Inhalt:
Das Buch gehört zur dtv-Reihe portrait,
in der „Biografien bedeutender Frauen und Männer aus
Geschichte, Literatur, Philosophie, Kunst und Musik“ (so der
Klappentext) erschienen sind. Wie bei Biografien üblich sind die
Kapitel chronologisch eingeteilt.
Das erste Kapitel (nach dem Vorspann)
umfasst die Kindheit Albert Camus’ (1913-1923). Hier erfahren
wir, wie ihn sein Geburtsland Algerien geprägt hat - ein Land,
das dem „pied noir“, wie die
Algerienfranzosen genannt wurden, immer Heimat bleiben sollte.
Natürlich ist auch das Verhältnis zu seiner Familie, speziell zu
seiner Mutter und Großmutter, ein Schwerpunktthema dieses
Kapitels.
Das nächste Kapitel trägt den Titel „Das
Eintreten in eine neue Welt“. Damit sind jedoch nicht nur der
Beginn der Gymnasialzeit und einer lebenslange Freundschaft zu
seinem Philosophielehrer Jean Grenier
gemeint, sondern auch der Ausbruch einer damals noch
lebensbedrohlichen Lungentuberkulose, die Camus zu einem längerem
Krankenhausaufenthalt zwang. In dieser Zeit liegt der Ursprung
zweier Aspekte seines Denkens, das Absurde und die indifférence,
der Gleichmut. Und durch das Reisetagebuch „Amyntas“ entdeckt
er André Gide für sich neu, der in Algerien ebenfalls schwer an
TBC erkrankte.
Kapitel drei handelt von seinem Studium
der Philosophie in Algier, seiner Ehe mit Simone Hié und ersten
Theatererfahrungen. 1937 erscheint sein erstes Werk „Licht und
Schatten“. Der französische Titel „L’Envers
et l’endroit“ verdeutlicht besser, was der Grundsatz von Camus
sein und bleiben wird: eine Gerechtigkeit, die beide Seiten -
links und rechts - berücksichtigt.
Ein neues Kapitel der Biografie und in
Albert Camus’ Leben wird geprägt vom zweiten Weltkrieg, den er
überwiegend in Frankreich erlebt. Er arbeitet als Journalist,
unter anderem für den „Paris-Soir“,
und heiratet seine zweite Frau, Francine Faure. Es entstehen die
„drei Absurden“: Der Roman „Der Fremde“, der Essay „Der
Mythos von Sisyphos“ und das Drama „Caligula“, die er alle
1941 abschließt. 1942 bricht seine Tuberkulose erneut aus. Er
reist nach Südfrankreich zu Kur. Da die Alliierten am 8. November
in Nordafrika landen, lebt er seitdem getrennt von seiner Frau bis
zur Befreiung Frankreichs.
Er beginnt, in seinem Roman „Die Pest“
den Krieg und die Besetzung Frankreichs literarisch zu
verarbeiten. Er schreibt für die Résistance-Zeitung „Combat“
und hat in Paris ersten Kontakt zum Existenzialismus und dessen
bekanntestem Verfechter Jean-Paul Sartre. Die Freundschaft mit
Sartre ist die Ursache für das Vorurteil, selbst Existenzialist
zu sein. Über die Surrealisten um André Breton lernt er die
Schauspielerin Maria Casarès kennen, woraus eine enge Beziehung
wird, die bis zu seinem Tod andauert.
Das Kapitel „Nachkriegszeit“ hat zwei
Seiten für Albert Camus: Links der gefeierte Résistance-Aktivist
- Rechts der Kritiker von Gewalt und Terror der Libération.
Wieder entsteht eine Trilogie, die „Trilogie der Revolte“: „Die
Pest“, „Die Gerechten“ und „Der Mensch in der Revolte“.
Und wieder trifft die Übersetzung ins Deutsche nicht ins
Schwarze. „L’homme révolté“ bedeutet nämlich auch „der
entrüstete, empörte oder abgestoßene Mensch“, und genau das
meint Camus und nicht Revolution nach der Devise „Der Zweck
heiligt die Mittel“.
