Uwe Tellkamp: Der Turm

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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon JMaria » Fr 8. Mai 2009, 09:41

steffi hat geschrieben:Der Schlaf in den Uhren - ist schon recht beeindruckend, wie er mit der Zeit spielt und alles ineinanderfließen lässt in seiner Erinnerung. Eine kleine Reminiszenz an Proust und James Joyce, so habe ich es empfunden. Und die Bilder wieder, wie im "Turm" sehr präsent ! Ich bin begeistert !


Hallo Steffi,

du sagst es !
( die Farbe gelb kam auch wieder mehrmals vor ;-) )

ich fand diese Seite, da ich weiterhin auf der Suche nach dem "Alten vom Berg" bin.

Hier werden die Romanfiguren entschlüsselt:

https://autorenweb.de/vorlesen.php?id=10368

Auszug:
Entschluesselung des Schluesselromans: .
• „Georg Altberg („der Alte vom Berge“) = Franz Fuehmann .
• Baron Arbogast = Manfred von Ardenne .
• Bezirkssekretaer Barsano = Hans Modrow .
• Eduard Eschschloraque = eine Mischung aus Peter Hacks und Stephan Hermlin .
• David Groth = Stefan Heym .
• Jochen Londoner = Juergen Kuczynski .
• Philipp Londoner = Thomas Kuczynski .
• Karlfriede Sinner-Priest = Carola Gaertner-Scholle .
• Rechtsanwalt Sperber = Wolfgang Vogel .
Mit der Beschreibung des wichtigen westdeutschen Kritikers Wiktor Hart ist ganz offensichtlich Marcel Reich-Ranicki gemeint, denn Wiktor Hart war sein Autoren-Pseudonym im Warschauer Ghetto.“ (Quelle: Wikipedia: Der Turm (Tellkamp).

einige Personen haben wir noch nicht kennengelernt. Interessant finde ich u.a. dass MRR auch vorkommt.

ein weiterer Auszug:
Literarische Anspielungen: auf Goethes „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ (Bildungsroman), auf Autoren der Romantik, zum Beispiel E.T.A. Hoffmann, auf Heimito von Doderer und Thomas Mann.


Jetzt bereue ich, dass ich Heimito von Doderer solange in meinem Regal hab darben lassen.

Von "Wilhelm Meisters Lehrjahre" bin ich sehr positiv überrascht worden. Als Bildungsroman gilt er in der Literatur als wegweisend.

im Wikipedia fand ich über Franz Fühmann folgendes:

Mit seinen Essays trug Fühmann auch zur Veröffentlichung von Autoren bei, deren Werke in der DDR kaum oder nicht erschienen (Georg Trakl, Sigmund Freud).

Beginnend mit den Zweiundzwanzig Tagen setzte sich Fühmann zunehmend kritischer mit der sozialistischen Gesellschaft der DDR auseinander. Er versuchte – später auch öffentlich – mit einer Vielzahl von Briefen an DDR-Politiker, sie von Änderungen an ihrer Politik, vor allem der Kulturpolitik, zu überzeugen. Sein Werk spiegelt das zunehmend wider, in besonderer Weise Saiäns-fiktschen. Er zog sich aus kulturpolitischen Zusammenhängen der DDR, wie dem Schriftstellerverband der DDR und der Akademie der Künste, zurück...


Zitat aus seinem Testament, ein Jahr vor seinem Tod:

Ich habe grausame Schmerzen. Der bitterste ist der, gescheitert zu sein: In der Literatur und in der Hoffnung auf eine Gesellschaft, wie wir sie alle einmal erträumten.
http://de.wikipedia.org/wiki/Franz_F%C3%BChmann

Auch beschäftigte sich Fühmann viel mit Sagen und Mythen.

traurig, dass er den Mauerfall nicht mehr erlebte. Vielleicht ist die Figur "der Alte vom Berge" eine Hommage an ihn (?)


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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon JMaria » Fr 8. Mai 2009, 10:28

nochmals kurz:

ist dir aufgefallen, dass es in der "Ouvertüre" kein Satzende (Punkt) gibt?

Ich hatte mir überlegt, den 1. Satz des Buches in unserem Erste-Satz-Thread zu posten. Das wäre dann doch zuviel :D

aber sehr bezeichnend, besonders wenn man den letzten (offenen) Satz des Buches bedenkt, über den wir schon gesprochen haben.

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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon steffi » Fr 8. Mai 2009, 10:47

JMaria hat geschrieben:ist dir aufgefallen, dass es in der "Ouvertüre" kein Satzende (Punkt) gibt?


