Leseerlebnisse 2022...ich lese gerade...

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Re: Leseerlebnisse 2022...ich lese gerade...

Beitragvon Kioki » Di 9. Aug 2022, 09:01

Petra hat geschrieben:
Durch das Thema fühle ich mich an ein ganz tolles Leseerlebnis mit "Suite française" von Irène Némirovsky erinnert. Kennst du den Roman? Er spielt im von den Deutschen besetzten Frankreich um 1940. Ein unvergessliches Buch! Wenn du es noch nicht kennst, könte das etwas für dich sein.


Danke für den Tipp, Petra! Von dem Buch habe ich gehört, und vor allem auch von Irène Némirovkys tragischer Lebensgeschichte. Dass sie so Vieles vorausgeahnt hat. Vor dem Buch habe ich großen Respekt und ich glaube, ich könnte es mit dem Wissen, was der Autorin widerfahren ist, kaum mit Genuss lesen. Aber bestimmt ist es ein großartiges Werk. Mal sehen, vielleicht schaue ich mal rein.
Gerne gelesen habe ich vor Jahren vonn Irène Némirovsky den Roman Jesabel.

Gerade habe ich Die vier Gezeiten von Anne Prettin beendet. Spielt auf Juist, in, man glaubt es kaum, einander abswechselnden Kapiteln, die auf verschiedenen Zeitebenen angesiedelt sind....
Und gestern abend habe ich mit Was man unter Wasser sehen kann von Henriette Dyckerhoff begonnen. Dieser Roman ist ebenso strukturiert: Verschiedene Zeitebenen in abwechselnden Kapiteln. Scheint so eine Art Kunstgriff zu sein, der gerade für Familiengeschichten gerne angewandt wird. Ist ja auch schick und für´s Lesen kurzweilig. Allerdings muss man sich immer wieder auf die gerade behandelte Zeitebene einstellen. Ist ein bisschen so, als würde man immer hin und her springen. In manchen Romanen ist es ja auch so, dass sich wirklich erst am Schluss die Fäden zusammenfügen. Ich hatte schon mal überlegt, zuerst alle Kapitel des einen Zeitstranges und dann die des anderen zu lesen. Ich könnte mir vorstellen, dass man dann so einn Buch nochmal etwas anders beurteilt.
Mal sehen, wie weit ich mit Was man unter Wasser sehen kann komme. Danach werde ich darauf achten, ein Buch zu lesen, das chronologisch geschrieben ist.

Die vier Gezeiten ist, wie gesagt, eine Familiengeschichte, die auf Juist spielt und für Leute, die diese Insel kennen, schön zu lesen! Man stellt sich beim Lesen die Insel und die Gebäude vor und erfährt zudem noch so Einiges über die Geschichte, bekannte Persönlichkeiten und auch die Nutzungsgeschichte bekannter Bauten. Das ist meiner Wahrnehmung nach sehr gut recherchiert. Die Familiengeschichte, über drei Generationen hinweg, ist spannend erzählt, die Persönlichkeiten gut porträtiert. Hauptcharaktiere sind die Frauen. Viele Geschehnisse werden verschwiegen - um andere zu schützen oder um den (vermeintlichen) Familienfrieden zu wahren. Irgendwann kommen die unterdrückten Geheimnisse wieder hoch. Die Geschichte ist schon ziemlich komplex, ganz einfach ist es nicht, den Erzählsträngen zu folgen und alle Figuren im Hinterkopf zu behalten. Auf jeden Fall eine lohnende Lektüre für Inselliebhaber (auch Watt und See haben ihren Platz in dem Buch) oder Menschen, die gerne Familiengeschichten lesen.
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Re: Leseerlebnisse 2022...ich lese gerade...