Damit sind wir bereits im nächsten
Kapitel, das mit dem Zerwürfnis zwischen Camus und Sartre
beginnt, der den Stalinismus verteidigt. Als Sartre in der
Auseinandersetzung ins Persönliche abgleitet, zieht sich Camus
verletzt und enttäuscht in seine alte Heimat Algerien zurück.
Er schreibt viel, lässt sich inspirieren
von dem Naturschauspiel der Wüste. Politische Spannungen
beunruhigen ihn, die ersten Unruhen erschüttern Algerien. Camus’
Warnungen und sein Rat, den Dialog zu suchen, verhallen ungehört.
So beginnt das letzte Kapitel mit dem
Algerienkrieg. Camus nimmt die Theaterarbeit wieder auf. Sie gibt
ihm Kraft, sich weiter für den Frieden in Algerien einzusetzen.
1957 wird ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen. 1960 kommt
Camus bei einem Autounfall ums Leben. In seiner Tasche befindet
sich das Manuskript des Romans „Der erste Mensch“, der 1994
publiziert wird.
Der Epilog endet mit den Sätzen: „In
der Kultur des Landes, in dem er aufgewachsen war, hatte er wie
selbstverständlich gelernt, dass ein strahlender, ein lichter
Blick etwas Gutes ist, dass es vielleicht das ganze Glück ist,
wenn auch der andere sich seines eigenen Glücks bewusst wird.
Dies könnte die wichtigste Erkenntnis sein, die uns Camus noch
heute vermittelt.“
Meine Meinung:
Hält man dieses Buch zum ersten Mal in
den Händen, drängt sich sofort die Frage auf: Wieso heißt diese
dtv-Reihe eigentlich „portrait“? Die Antwort darauf ergibt
sich so ganz nebenbei beim Lesen.
Es ist eine Biografie, zweifelsohne. Mit
allem, was zu einer Biografie gehört, z. B. Zeittafel und
Bibliografie. Albert Camus, sein Leben und sein Werk werden uns
vorgestellt, erklärt, Zusammenhänge gezeigt, Details
recherchiert und eingefügt. Doch wo eine typische Biografie den
Ehrgeiz entwickelt, die umfassendste und damit beste aller Zeiten
zu sein (gähn ;-), verfolgt dieses Buch einen anderen Weg, andere
Ziele. Die Fakten sind kein Selbstzweck sondern Teile eines
Gesamtbildes, das zwar alle Facetten wiederspiegelt, aber
überschaubar und auf das Wesentliche konzentriert bleibt. Ein
Bild, das beim Lesen Stück für Stück enthüllt wird. Ein Bild,
das neugierig macht auf mehr, mehr über Albert Camus, mehr von
seinem Werk und mehr von dieser dtv-Reihe... ein Portrait eben.
Ein besonderes Buch: Hierzu trägt zum
einen die Autorin Marie-Laure
Wieacker-Wolff bei mit sorgsam und liebevoll zusammengestellten
Informationen, sachkundigen Kommentaren und Interpretationen sowie
einem Schreibstil, der ganz einfach nicht anders sein dürfte.
Zum anderen Aufmachung und Layout:
Material und Verarbeitung von hoher Qualität, Buchformat und
Schriftgröße angenehm gewählt, gut
platzierte Bilder, nützliche Seitenüberschriften, in allen
gängigen Kriterien ein rundum „leserfreundliches“ Buch.
Darüber hinaus „der besondere Pfiff“! Farbige Textkästen
etwa, die z.B. in gelb Appetit auf den Sisyphos machen. Und
natürlich die starke Idee mit der Linie, die das untere fünftel
jeder Seite optisch trennt.
Mehr soll hier jedoch nicht verraten
werden. Wenn ich mit diesen Zeilen Ihr Interesse geweckt habe,
dann schauen Sie doch einfach mal selbst - sie werden alles andere
als enttäuscht sein. (Arno)
Bewertung: ****
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut
/ **** spitze)
Infos: 189 Seiten, dtv, 10,- €
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