Fällt mir sowas normalerweise auf ? Dafür hab ich ja dich ;)

Ich hatte mir überlegt, den 1. Satz des Buches in unserem Erste-Satz-Thread zu posten. Das wäre dann doch zuviel :D

Hihi, aber ein schööööner Satz !

Danke auch für die links - heute werde ich wohl nicht mehr dazu kommen, das alles zu lesen, aber interessant. Ich sehe schon, ich wiederhole mich.

Gestern habe ich das Buch schon einer Freundin angepriesen, sie liest mehr Krimis und Frauenbücher, aber ihr Mann steht mehr auf historisches (nicht unebdingt Romane) und sowas.

Ehrlich, ich bin ganz hippelig, weil ich wahrscheinlich erst heute Abend zum weiterlesen komme - das ist mir schon sehr, sehr lange nicht mehr passiert.
Gruss von Steffi

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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon JMaria » Fr 8. Mai 2009, 17:18

Hallo Steffi,

steffi hat geschrieben: Fällt mir sowas normalerweise auf ? Dafür hab ich ja dich ;)


das ist nett gesagt :D


Gestern habe ich das Buch schon einer Freundin angepriesen, sie liest mehr Krimis und Frauenbücher, aber ihr Mann steht mehr auf historisches (nicht unebdingt Romane) und sowas.


brav - weiter so! :lol:


ich muß nochmals auf die Namen zurückkommen. Du hast es vor ein paar Tagen bereits erwähnt, wie wohlklingend sie sind. Man fühlt sich zu den Romantikern zurückversetzt. Ich möchte sie mal auflisten:

Die Häuser:
Haus Karavelle
Tausendaugenhaus
Haus Abendstern
Italienisches Haus
Haus Wolfsstein mit dem "Fagott"
Spinnwebhaus
Haus Delphinenort

Die Straßen:
Turmstraße
Mondleite
Wolfsleite
Holländische Leite
Fichtenleite
Sibyllenleite
Planetenweg

Die Namen:
Ezzo
Reglinde
Gudrun
Meno
Richard
Vogelsang
Teerwagen

mußte ich einfach nochmals herausheben.

Liebe Grüße
Maria
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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon steffi » Di 12. Mai 2009, 09:00

Hallo JMaria,

schön, dass du die Namen aufgelistet hast - ich finde, schon von Anfang an bauen sich Assoziationen auf. Ich frage mich natürlich, wie die weitere Bedeutung der Namen ist, aber das wird sich mit der Zeit schon ergeben. Tausendaugenhaus z.B. ist ja trotz des Namens positiv besetzt, vielleicht weil Meno als Schriftsteller tausend Augen hat, gleichzeitig aber die Ankunft der Zwillinge, die womöglich Spione sein könnten. Wieder mal mehrere Ebenen.

Ich bin nun mit Meno beim Alten vom Berg in Ostrom. Dass es zwei Wachposten zu überwinden galt, hat mich doch überrascht. Das hätte ich in einem Staat, in dem alle Menschen gleich sein sollen, nicht erwartet. Und auch schon der Weg dorthin - leicht gruselig oder beklemmend. Altenberg scheint ja recht nett, besonders gut gefallen mir die eingeschobenen Bewusstseinsströme. Das ist stilistisch toll gemacht, obwohl sie mir viel zu kurz waren. Ich hoffe, es kommt noch mehr über Altenbergs Biografie, die Teile sind ja wie ein Buch im Buch.

Und dann, im Antiquariat, das ist natürlich für Bibliophile eine schöne Stelle. Die Atmosphäre ist wieder treffend eingefangen, Unterschiede zu Westdeutschland kann ich fast nicht ausmachen. Thomas Mann wird mit Tonio Kröger thematisiert.

Bei dem Teil über Altenberg habe ich mir überlegt, wie wohl in der DDR mit den Nazis umgegangen wurde. Der Nürnberger Prozess 1945/46 war ja noch mit allen alliierten Mächten durchgeführt worden. Danach waren die einzelnen Besatzungsmächte zuständig.
Hier ein wikipedia-Artikel dazu.
Gruss von Steffi

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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon JMaria » Di 12. Mai 2009, 09:18

Hallo Steffi,

steffi hat geschrieben:
Ich frage mich natürlich, wie die weitere Bedeutung der Namen ist, aber das wird sich mit der Zeit schon ergeben. Tausendaugenhaus z.B. ist ja trotz des Namens positiv besetzt, vielleicht weil Meno als Schriftsteller tausend Augen hat, gleichzeitig aber die Ankunft der Zwillinge, die womöglich Spione sein könnten. Wieder mal mehrere Ebenen.


toller Gedanke. Auf "Augen" werde ich weiterhin achten.

