Wer kennt das nicht? Man(n) verliebt sich
unsterblich in das andere Geschlecht und die Angebetete erhört
einen trotz intensivster Bemühungen nicht. Da möchte Man(n) aus
der Haut fahren oder, wie in Benjamin Leberts Roman „Der
Vogel ist ein Rabe“ durch die Figur des Henry geschehen,
einem wildfremden Menschen während einer Zugreise von München
nach Berlin über seine Erlebnisse berichten, um sie zu
verarbeiten. Dann gibt es noch eine dritte Variante, die aber erst
am Schluss des Romans thematisiert wird.
Der 18-jährige Henry verliebt sich in die
28-jährige, magersüchtige Christine, mit der er so „über
sechs Ecken“ verwandt ist. Während Christines Essstörungen
ärztlich in einer Klinik behandelt werden, besucht Henry die
junge Frau und lernt dabei ihren fettsüchtigen Freund Jens
kennen. Jens liebt Christine abgöttisch, erfüllt ihr jeden
Wunsch, traut sich aber nicht, ihr seine Liebe zu gestehen. Henry
urteilt über beide: „Sie haben sich beide bitter notwenig
gebraucht und sie haben sich aufs Ärgste konstant belogen.“
Allerdings gehen Christines Gefühle zu beiden Männern über
Freundschaft nicht hinaus. Dann kommt es zur Krise. Als alle drei
bei Jens Eltern im selben Zimmer übernachten, kann sich Henry
nicht mehr zurückhalten und steigt zu Christine ins Bett. Es
kommt die Katastrophe, in deren Folge Christine in die Arme eines
Dritten flieht, Jens durchdreht und Henry mit dem Zug nach Berlin
flieht. Seinem schweigsamen Mitreisenden Paul führt er während
dieser Fahrt in aller Breite seine Erlebnisse und Gedanken über
Liebe, Frauen und Sexualität aus. Als beide in Berlin ankommen,
warten schon Polizeibeamte in Zivil auf Paul.
Meine Meinung:
Mir persönlich ist der Roman mit zu
vielen Aspekten rund um das Thema Liebe aufgeladen, die selbst nur
oberflächlich angerissen werden.
Beispielsweise wird das Verhältnis zum
eigenen Körper in unterschiedlichen Situationen immer wieder
aufgenommen. Henry und Jens diskutieren über die idealen
Frauenkörper, die im TV und in der Werbung gezeigt werden. „Diese
Körper, die so perfekt und wohlgeformt sind, dass man wahnsinnig
wird. Und wenn sie einen dann durch den Bildschirm hindurch oder
von einem Plakat herunter mit diesen Augen ansehen. In den Augen
glüht immer so ein einladender Funke, so ein lockendes
Versprechen: Lass uns zusammen tanzen und brennen und ficken, bis
es nichts mehr zu brennen und zu ficken gibt, bis wir beide zu
schwarzer Asche zusammenfallen und vom Wind emporgerissen werden.“
Das Verhältnis zum eigenen Körper ist
bei Jens, Henry und Christine gestört. Jens und Christine leiden
an Essstörungen, Henrys Angst drückt sich psychosomatisch aus:
er scheißt sich in die Hose. Allerdings erfährt der Leser über
die Ursachen einer Essstörung kaum etwas. Als Paul dann nach den
Gründen für eine Essstörung fragt, bekommt er von Henry die
oberflächliche Antwort: „Es ist was Psychisches. Und wenn es
nicht behandelt wird, sterben die, die daran leiden, tatsächlich.“
Mehr wird hierzu nicht gesagt. Dafür betrachte ich das Thema
Essstörung für zu tiefgreifend, um es in diesem einfachen Satz
abzuhandeln.
Ich persönlich hätte mir eine
intensivere Darstellung des Themas Essstörung gewünscht.
Besonders Bulimie (Fress- und Brechsucht) ist auf den ersten Blick
nicht so leicht zu erkennen, da der Kranke sich auf den ersten
Blick körperlich kaum verändert. Alternativ hätte Jens oder
Christines Leben aus deren Sicht dargestellt werden können, oder
die körperlichen Schäden, die durch Essstörungen hervorgerufen
werden, in dem Text selbst mehr hervorgehoben werden können.
Ansonsten hätte ich den Bereich
Essstörung komplett heraus gelassen und den Schwerpunkt auf die
Beziehung zwischen den jungen Menschen gesetzt.
Wer sich noch nie mit dem Thema
Essstörungen beschäftigt hat, erfährt in diesem Buch nicht mehr
darüber. Deshalb erscheint mir dieser Themenbereich in diesem
Text eher aufgesetzt und konstruiert zu sein. Er steuert aus
meiner persönlichen Sicht nicht viel zur eigentlichen Handlung
mit hinzu. (Jana)
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gibt es weitere Informationen über den jungen
Autoren Benjamin Lebert.
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