Inhalt:

Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn. So auch Jaime Bunda, Agent im Praktikum beim obersten Geheimdienst Angolas, einer Abteilung des „Bunkers“, der Schaltstelle der politischen Macht. Der körperlich und geistig träge junge Mann aus dem verarmten Zweig einer einflussreichen Familie verdankt seinen Job familiärer Protektion und seinen Namen seinem ausladenden Hinterteil. Nachdem er auf letzterem zwei Jahre lang untätig herumgesessen und dabei einen Stuhl verbeult hat, bekommt er zur großen Verwunderung seiner Kollegen den ersten eigenen Fall angetragen: Er soll die Vergewaltigung und den Mord an einem jungen Mädchen aufklären – oder vielleicht auch nicht? Zweifel sind angebracht, denn die einzige Spur, eine schwarze Luxuskarosse, scheint direkt in die höchsten gesellschaftlichen Kreise zu führen. So kann es kein Zufall sein, dass ausgerechnet der einfältigste Mitarbeiter plötzlich mit Dienstwagen und Handy ausgestattet wird. Unterdessen steigt Jaimes Selbstbewusstsein von Tag zu Tag ob dieser neu erworbenen Bedeutsamkeit. Er besitzt zwar eine gute Beobachtungsgabe, die seinen Vorgesetzten zuweilen verzweifeln lässt, doch seine kriminalistische Wahrnehmung ist arg verzerrt. Kein Wunder, denn seine Ausbilder heißen Hammet, Chandler & Co. Als Autodidakt vertraut Jaime darauf, dass genau wie in den amerikanischen Krimiklassikern jeder Fall, dessen Ermittlungen stecken zu bleiben drohen, eine unerwartete Wendung nehmen sowie eine geheimnisumwitterte Frau mit sich bringen müsse. Er wird nicht enttäuscht. Sein detektivischer Spürsinn fruchtet tatsächlich, allerdings ganz anders als vermutet.

Meine Meinung:

Das interessanteste an diesem Roman ist weniger die Kriminalgeschichte, die im Verlauf der Romanhandlung in den Hintergrund tritt, als vielmehr die Inneneinsichten in den Alltag eines afrikanischen Landes, das seit der Unabhängigkeit von Portugal in den letzten Jahrzehnten durch Bürgerkrieg, unbeständige politische Koalitionen und Tretminen in die Schlagzeilen geriet.
Pepetela (im wahren Leben Artur Carlos Maurício Pestana dos Santos, Jg. 1941, Soziologe, ehemals Freiheitskämpfer und Politiker) berichtet in seinem ersten Kriminalroman vom Leben der Menschen in Angola, den kleinen Leuten und den großen Tieren. Von ihren Geschäften, von denen man nicht weiß, sind sie nun legal, illegal, womöglich ein wenig von beidem? Von Immigranten aus Westafrika und dem Nahen Osten, von Totenfeiern und Wunderheilern, von Vetternwirtschaft und Intrigen der „Dienstwhisky“ saufenden Machthaber. Mit Jaime, dem Möchtegern-James Bond, durchquert man die Hauptstadt Luanda wie in einem Kaleisdoskop, kehrt ein in billigen Garküchen, streift die Elendsquartiere, schlendert über den staubigen Markt, sitzt in den Strandbars. Man sieht die Welt durch seine naiven Augen, was jedoch am Ende des Romans etwas ermüdend wirkt. Eine insgesamt straffere Erzählweise wäre wünschenswert gewesen. Auf jeden Fall handelt es sich bei Jaime Bunda um einen ungewöhnlichen Ermittler. Er stolpert durch die Szenerie, mal den coolen Ermittler und Aufschneider gebend, ein anderes Mal vor der keifenden Tante oder der wütenden Geliebten den Schwanz einziehend. Man hofft und befürchtet gleichzeitig: Dieser Trottel wird im „Bunker“ Karriere machen. Nicht minder reizvoll sind einige der Nebenfiguren angelegt, etwa die rätselhafte Algerierin, der ein ganzes Kapitel gewidmet ist, oder der Agentenkollege, der aufgrund einer „Allergie“ regimekritische Zeitungen nur mit Handschuhen und Pinzette auswertet. Die stilistischen Spielereien des Autors, der verschiedene Erzähler einführt, ermahnt oder entlässt und in das Geschehen kommentierend eingreift, wirken bemüht. Solche Mätzchen, die man aber ganz gut überlesen kann, hätte der Roman gar nicht nötig gehabt. Sein Ton ist sanft ironisch und spricht für sich. Pepetela zeigt die innenpolitischen Missstände seines Heimatlandes auf und bleibt dennoch erfüllt von großer Sympathie für dessen Menschen. (© Fevvers 2005.)

Bewertung: **/***

( * schlecht / ** ganz gut / *** gut / **** spitze)