Auf dem Speicher eines leeren Wohnhauses
in der Jerusalemer Altstadt wird bei Renovierungsarbeiten die
Leiche einer jungen Frau entdeckt. Nach einigen Schwierigkeiten
bei der Identifizierung stellt Inspektor Ochajon fest, dass es im
Leben der jungen Ermordeten einige Geheimnisse gab.
Wenig später verschwindet ein
zehnjähriges Mädchen aus der Nachbarschaft der ermordeten Zohra.
Das kleine Mädchen, eine Einzelgängerin, die viel mit ihrem Hund
spazieren ging und keine Freunde hatte, war fasziniert von der
schönen Zohra und hat sie ständig beobachtet. Offensichtlich
weiß das Kind mehr über die Geheimnisse der Ermordeten und kennt
auch einige kleine Geheimnisse der Nachbarn. Inspektor Ochajon
wird schnell klar, das die Kleine in höchster Gefahr schwebt und
das er sie schnell finden muss, um Schlimmes zu verhüten.
Meine Meinung:
Zu Recht wird Batya Gur als die beste
Kriminalschriftstellerin Israels bezeichnet. „Denn die Seele ist
in deiner Hand“ reiht sich nahtlos in ihre Erfolgsreihe um
Inspektor Ochajon ein.
In diesem Buch geht es unter anderem um
weit in die Vergangenheit reichende Ereignisse aus den Anfängen
des jungen Staates Israel und die damals gemachten Fehler, die man
heute am liebsten unter den Teppich kehren würde. Es zeigt sich,
dass auch im neuen Heimatstaat der Juden nicht alle
Neuankömmlinge gleich willkommen waren und je nach Herkunft der
neuen Staatsbürger durchaus Unterschiede gemacht worden sind. Bei
einigen dieser Vorkommnisse, die damals anscheinend gar nicht so
selten waren, blieb die Menschlichkeit auf der Strecke. Es ist
eine mutige Entscheidung von Batya Gur gerade dieses heiße Eisen
in einem Roman zu verwenden. Sie tut es jedoch auf die für sie
typische zutiefst menschliche und sensible Weise, die wir aus
ihren übrigen Büchern gewohnt sind.
Besonders herausragend ist wieder die
Figur des Inspektor Ochajon . Dieser nachdenkliche, etwas
melancholische, sich seiner Anziehungskraft auf Frauen gar nicht
bewusste sensible Einzelgänger. Er, der so gar nichts
heldenhaft-spektakuläres an sich hat, ist die herausragende und
tragende Figur der Bücher. Gerade die Eigenschaften eines
Antihelden sind es, die ihn zu einem vertrauenerweckenden, fast
charismatischen Menschen machen, dem Zeugen und Verdächtige
gleichermaßen vertrauen.
Die meisterhafte Schilderung der
Atmosphäre, der Menschen ,der Farben und Gerüche finden ihre
treuen Leser faszinierend. Batya Gur lässt sie teilhaben am
Alltagsleben und den Problemen des von mannigfaltigen Problemen
und Krisen gebeutelten Staates Israel. Dabei spart sie weder
Probleme wie kaum bemäntelte Abneigung gegen palästinensische
Mitbewohner unter den Beamten der Polizei, noch Skandale und
Doppelmoral unter den Juden verschiedener Herkunft aus.
Alles in Allem - ein gelungenes Buch mit
einer sinnlich-sensiblen Geschichte, die mitten in die Realitäten
des Lebens eindringt. Man kann sie nur wärmstens empfehlen.