Sano
Ichiro ist nicht gerade
glücklich, als ihm die Ermittlungen im Falle des Selbstmordes
eines Liebespaares aufgetragen werden, das im Fluss gefunden wird.
Alles deutet auf einen üblichen 'shinju' hin, den rituellen
Selbstmord aus unglücklicher Liebe heraus begangen. Jedoch machen
ihn schon ganz zu Beginn der Ermittlungen einige Tatsachen
stutzig, so dass es seinem Ehrgefühl als Samurai zuwider läuft,
als er von seinem Vorgesetzten auch noch dazu gedrängt wird, die
Ermittlungen schnellstmöglich abzuschließen.
Er nimmt
eine noch größere Verachtung durch seiner Kollegen in Kauf, als
er sie schon gewohnt ist und ermittelt. Er begibt sich ins Gefängnis,
wohnt einer Leichenöffnung bei, gerät mit berühmten
Kabuki-Schauspielern, Sumo-Ringern, Kurtisanen und Fürsten
aneinander, nur um die wahren Täter zu stellen.
Selbst als
er sein Amt verliert, das Ansehen seiner Eltern befleckt, mit dem
Tode bedroht wird und praktisch auf der Straße lebt, gibt er
nicht auf. Der Selbstmord ist lange nicht mehr so wichtig, wie die
Wiederherstellung seiner Samurai-Würde und die damit verbundene
Gesundheit seines Vaters.
Wird Sano
bei den Ermittlungen sein Leben verlieren? Wird ihm wenigstens ein
würdevoller Tod beschieden sein?
Kann er vielleicht sogar die Hintergründe des Falles aufklären
und damit schlimme Folge für das Reich des Shoguns verhindern?
Diese Fragen beschäftigen den Leser während er zusammen mit Sano
durch das Edo am Ende des 17. Jahrhunderts streift.
Meine
Meinung:
17. Jahrhundert
ist aufgrund seines Alters schon exotisch, 17. Jahrhundert in
Japan ist wirklich fremd für uns westliche Gemüter. In die
Sitten, Gebräuche und Einstellungen der Japaner der Zeit müssen
wir uns erst einmal eindenken.
Die Autorin
schafft es sehr gut, diese Zeit vor dem geistigen Auge des Lesers
lebendig werden zu lassen. Die Pracht der Fürsten, deren aufwändige
Kleidung und Lebensstil werden genauso greifbar, wie die Armut der
einfachen Bevölkerung und deren Hilflosigkeit gegenüber den
Herrschenden.
Aber nicht nur
die Armen spüren diese Machtlosigkeit und Willkür. Auch ein
Samurai ist so vielen gesellschaftlichen und persönlichen Einschränkungen
unterworfen, dass er eine ständige Gratwanderung zu bestehen hat,
die zwischen seinen Pflichten als akzeptables Kind der Eltern, als
treusorgender Ehemann und guter Untergebener eines Shoguns und
seinen eigenen Bedürfnissen, die er als echter Samurai eigentlich
gar nicht hätte, verläuft.
Polizeiliche
Ermittlungen, so vermittelt der Roman, waren zu der Zeit einfach.
Man hielt jemanden für schuldig, folterte ihn so lange bis er
gestand, und danach wurde er getötet. Damit war der Fall
erledigt.
So ist die einzige Möglichkeit
einen Ermittler ins Leben zu rufen, der uns Leser interessieren könnte
die, einen Außenseiter zu finden, der sich über diese Einschränkungen
hinweg setzt und so ständig auch selbst in Gefahr ist. Dieses
Stilmittel nutzt die Autorin genauso, wie z.B. Frau Parker (Tod
am Rashomon- Tor). Mit
dem Ermittler Sano erfährt der Leser, was es heißt ein Samurai
zu sein.
Sein
Ehrgefühl und seine Einstellungen scheinen völlig einzigartig in
einer korrupten Welt, in der der Schein mehr wert ist als das
Sein. Aber nicht nur diese Seite Japans lernt man kennen. Fürsten
- gute und schlechte, Kurtisanen, Schauspieler, vor allem die Welt
des Yoshiwara-Bezirks, alles, was in der japanischen Welt so ganz
anders ist, als in der unseren, wird anhand detailreicher,
lebendiger Beschreibungen zu einem farbenprächtigen Bild.
Eine
Bemerkung zur Gestaltung des Buches sei gestattet. Die
Kapitelanfänge sind immer mit stilisierten Kirschblüten in
unterschiedlicher Formation gekennzeichnet. Das Cover ist schlicht
und stilvoll mit einer japanischen Figur geschmückt. Ein
BLT-Taschenbuch, das auch im Regal gut aussieht.
Mit Sano Ichiro hat Frau Rowland
einen liebenswerten Ermittler in einer exotischen Umwelt
geschaffen, von dem man gerne mehr lesen möchte um sich im
historischen Japan umzusehen.
(Binchen,
Juli 2004)