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Maupin, Armistead

Der nächtliche Lauscher:                kopf3.gif (8563 Byte)  Buchtip des Monats August 2002

 

Inhaltsangabe:

Der Schriftsteller Gabriel Noone lebt mit seinem Freund Jess in San Francisco in einer glücklichen Beziehung. Glücklich, bis Jess auszieht. Für Gabriel unverhofft, doch wenn er es sich recht eingesteht, hat es sich schon vorher angekündigt und er hat nur die Augen davor verschlossen. Mitten hinein in seine Einsamkeit flattert ein Manuskript eines Buches, was demnächst veröffentlicht werden soll. Der Autor ist Pete, ein dreizehnjähriger Junge, der in seiner Kindheit von seinen eigenen Eltern missbraucht wurde und nun bei seiner Adoptivmutter Donna lebt. Gabriel ist schwer beeindruckt von dem Buch und es entwickelt sich ein telefonischer Kontakt zwischen dem einsamen, verwundeten und verlassenen Gabriel und dem Jungen, auch wenn es vielleicht nicht immer so bleiben kann, denn Zweifel keimen in Gabriel auf...

 

Meine Meinung: 

Volltreffer! Dass Maupin erzählen kann, ist wohl kein Geheimnis mehr. Hier beweist er es einmal mehr. Selten habe ich mich in einer Geschichte so zu Hause gefühlt wie in dieser. Würde man mich nach dem Grund dafür fragen, so könnte ich ihn nicht benennen, denn eigentlich hat das Leben der Figuren aus diesem Roman nichts, aber auch rein gar nichts, mit dem meinigen zu tun. Und dennoch sind die beschriebenen Gefühle so ehrlich und dadurch so menschlich, dass man versteht - einfach versteht und diese Menschen lieb hat. Ob sie sich mit Personen aus dem eigenen Leben decken oder wie bei mir sich in einer völlig anderen Welt bewegen, spielt dabei wohl keine Rolle.

Diese Geschichte, die nah an etwas von Armistead Maupin Selbsterlebtes anschließt, ist absurd. So absurd, wie nur das Leben sein kann. Der Autor zeigt auf, wie Liebe sein kann und was uns daran oft hindert, so zu lieben: Unsere Menschlichkeit, die uns angeborenen Zweifel und Vorstellungen von der Wirklichkeit und der Unendlichkeit.

Mit der Wirklichkeit insbesondere wird hier mächtig gespielt. Erst meinte ich genau zu wissen, wie es ist und was passieren wird. Aber mehr als einmal musste ich mich korrigieren... mein ganzes Bild im Kopf neu malen, wie auch Gabriel Noone es tut, wenn er sich das Leben des Jungen ausmalt, den er noch nie gesehen hat und auch vielleicht nie sehen wird. Und zum Ende hin vermischt sich die Realität immer mehr mit der Phantasie, wobei deutlich wird, wie wenig wir Menschen wirklich wissen und wie viel wir selbst malen und wie unterschiedlich unser aller Bilder aussehen. Und auch, dass es eigentlich letztendlich sogar egal ist, solange es uns hilft glücklich zu sein und zu lieben.

Auch für die Toleranz tut dieses Buch sehr viel. Die Selbstverständlichkeit, mit der Maupin über diese homosexuelle Beziehung schreibt, finde ich klasse. Er lässt an keiner Stelle durchblicken, dass es etwas anderes ist, über eine homosexuelle Beziehung zu schreiben als über eine heterosexuelle, wo auf dem Gebiet schon lange so manch ein Autor versteht, viel Erotik und Sinnlichkeit mit hineinzubringen. Armistead Maupin scheint gar nicht einzusehen, es anders zu halten - ich finde es goldrichtig und wunderbar gelungen!

Sehr traurig war ich, als das Buch zu Ende war. Mit Wissbegierde habe ich das Nachwort gelesen, denn die Hintergründe zu diesem Buch laden zum Forschen ein, da Überschneidungen aus diesem Roman mit Maupins Leben nicht übersehbar sind. Auch hier gilt: Was ist nun Wirklichkeit? Und ist es letztendlich so wichtig oder sollte man nicht einfach glücklich mit dem Ende sein. Denn das, kann sich jeder selbst ausmalen, die Vorlagen sind alle da, aber das Bild entsteht in uns selbst. Das Ende hat mich jedenfalls noch als Tüpfelchen auf dem „i" köstlich amüsiert. Und der Autor hat seinen Elefanten wunderbar geschmückt, ich habe ihn mir gern angesehen! (Anm.: Das mit dem Elefanten wird wohl jeden zum Schmunzeln bringen, der das Buch gelesen hat und allen anderen kann ich nur empfehlen es zu lesen, sie werden dann an der ein oder anderen Stelle über diesen Satz denken und sicher schmunzeln).

Hoffentlich lässt sich Armistead Maupin nicht so viel Zeit bis zum nächsten Buch wie er nach den Stadtgeschichten für dieses gebraucht hat. Er macht süchtig! (Petra)

Meine Meinung:

Maupins "Stadtgeschichten" gehören zu meinen absoluten Lieblingsbüchern. Auf "Der nächtliche Lauscher" hab' ich mich daher einerseits sehr gefreut - endlich mal wieder etwas neues von Maupin! -, war andererseits aber auch sehr skeptisch. Eine Leseenttäuschung ist nach einem richtig tollen Buch schließlich nicht unwahrscheinlich, vor allem, wenn der Autor so lange nichts geschrieben bzw. veröffentlicht hat (vielleicht nur eine Eintagsfliege?). Beinahe hätte ich das Buch deshalb gar nicht gelesen, was wirklich schade gewesen wäre!

Wie zu erwarten war, kommt es zwar an die "Stadtgeschichten" meiner Meinung nach nicht ran, aber Maupins Erzählstil nimmt einen bereits auf der ersten Seite gefangen. Gabriel Noone wächst einem sofort ans Herz, und man leidet und freut sich mit ihm und mag sich am Ende gar nicht mehr von ihm verabschieden. Einzig die Rückblenden in seine Vergangenheit sind manchmal etwas langatmig, aber alles in allem ist "Der nächtliche Lauscher" ein sehr berührendes und bis zu seinem überraschenden Ende spannendes Buch mit stark autobiographischem Charakter.

Wie Petra schon geschrieben hat: Maupin macht süchtig! Dieses, wie auch seine anderen Bücher (neben den "Stadtgeschichten" noch "Die Kleine"), kann ich unbedingt empfehlen! (© Anja L. 2002)

 

Bewertung: * * * *  (Petra)

Bewertung: * * * * (Anja)

( * schlecht / ** ganz gut / *** gut / **** spitze)

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Infos: 352 Seiten, Hardcover, Rohwolt Verlag, 19,90 €