"Der breite Fluß lag weiß und gefroren da wie
die in Schweigen verfallene Zunge eines
Erdteils." |
(Joseph
Brodsky, Erinnerungen an Leningrad) |
Auf dem großelterlichen
Speicher findet Bea vergilbte Aufzeichnungen einer Frau,
die gemeinsam mit ihrer Mutter in einem sibirischen Lager
eingesessen hatte. Erst ein halbes Jahrhundert später erfährt
Bea nun, was ihre Mutter vor ihrem Tod in dem
Lager erlebt und erlitten mußte. Doch sie kann mit
niemanden darüber sprechen.
Kurz darauf
lernt sie den introvertierten Juden Jakob Stern kennen,
der als einziger seiner Familie in einem Versteck den
Holocaust überlebt hat. Es beginnt eine schwierige
Liebesgeschichte, denn Jakob findet zunächst keine
Sprache für das Erlittene. Eine gemeinsame Reise nach St.
Petersburg bricht das Schweigen. Erst durch diese Annäherung
aneinander, und auch an das tabuisierte Thema, wird
gegenseitiges Verständnis und eine gemeinsame Bewältigung
der schwierigen Vergangenheit möglich.
Meine Meinung:
Ich zitiere eine so finde
ich besonders bewegende Stelle aus dem Feldpostbrief von
Beas Vater an ihre Mutter:
"Als ich gestern wieder abfahren mußte, brach mir
fast das Herz. Künftig darfst du mich nicht wieder zum
Bahnhof begleiten. Diese Abschiede sind zu schrecklich.
Als der Zug abfuhr, sah ich Dich dastehen, die Dampfwolken
der Lokomotive verhüllten Deine Beine, dann wieder Deinen
Leib, Dein Gesicht, oder Dein leuchtendes Haar, so daß
ich Dich nicht nur kleiner werden, sondern zerstückelt
sah. Als der Rauch verflog, konnte ich Dich in der
Menschenmenge auf dem Bahnsteig nicht mehr erkennen. Die
ersten Tage nach unseren Trennungen sind die schlimmsten,
da weiß ich überhaupt nicht, wie ich mich wieder wappnen
und stählen und an den ganzen Stumpfsinn gewöhnen soll.
Ich habe immer noch den Klang Deiner geliebten Stimme im
Ohr, berge immer noch mein Gesicht in deinem Haar. Alle
meine Schwächen können sich an Dich anlehnen und meine
verletzlichen Seiten sind durch Dich geschützt..."
Dieses Buch, ist nach Leo Kaplan von Leon de Winter ein
***** Buch, daß absolut zu empfehlen ist.
Fazit: Dieses Buch hat
mich sowohl vom inhaltlichen, als auch vom sprachlichen
Ausdruck her tief beeindruckt und berührt. Es wirkt lange
nach, indem es zum Nachdenken anregt, über Liebe und
Vertrauen, Leiden und Schuld. Ein Buch gegen das Vergessen
und eine klare, ausdrucksstarke Stimme gegen das
Verstummen in der heutigen Zeit.
(Doris)
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