Ich bin nun mit Meno beim Alten vom Berg in Ostrom. Dass es zwei Wachposten zu überwinden galt, hat mich doch überrascht. Das hätte ich in einem Staat, in dem alle Menschen gleich sein sollen, nicht erwartet. Und auch schon der Weg dorthin - leicht gruselig oder beklemmend.


und keine "Magie" war zu spüren. Alles profan, farblos und ohne Stil: die Wachposten, die Reihenhäuser mit grauen Putz, die Kuckucksuhren (Kitsch, im Vergleich zu den Uhren im "Turm").

Im Antiquariat bin ich noch nicht. Bin aber nicht weit von dir entfernt ;-)

Ich möchte den Gedanken hernehmen, den ich hatte, als ich mit Rachel über Grass diskutierte.

im Barockroman ist eine Antithetik (Gegensätzlichkeit) zu finden, die das Lebensgefühl im Barock prägte.

Wir haben im "Turm" ja auch so Gegensätzlichkeiten gespürt.

ob barocke Motive im "Turm" zu finden sind?
Carpe Diem = lat. ergreife / nütze /(genieße) den Tag
Memento Mori = lat. erinnere dich / bedenke, dass du stirbst
Vanitas = lat. Eitelkeit", "Nichtigkeit", "Misserfolg", "Vergänglichkeit

Vanitas sicherlich.

Im Wikipedia fand ich dazu eine interessante Aussage, dass es einen
Dichter namens Christian Hofmann von Hofmannswaldau [1679] gab.

Danke für den Link. Ich habe mir noch keine Gedanken darüber gemacht, wie die DDR mit Naziverbrecher umging.

Liebe Grüße
Maria
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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon YvonneS » Di 12. Mai 2009, 10:39

JMaria hat geschrieben:Ich habe mir noch keine Gedanken darüber gemacht, wie die DDR mit Naziverbrecher umging.
Liebe Grüße
Maria


Gar nicht. Die Entnazifizierung und der Umgang mit Naziverbrechern unterstand komplett der Sowjetunion, unter deren Kommando auch die Strafgefangenenlager standen, in denen die Naziverbrecher unter unmenschlichsten Bedingungen gefangen gehalten wurden. Stalin nutzte die Entnazifizierung allerdings auch, um gleich alle anderen unliebsamen Zeitgenossen loszuwerden. So saßen in diesen Gefangenenlagern nicht nur deutsche Nazis, sondern auch ein Gutteil Russen und Regimegegner der Stalinistischen Diktatur.

Den Naziverbrechern im Westen ist es im Vergleich dazu ziemlich gut gegangen und deshalb versuchten die meisten natürlich, rechtzeitig aus der Ostzone in die Westzonen zu kommen.
Zuletzt geändert von YvonneS am Di 12. Mai 2009, 14:55, insgesamt 1-mal geändert.
Liebe Grüße
Yvonne



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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon steffi » Di 12. Mai 2009, 12:31

Danke, Yvonne ! Altenbergs Jugend kommt ja vor und er war in einem dieser Internate für besonders begabte Jungs, daher der Gedanke. Ich weiß leider über Nachkriegsgeschichte oder den Kalten Krieg usw. sehr wenig.

im Barockroman ist eine Antithetik (Gegensätzlichkeit) zu finden, die das Lebensgefühl im Barock prägte.


Ein interessanter Gedanke, da muss ich aber erstmal darüber nachdenken.

Gegensätzlichkeiten sind ja auf jeden Fall thematisiert und die Motive gibt es wohl auch. Ob es aber noch weitere Merkmale gibt ?
Gruss von Steffi

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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon steffi » Di 12. Mai 2009, 12:46

Hier noch rasch ein link zu Libussa:
http://de.wikipedia.org/wiki/Libu%C5%A1e

Was ihr alles wisst, tsts - für mich war das nur ein komischer Name *lach*
Gruss von Steffi

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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon YvonneS » Di 12. Mai 2009, 13:52

Zugegeben, die deutsche Version des Namens hört sich etwas merkwürdig an. In Tschechien ist das aber heute ein nach wie vor weit verbreiteter Name, allerdings dann Libuša oder Libuše (š = sch).
Liebe Grüße
Yvonne



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