Beitragvon Sonja » Sa 13. Aug 2022, 11:05

Hallo Petra,

als ich schrieb, ich melde mich später nochmal mit meinen Gedanken zu Deinem Bericht von “Die schiere Wahrheit”, dachte ich nicht, dass es so viel später wird. Aber wie das Leben manchmal so spielt. Nun aber. Erstmal: Du machst mich total neugierig. Ich gebe zu, dass ich zunächst skeptisch war und es fuchste mich schon etwas, dass mit Studer Glausers Kommissar ermitteln durfte, nicht aber Maigret. Deine Erläuterungen zu Amélie haben das nun behoben und mich gleichzeitig noch neugieriger auf den kleinen Doktor gemacht, den ich auch in auf der Verlagsseite schon gesehen hatte, aber immer dran vorbeigescrollt bin. Und wie ich sehe, liest Du ihn jetzt schon. Ich bin mega gespannt. Ein Reinlesen hat mich auch bereits neugierig gemacht.


Petra hat geschrieben:Und zweitens eine Begegnung zweier Literaturgrößen, die nie stattgefunden hat, aber hätte stattfinden können (auch hierzu näheres im Anhang). Zudem nicht irgendeine Begegnung, sondern eine zwischen Glauser und dem von ihm so bewunderten Simenon.

Beide Ebenen erzählt Ursula Hasler so authentisch und dicht, dass es mir (auf äußerst angenehme Weise) irgendwann schwerfiel, sie nicht hin und wieder miteinander zu vermischen. Ursula Hasler macht das mit voller Absicht (und großem Können), und mit Vergnügen stellte ich dann auch fest, dass es nicht nur mir so ging, sondern Glauser und Simenon ebenfalls. Ich bekam dadurch ein Gefühl dafür, wie nahe den beiden Schriftstellern ihre Figuren gewesen sein müssen. Man merkt das ja auch, wenn man die Krimis der beiden Autoren liest.


Wie toll, dass Ursula Haslser dies schafft und wie sehr dann auch sie wieder eine große Bewunderin von Glauser und Simenon ist. Auch das macht mich sehr neugierig.

Petra hat geschrieben:Natürlich unterhalten sich Simenon und Glauser während ihres Strandspaziergangs übers Schreiben. Bei einer Gelegenheit sagt Glauser etwas darüber, was an Simenons Krimis so anders ist als an anderen. In Krimis geht es immer um die Lösung eines Falls, darum wer der Täter ist, und wie er überführt wird. Die Krimis mit Kommissar Maigret seien anders. Da sei nicht der Kriminalfall an sich, und die Entlarvung des Täters und die Lösung das Hauptthema, sondern die Menschen und die Atmosphäre, in der sie sich bewegen. Er sagt weiter, dass man merkwürdiger Weise in diesen Krimis im Grunde gleichgültig bleibt gegen die Lösung. Der Täter, so meint er weiter, sei ein Mensch unter anderen, wie im alltäglichen Leben auch. Zum Ausgang der Geschichte sagt er, dass es eigentlich kein Ende gäbe. Die Geschichte hört auf, ist ein Abschnitt des Lebens, aber das Leben laufe weiter.


Ja! Definitiv ja! Den Eindruck hatte ich bei meinen drei Maigrets hintereinander auch bzw da fiel es mir auf, dass es die ganze Zeit schon so war. Der eine Fall ist gelöst, das Buch wird zugeklappt und das Nächste auf. Und dort treffe ich den Kommissar wieder und es geht an den nächsten Fall – mit der vertrauten Ruhe und Atmosphäre Maigrets und neuen Eindrücken von Menschen, ihren Schicksalen und ihrer Umgebung. Und diese dann ganz anders, als beim vorherigen Fall. Und er löst den Fall, aber er löst ihn auch für die Menschen; überlegt was gut und richtig für sie ist.

Petra hat geschrieben:Doch bleiben wir erst mal bei der Wahrheit: Wer Simenons und Glausers Krimis liest, wird nicht umhin kommen festzustellen, dass Maigret und Studer manchmal mit der aufgedeckten Wahrheit hadern. Weil Recht und Gereichtigkeit nicht immer dasselbe sind. Wunderbar lässt Ursula Hasler Simeneon und Glauser diesen Punkt erörtern, und dadurch dem Leser von Maigret- und Studer-Romanen erklären, was Simenon und Glauser in ihren Erzählungen am Herzen liegt. In dieser Unterhaltung erkennt man das Wesen der Maigret- und der Studer-Krimis.


