Inhalt:
Island, 1950-er Jahre. In einem kleinen Fischerdörfchen wächst die 12-jährige Waise
Agga bei ihren Großeltern auf. Eines Tages ändert sich die bis dahin recht fest gefügte
Ordnung durch einen unerwarteten Gast. Freyja, die Tante aus Amerika kehrt nach dem Tod
ihres Mannes zurück in ihren Heimatort und quartiert sich prompt bei Aggas Familie ein.
Freyja, die "eine Figur wie eine Coca-Cola-Flasche hatte, eine Haut wie Alabaster
und Augen wie Diamanten, dunkles Haar und Lippen wie Schneewittchen", wirbelt
die ganze Familie gehörig durcheinander. Auch die Dorfbewohner bekommen bald zu spüren,
dass sich einiges geändert hat. Freyja verdreht der gesamten Männerwelt den Kopf - und
zieht sich damit natürlich den Missmut eines nicht unbeträchtlichen Teils der
ansässigen Damen zu. Hinzu kommt, dass Freyjas Verhalten mehr als merkwürdig ist: sie
erklimmt des Nachts unwirtliche Hügel, hat Wutanfälle und führt Selbstgespräche. Agga
beobachtet dies alles aus nächster Nähe, und sie erfährt auf diese Weise manches über
ihre Tante, das sie (trotz überschäumender Neugier) vielleicht dann doch lieber nicht
gewusst hätte.
Meine Meinung:
Dieser Roman schildert die Ereignisse um die geheimnisvolle Freyja und die oft nicht
weniger geheimnisvollen Dorfbewohner aus der Sicht der 12-jährigen Agga. Agga kriecht
überall dort herum, wo eine Lauscherin am allerwenigsten erwünscht ist. Und so sieht und
hört sie viel mehr, als so macher in ihrer Umgebung erwarten würde. Auf witzige und doch
sehr schlichte Weise wird hier erzählt. Ohne die Sichtweise von Agga wäre dieses Buch
nur halb so interessant. Die Marotten der Großeltern, der Cousinen und auch der
örtlichen Dorfpolizei werden schonungslos-liebevoll auf's Korn genommen. Von den mehr als
merkwürdigen Marotten der schönen Tante aus Amerika gar nicht zu reden.
"Fast nebenbei" erfährt man hier viel über das alltägliche Leben im Island
der 1950-er Jahre. Etwas problematisch war für mich allerdings die historische Einordnung
der Handlung, da ich von der Geschichte Islands so gut wie gar nichts wusste. Erst das
Nachschlagen in einem Lexikon gab mir eine kurze Orientierung über Zeitrahmen und
Hintergründe. Allerdings kann man das der Autorin sicher nicht anlasten, immerhin hat sie
das Buch zunächst einmal wohl eher für ihre eigenen Landsleute geschrieben.
Fazit: Ein wirklich lesenswerter Roman, dessen Erfolg in Deutschland zwar offenbar von
dem derzeitigen "Skandinavien-Trend" profitiert, der aber trotzdem keineswegs
über Wert gehandelt wird. Eine etwas mystische Geschichte aus dem Land der
Geysiere.
Schlicht und doch spitzzüngig-witzig erzählt. (Monika)
Bewertung: ***
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut
/ **** spitze)
Infos: Originaltitel: Mávahlátur, 368 Seiten, Fischer Verlag,
Taschenbuch-Ausgabe, 8,90
|