Agnes wartet
verzweifelt darauf, dass ihr 'zu höherem Geborener' Ehemann
endlich einen Job findet, und sie die Stelle als
Aushilfszustellerin bei der Post aufgeben kann. Denn auch sie
hatte Träume von Studium und Beruf.
Allerdings
gestaltet sich das häusliche Leben immer
frustrierender. Die anfängliche Euphorie und die Rituale
zwischen beiden sind eingeschlafen, sie leben nur noch entfremdet
vor sich hin. Im Job findet Agnes ebenfalls keine Freude, denn
willkürliche Arbeitszuteilungen sind an der Tagesordnung, und
soziale Brennpunktgebiete im Ort sind nicht gerade Freudenspender.
Als jedoch
genau in dem Hochhaus, in dem Agnes gerade die Post verteilt eine
Frau aus dem Fenster springt, mittlerweile die zwölfte, wird ihr
Leben unerträglich. Bei der Post wird sie vom Dienst
freigestellt, ihr frustrierter Ehemann bedrängt sie und die
Polizei hat Agnes in Verdacht, weil sie Fingerabdrücke in der
Wohnung der Toten hinterlassen hat.
Agnes flieht
vor allem und sucht Unterschlupf, den findet sie ausgerechnet im
Blauen Bunker, dem Selbstmörderinnenhochhaus, und damit holen sie
längst vergessen geglaubte Ängste ein, die zusammen mit einem
geheimnisvollen Beobachter ihre Krise auf den Höhepunkt treiben.
Agnes und der
ermittelnde Kommissar müssen sich jedoch der Vergangenheit
stellen, um mit diesem Fall fertig werden zu können.
Meine
Meinung:
Ein Guter Krimi
braucht Realitätssinn und Spannung. Diese beiden Faktoren sind in
diesem Buch zu finden.
Viele
wirklichkeitsnahe Details werden hier vor uns ausgebreitet. Die
Situation von Agnes und ihrem Mann ist so bedrückend
nachvollziehbar für mich, dass es schaudert. Ich hätte die
Dialoge mitsprechen können, so treffend und detailgetreu ist
diese Beziehung geschildert. Dass die Protagonistin dabei immer
hilfloser wird, sich nicht wehren kann, obwohl sie im Berufsleben
doch eigentlich gut zurecht kommt, alle Einzelheiten sind
wunderbar getroffen, auch wenn Agnes dadurch keinen Sympathiebonus
erhält. Sie fügt sich daheim und auf der Arbeit ohne echtes
Aufbegehren in die Opferrolle und sucht unbewusst nach Mitleid.
Aber nicht nur
die Beziehung, auch das Hochhaus, das Leben in der Post und das
Kripo-Umfeld erscheinen vor dem inneren Auge. Kommissar Ide, den
seine Ideenlosigkeit schon vor langer Zeit ein E in seinem
Spitznamen gekostet hat, lebt ein wenig, wie ein deutscher
Brunetti, mit einer freundlichen Frau und gutem Essen daheim und
kann sich nur schwer zu mehr als Klischeeverurteilungen in diesem
Fall bequemen, auch er ist psychisch nicht gerade auf der Höhe.
Leider ist der Zusammenhang von häusliches Leben und der
Geschichte nicht zu ersehen.
Der Plot
entwickelt sich logisch, auch wenn für mich der Täter,
allerdings mit anderen Beweggründen, schon nach seinem ersten
Auftritt feststand. Die Verdachtsmomente, die für den Pseudo-Täter
gestreut wurden, haben jedoch
für Verwirrung gesorgt.
Das alles
scheint auf einen guten Krimi hinzuweisen, jedoch ...
hat mich an
diesem Roman eines von Anfang an gestört. Nicht die fehlende
Action der Geschichte ist es, sondern:
Die Situation
ist von Beginn an so trost- und freudlos, dass ich Mühe hatte
weiter zu lesen. Soviel mögliche Tatsachen, Melancholie, Schwermütigkeit
und negatives Denken ist für mich nur schwer zu ertragen, auch
wenn alles realistisch ist. Damit sperrte sich das Buch beinahe,
der erforderliche Lesesog, der mich mit Freude zu einem Buch
greifen lässt, stellte sich nicht ein. Ein wenig mehr
Lebensfreude zu Ungunsten von Realitätssinn wäre hier zuträglich
gewesen, allerdings lese ich zu meiner Freude, zur Unterhaltung
zur Entspannung und um der Welt ein wenig zu entfliehen, das mag für
viele Leser anders sein.
Und zur
korrekten Einordnung, wer dies hier schreibt ggf. ganz hilfreich:
Ich mag auch Brunetti nicht sonderlich und Tabor Südens Revier in
München gefällt mir ebenfalls nicht. (Binchen,
März 2004)
Bewertung: **