Inhalt:
Kanon lässt gleich vermuten, hier möchte
jemand Vorschriften machen, was man gelesen haben muss. Dies ist
nicht der Fall. Ulla Hahn stellt hier ihr ganz persönlichen
Lieblingsgedichte vor, der vom Mittelalter bis zur Gegenwart
reicht - von Walther von der Vogelweide über Uhland, Else-Lasker
Schüler und Hugo von Hofmannsthal, bis hin zu Paul Celan und
Ingeborg Bachmann. Aber diese Namen sind nur ein paar wenige von
vielen Dichterinnen und Dichtern, die Ulla Hahn durchs Leben
begleiten...
Meine Meinung:
Ulla Hahn schreibt selbst Gedichte. Sehr
gute sogar, zumindest in meinen Augen. Oder sollte ich lieber
sagen in meinen Ohren? Denn ihre Lyrik klingt und hallt nach.
Einen kleinen Einblick gibt da ein ähnlicher Band wie der hier
vorliegende: Meine Gedichte von Marcel Reich-Ranicki. Wie Ulla Hahn mit diesem
Band, gibt dort Reich-Ranicki einen Einblick in seinen
Bücherschrank. Und unter seiner Lieblings-Lyrik finden wir u.a. auch
Gedichte von Ulla Hahn.
Aber zurück zu „Stimmen im Kanon“.
Hier stellt Ulla Hahn nicht ihre eigene Lyrik vor, sondern dies
ist eine Zusammenstellung ihrer persönlichen Lieblingsgedichte.
Ich empfinde solch eine Anthologie als äußerst wertvoll. Ein
Mensch, der die Lyrik liebt und uns einen Blick in seine ganz
subjektiven Lieblingsgedichte gewährt, kann uns Türen öffnen.
Wagt man sich erst mal an Lyrisches heran, kann man viele schöne
Überraschungen erleben. Wer nicht lange suchen möchte, dem kann
ich empfehlen hier mal hereinzuschauen.
Mir persönlich hat Ulla Hahn sowohl
einige neue Türen geöffnet, als auch einige offene eingerannt.
Denn einige Dichter sind hier vertreten für die ich mich schon
lange begeistere; um nur einige zu nennen: Schiller, Goethe, Hesse
und Morgenstern. Gerade von Christian Morgenstern hat sie ein ganz
besonderes ausgewählt, das ich noch nicht kannte und mit dem sie
Humor beweist.
Darüber hinaus, dass es einem hier leicht
gemacht wird, Neues zu entdecken oder in Geliebtem zu versinken,
gibt einem solch eine Anthologie aber auch die Möglichkeit
Einblick in die Gefühle des Menschen zu erhalten, der hier seine
Lieblingsgedichte offenbart.
Das Buch ist gesegnet mit einem
Verzeichnis der Gedichtüberschriften und Anfänge alphabetisch
sortiert. Auch ein Verzeichnis der Autoren und Druckvorlagen ist
anhängig. Vorne im Buch kann man zudem ein klein wenig ersehen,
welches Gedicht zu welcher Zeit entstanden ist, da dort ein
Inhaltsverzeichnis abgedruckt ist. Ulla Hahn hat mit Dichtern des
Mittelalters begonnen und tastet sich zur Gegenwart vor. Leider
sind die genauen oder ungefähren Entstehungsjahre der Gedichte
nicht ersichtlich. Aber dem muss ich zu Gute halten, dass das
sicherlich auch schwer möglich war, da diese Daten oftmals nicht
vorhanden sind und eine halbherzige Bennenung von Entstehungsdaten
auch nicht viel weitergeholfen hätte.
Ein kleines Glanzstück ist noch im Anhang
das Nachwort von Ulla Hahn, in dem sie dem Leser einiges über die
Entstehung des Buches, über Gedichte und Dichter anvertraut.
Dargereicht wird diese Sammlung von
Gedichten in einer sehr schönen Form. Der Reclam Verlag hat
dieses Bücherlein im Rahmen einer Jubiläums-Edition
herausgebracht. Es ist handlich und eignet sich somit als
Begleiter, denn es passt durch sein kleines Format bequem in die
Tasche. Zudem ist es, wenn man den Schutzumschlag entfernt, in
weiß gehalten, dass als Verkörperung von Reinheit dienen
könnte. Eine schöne Umgebung für diese herrlichen Gedichte.
Eine wirklich gelungene Ausgabe!
Fazit: Kanon - leider ist dieser Begriff
in der Literatur oft m. E. missbraucht worden. Das Wort
suggeriert, dass ein Kanon enthält, was man gelesen haben MUSS.
Ich möchte an den Ursprung des Worts erinnern, bzw. an eine
mögliche Interpretation (s. Duden): Ein Lied, in das nacheinander
eingestimmt wird. Diese Begriffserklärung sollte man vielleicht
öfters beherzigen - Ulla Hahn macht es mit ihren "Stimmen im
Kanon" vor. (Petra)
|
geht es zur
Rezension zu Marcel Reich-Ranickis persönlicher
Anthologie "Meine Gedichte"! |
Bewertung: ****
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut
/ **** spitze)
Infos: 367 Seiten, gebundene Ausgabe,
Reclam Verlag, 10,- €
|