Auch hier meine volle Zustimmung und ein weiterer Punkt, nun auch mal endlich zu einem Studer-Krimi zu greifen.

Dass Du viel dafür hättest, wenn Amélie und Studer ein weiteres Mail gemeinsam ermitteln, sagt alles und ebenso bleibt dann abzuwarten, wie Simenon und Glauser aufeinenader treffen.

Ich habe Deinen ausführlichen Bericht sehr genossen. Danke dafür! Und mit Studer, dem kleinen Doktor und der schieren Wahrheit nun einen längeren Merkzettel :breit_grins:
Liebe Grüße, Sonja

:buecher_boden:
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Re: Leseerlebnisse 2022...ich lese gerade...

Beitragvon Sonja » Sa 13. Aug 2022, 11:18

Petra hat geschrieben:Bücher die in dieser Zeit entstanden sind, lese ich auch immer sehr gerne. Auch weil sie eine gewisse Ruhe ausstrahlen, wie ich finde. Man merkt ihnen an, dass alles noch nicht so schnelllebig war wie heute. Ich lese aktuell auch wieder einen Krimi, der Anfang der 30er Jahre erstmalig erschienen ist. Davon gleich mehr.


Ja, das passt einfach wunderbar zusammen. Ich habe den Eindruck, ich halte mich in diesem Jahr besonders gerne zwischen den 20er und 60er Jahren auf. Genau, diese Ruhe, aber auch die Autoren und in ihre Zeit.

Die Eindrücke von Deinem Krimi zu Beginn der 30er Jahre habe ich auch interessiert gelesen.

Petra hat geschrieben:
Wie toll! Du bist gleich bei Maigret geblieben! Und so interessant, was du von beiden Fällen zu berichten hast.

Bei “Maigret und der gelbe Hund” darf ich mich also auch auf Inspektor Leroy freuen. Bestimmt interessant zu beobachten, die beiden gemeinsam ermitteln, und sich Leroy über manche Methode seines Chefs wundert, und Maigret Leroy manchmal zu Ermittlungen schickt, um ein wenig Ruhe zu haben. :kichern:
Da freue ich mich schon mal vor. Und auf die charmante Seite des Kommissars freue ich mich auch.


Charmant in der Art von Maigret versteht sich. Aber mir fiel kein passenderes Wort ein. Aber wie er sich um eine bestimmte Person kümmert, hatte für mich schon etwas charmantes.

Petra hat geschrieben:Toll auch zu hören, dass der Sog gleich schon wieder so stark war. Mir scheint, dass von Fall zu Fall eine Steigerung zu beobachten ist. Sehr schön.

Ich hoffe der Kommissar kommt gut voran mit seinen Ermittlungen. Ich freue mich schon auf deinen weiteren Bericht!


Der 5. Fall war schon sehr besonders. Aber die beiden Folgenden nehmen den Faden wunderbar auf. Das mit der Steigerung des Sogs kommt gut hin. Den Eindruck hatte ich auch.
Liebe Grüße, Sonja

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Re: Leseerlebnisse 2022...ich lese gerade...

Beitragvon Sonja » Sa 13. Aug 2022, 11:31

“Maigrets Nacht an der Kreuzung” habe ich in der Zwischenzeit beendet und es hat mir sehr gefallen. Erneut eine neue Geschichte, mit interessanten Personen und nichts scheint zu sein, wie es scheint. An Maigrets Seite ist dieses Mal wieder Inspektor Lucas, im Gepäck jede Menge Spannung (der Kommissar entgeht nur knapp einem Schuss) und auch Madame Maigret gibt sich – wenn auch nur kurz – die Ehre.
Liebe Grüße, Sonja

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Re: Leseerlebnisse 2022...ich lese gerade...

