Hallo zusammen,
nachdem ich Irland ("Das Familientreffen" von Anne Enright) verlassen habe und Veronica nun selbst schauen muss, wie es für sie weiter geht, bin ich nach Frankreich ("Im Dunkel der Wälder" von Brigitte Aubert) gereist. Soweit ich mich bisher orientieren konnte, dürfte ich nicht allzu weit von Paris entfernt sein. Aber die ganzen Orte, Bezirke etc. sind nicht ganz so leicht für mich zu ermitteln. Von einem Neubaugebiet Boissy-les-Colombes ist mal die Rede. Oder von Yvelines oder Saint-Quentin. La Verrière.
Aber macht nichts. Ich kann eh nichts sehen. Denn ich begleite Elise, die sich seit einem Unglück vor einigen Monaten nicht mehr bewegen kann und auch nichts mehr sieht und auch nicht mehr sprechen kann. Ihr Nervensystem scheint arg in Mitleidenschaft gezogen zu sein. Sie kann sich deshalb ihrer Umwelt nicht mehr mitteilen. Bis vor kurzem, denn es gelingt ihr ihren Zeigefinger zu bewegen. Das merkt ihr Umfeld aber zunächst nicht. So ist sie vollkommen in sich gefangen. Als sei das nicht schon schlimm genug, geht in ihrer Umgebung auch noch ein brutaler Serienmörder um, der es auf kleine Kinder abgesehen hat. Elise wird da hineingezogen, weil ein kleines Mädchen sie ab und an anspricht und ihr einiges erzählt, wenn Elise draußen in der Sonne vor dem Supermarkt wartet, bis ihre Pflegerin eingekauft hat. Seither ist Elise nicht mehr sicher.
Sehr spannend ist das. Vor allem aber, wie Elise ihre Umwelt wahrnimmt. Wie ihr Alltag aussieht. Wie sie einen Tag erlebt. Es geht uns gesunden Menschen ja schon oft so, dass wir und Situationen ausgesetzt fühlen, die wir selbst nicht wählen würden. Aus Höflichkeit hört man z. B. jemandem zu und umgibt sich schon mal für eine Weile mit Menschen, auch wenn man lieber allein sein würde. Doch Elise hat ÜBERHAUPT gar keinen Einfluss darauf. Man lässt ihr angedeihen, von dem man denkt, was sie gern möchte. So würde sie gern schreien, dass sie liebend gern Yoghurt zum Frühstück hätte (sie kann schlucken, aber nicht kauen). Aber anstatt dessen bekommt sie Haferbrei, den sie so gar nicht mag. An solchen Kleinigkeiten hakt es schon, mangels Kommunikationsmöglichkeit.
Elise bewundere ich auch dafür, dass sie ihren Humor nicht eingebüßt hat. Manchmal bringt sie mich mit ihren sarkastischen Gedanken wirklich zum lachen! Es ist natürlich ein Galgenhumor. Aber der ist durchaus sehr sympathisch!
Kurzum: Auch wenn ich hoffe, dass ich niemals so etwas durchmachen muss wie Elise (wie SCHRECKLICH im eigenen Körper gefangen zu sein - und Elise reißt sich zwar zusammen, sehr zu meiner Erleichterung, denn ich würde es kaum aushalten!!! Aber ihr Zustand versetzt sie immer wieder ansatzweise in Panik und tiefe Verzweiflung... aber sie reißt sich dann sofort immer wieder zusammen! Sehr tapfer - eine Kämpferin!), so begleite ich sie doch sehr gern für ein Stück! Es ist sehr interessant... Elise bringt mir die Welt einer in sich gefangenen Person unsagbar toll nahe!
Das Unglück, das Schuld an ihrem Zustand ist, trug sich übrigens in Irland zu... da komme ich literarisch ja gerade her!