Hallo zusammen,
kürzlich ist ein ungewöhnlicher Manga in deutscher Übersetzung erschienen:
Der spazierende Mann von Jiro Taniguchi.
Erschienen ist der Manga im Carlsen-Verlag:
Der spazierende Mann bei Carlsen.
Das Besondere an diesem Manga ist, daß oberflächlich gesehen nichts Außergewöhnliches passiert: ein Mann geht spazieren und der Leser begleitet ihn bei seinen verschiedenen Spaziergängen durch die japanische (Vor-)Stadt, in die er kürzlich mit seiner Frau gezogen ist. Der Spaziergänger beobachtet den Fluß, die Vögel, den Himmel; er zeigt einer alten Frau den Weg, findet einen Lippenstift, besteigt einen Baum, um Kindern ein Modellflugzeug wiederzuholen, er kauft Papierballons für seine Frau ... dies und noch einiges mehr wird in insgesamt 18 locker zusammenhängenden Kapiteln oder Episoden erzählt: meist sind das mehr oder weniger banale und scheinbar unspektakuläre Geschehnisse, die aber auf mich eine erstaunliche Faszination ausübten und die in ihrer Gesamtheit ein stimmiges Bild des Mannes und seines Blickes auf die ihn umgebende Welt ergeben. Es ist ein sehr sympathischer und menschenfreundlicher Blick, mit dem der Spaziergänger seine Umgebung betrachtet. Dieser spazierende Mann ist ein glücklicher Mann, weil er das Glück auch da sehen kann, wo es andere Menschen übersehen, weil sie zu unachtsam oder einfach nur uninteressiert sind.
Allerdings braucht man wohl auch als Leser den richtigen Blick, um mit diesem Comic glücklich zu werden. Der eine oder die andere findet das alles womöglich total langweilig und fragt sich verwundert, was das alles eigentlich soll.
Ich allerdings bin begeistert von diesem Manga, der übrigens auch für Manga-Anfänger gut geeignet ist, weil er in westlicher Leserichtung gedruckt ist und weil Jiro Taniguchi einen Zeichenstil hat, der nicht so weit vom europäischen Comicstil entfernt ist, wie das in anderen Mangas der Fall ist. Die deutsche Ausgabe hat ein lesenswertes Nachwort von Andreas Platthaus, das diesen Manga perfekt abrundet.
Schöne Grüße,
Wolf