Folgen eines Vorfalls, hier das Verschwinden eines Mädchen. Doch weniger den Blick auf das Entzweiende gerichtet, sondern auf den heilenden Aspekt der tragischen Geschichte für die Familie.

Liebe Grüße
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Re: Stewart O'Nan

Beitragvon JMaria » Do 5. Mär 2009, 11:28

Hallo zusammen,
hallo Steffi,

aus der Bücherei habe ich mir nun "Abschied von Chautauqua" ausgeliehen und bereits 60 Seiten gelesen. Sein Erzählstil hat mich gleich reingezogen. Auf der Fahrt an den Chautauqua See passiert eigentlich nichts. Wie es halt so ist, wenn man mit dem Auto ein Ferienziel ansteuert. Aber die knappen Beschreibungen auf diesem Weg und die Bilder die sich daraus ergeben ...(abgesperrter Parkplatz, verlassene Industriegebäude usw, dem Hund dem vom Autofahren schlecht ist, die Reflektionen über den Verlust des Ehepartners ...) , das ist traurig und eindringlich. Mich hat O'Nan sofort wieder am Wickel.

Liebe Grüße
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