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Drasener, Ulrike
Mitgift:
Inhaltsangabe / Meine Meinung:
Die Münchner Autorin, die auch als Lyrikerin bekannt ist, nimmt sich in ihrem Roman
"Mitgift" eines der größten Tabuthemen unserer Gesellschaft an: Des
Hermaphroditismus. Wie eine Familie in einer deutschen Provinzstadt zwischen den 60er und
90er Jahren damit umgeht, schildert Ulrike Draesner in all seinen Auswirkungen auf die
Familienmitglieder. Doch spielen in der 377 Seiten starken Geschichte auch viele andere
Themen eine Rolle, so etwa die Körperwahrnehmung der Hauptfigur Aloe, die bis zur
Magersucht führt, Familie und Partnerschaft, Schwangerschaft und Fehlgeburt.
Aloe ist die ältere Schwester von Anita, die als Zwitter auf die Welt kam - mit einem
penisartigen Fortsatz zwischen den Beinen. Die Eltern unterziehen das Kind
zahlreicher Operationen und Hormonbehandlungen, bis aus ihm ein äußerlich normales
Mädchen geworden ist. Aloe gegenüber verheimlichen sie lange, was mit Anita los ist, so
dass diese kein Vertrauen zu ihren Eltern entwickeln kann. Anita jedoch hasst und
bewundert sie zugleich - weil sie dieses großes Geheimnis birgt, weil sie etwas
Besonderes ist. Somit enstehen bei Aloe große Minderwertigkeitskomplexe und Neidgefühle
auf die Schwester, die zudem wunderschön ist und ein starkes Selbstbewusstsein besitzt.
Als Erwachsene meidet Aloe lange Zeit den Kontakt zu ihrer Familie und lebt ein Leben
voller Irrwege gemeinsam mit dem Astronomen Lukas. Beruflich findet sie keinen Halt, wird
magersüchtig, als sie unbewusst versucht, ihre eigene Sexualität in ihr Gegenteil
zu verkehren und erlebt eine Fehlgeburt, die auch das Ende ihrer Beziehung zu Lukas mit
sich bringt. Erst nach diesen Erfahrungen ist sie bereit, sich langsam derproblematischen
Thematik ihrer Kindheit und ihrer Familie, ihrer "Mitgift", wieder zuzuwenden.
Dass Ulrike Draesner Lyrikerin ist, merkt man an ihrer wundervollen Sprache und an den
intensiven Bildern ("Das Licht war eine Art Heiserkeit, eine Art
Zitronengeschmack."). Stellenweise gerät der Roman etwas zu ausführlich und droht
langatmig zu werden, doch die Thematik und ihre Dramaturgie nehmen den Leser dann doch
immer wieder mit bis zum unerwartet dramatischen Ende.
Intelligent geschrieben, durch häufige Zeit- und Ortswechsel sehr anspruchsvoll und unsere Gesellschaft, die zur Normierung und Vertuschung des Abweichenden neigt, schonungslos schildernd, begeistert der Roman und stellt die Normen unserer Gesellschaft in Frage, unseren Umgang mit Menschen, die anders sind. (Christa Roßmann)
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