Henry Blain, der Ich-Erzähler, ist
Chefkoch im Strangeways-Gefängnis in Manchester und zugleich ein
leidenschaftlicher Shakespeare-Leser, von dessen Gesammelten
Werken er 43 verschiedene Ausgaben besitzt. Wann immer in seinem
zunächst so belanglos erscheinenden Leben etwas Einschneidendes
passiert, sucht er Lebenshilfe bei seinem Lieblingsdichter,
schlüpft deklamierend in die Rolle von Shakespeares Figuren. Ein
Held voller Überraschungen und Abgründe also, der sich gleichsam
zwischen einer Tasse Tee und einem wilden Schäferstündchen
selbst als tragische Figur entwirft. Dazu hat er reichlich
Gelegenheit, als im Gefängnis eine Revolte ausbricht, die im
sozial zerrissenen England Margaret Thatchers landesweite
Medienresonanz findet. Henry beeilt sich, den Journalisten und
Kamerateams gewinnbringend die Logenplätze in seinem Haus und
Garten zu vermieten, von denen man den besten Blick auf das
Gefängnisdach mit den meuternden Häftlingen hat. Zwischen den
verschiedenen Bühnen des Geschehens entspinnt sich eine
hochpolitische Farce: Blain solidarisiert sich mit den
Aufständischen, stilisiert sich zum Opfer einer korrupten
Verwaltung und verführt zwischendurch Louise, Reporterin beim »Anglican
Tribune". Seine Lieblingsrolle aber kennt zunächst nur der
Leser: die des Herrn über die 1600 Bäuche der Gegangenen, die er
nach Gutdünken foltert oder labt, ein Diktator der Eingeweide,
unter dessen englischem Rasen im übrigen (arme Louise!) die
Leichen einiger früherer Favoritinnen ruhen.
Luc Lang hat seit 1988 drei von der Kritik
hochgerühmte Romane veröffentlicht. Mit »1600 Bäuche«, der
1998 mit dem Leserpreis »Prix Goncourt des Lycéens«
ausgezeichnet wurde, gelang ihm ein fulminanter Publikumserfolg.
Luc Lang lehrt Ästhetik an der École des Beaux Ans in Paris.
Meine Meinung:
Mich haben zunächst der ungewöhnliche
Titel und dann der Klappentext auf dieses Buch neugierig gemacht.
Und als nächstes wollte ich wissen, wie ein Franzose über die
Thatcher-Regierung und einen Aufstand in einem englischen
Gefängnis schreiben kann. Meine Neugier wurde dann mehr aus
ausreichend belohnt. Es war köstlich zu lesen, wie aus dem braven
Koch Henry, der aus technischen Gründen arbeitslos wurde, ein
gewiefter Geschäftsmann wird. Un nicht nur das! Nach und nach
kommen Dinge ans Licht, die der Klappentext zwar schon andeutet,
die man dem braven Mann aber nicht zugetraut hätte. Dabei wird es
nie richtig gruselig oder makaber, eben feinster britischer
schwarzer Humor mit vielen kleinen, feinen Seitenhieben und
Andeutungen. Obwohl Henry sich nicht gerade zum sympathischen
Zeitgenossen entwickelt, ist man ihm nie böse, sondern wartet
gespannt, was dem Autor noch so einfällt.
Also nicht vom merkwürdigenTitel
abschrecken lassen! Eine sehr vergnügliche Lektüre für Freunde
des britischen Humors. (Lucy)