Beitragvon JMaria » Sa 13. Aug 2022, 12:36

Ich habe „Der Morgenstern“ von Karl Ove Knausgard beendet. Alle Personen sind in Position gesetzt. Macht echt Lust auf mehr. Ich freu mich auf die Fortsetzung. Ich hatte manchmal ein Murakami-Feeling: mystisch. :daumen_hoch:

Im Moment lese ich einen Krimi Reef, Rob: Das Geheimnis von Benwick Castle (Stableford 2). Ich mag die Serie, man bekommt eine Mischung von Hercule Poirot und Sherlock Holmes serviert, aber mit Einsatz von Frauen, die mithelfen, garniert mit amüsanten Dialogen a la Lord Peter Wimsey. Man hat aber nicht das Gefühl, dass abgekupfert wurde. Ich finds gut geschrieben. Diesmal befindet sich die Gruppe um Stableford in Schottland, in einem abgelegenen Ort Brigadun, 1937. (man denke dabei an einen verwunschenen Ort, literarische Bezüge kommen bei Stableford immer vor.)
Schöne Grüße, Maria
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Re: Leseerlebnisse 2022...ich lese gerade...

Beitragvon Petra » So 14. Aug 2022, 16:40

Kioki hat geschrieben:Danke für den Tipp, Petra! Von dem Buch habe ich gehört, und vor allem auch von Irène Némirovkys tragischer Lebensgeschichte. Dass sie so Vieles vorausgeahnt hat. Vor dem Buch habe ich großen Respekt und ich glaube, ich könnte es mit dem Wissen, was der Autorin widerfahren ist, kaum mit Genuss lesen. Aber bestimmt ist es ein großartiges Werk. Mal sehen, vielleicht schaue ich mal rein.
Gerne gelesen habe ich vor Jahren vonn Irène Némirovsky den Roman Jesabel.


Ja, gerade vor dem Hintergrund von Irène Némirovkys Schicksal ist dieser Roman umso inteniver, authentischer und wichtiger! Deinen Respekt vor dem Buch kann ich gut verstehen. Solche Bücher brauchen auch bei mir immer den richtigen Lesezeitpunkt. Ich hatte ihn für "Suite fancaise" gefunden, und es zählt zu meinen Lieblingsbüchern, trotz des traurigen Themas.

"Jesabel" merke ich mir vor. Vielen Dank für den Tipp.

Den Bericht über deine aktuelle und deine vorherige Lektüre, und die darin verwendete Erzählweise mit den unterschiedlichen Zeitebenen, habe ich mit Interessere gelesen.
Liebe Grüße,
Petra


Ich lese gerade: :lesen:
Rónán Hession - Leonhard und Paul (HC)
Benjamin Stevenson - Die mörderischen Cunninghams. Irgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen (ebook)

Ich höre gerade: :kopfhoerer:
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Re: Leseerlebnisse 2022...ich lese gerade...

Beitragvon Petra » So 14. Aug 2022, 17:01

JMaria hat geschrieben:Ich habe „Der Morgenstern“ von Karl Ove Knausgard beendet. Alle Personen sind in Position gesetzt. Macht echt Lust auf mehr. Ich freu mich auf die Fortsetzung. Ich hatte manchmal ein Murakami-Feeling: mystisch. :daumen_hoch:

Im Moment lese ich einen Krimi Reef, Rob: Das Geheimnis von Benwick Castle (Stableford 2). Ich mag die Serie, man bekommt eine Mischung von Hercule Poirot und Sherlock Holmes serviert, aber mit Einsatz von Frauen, die mithelfen, garniert mit amüsanten Dialogen a la Lord Peter Wimsey. Man hat aber nicht das Gefühl, dass abgekupfert wurde. Ich finds gut geschrieben. Diesmal befindet sich die Gruppe um Stableford in Schottland, in einem abgelegenen Ort Brigadun, 1937. (man denke dabei an einen verwunschenen Ort, literarische Bezüge kommen bei Stableford immer vor.)


Dass dir "Der Morgenstern" so gut gefallen hat, ist schön, Maria.

Und sehr neugierig machst du mich erneut auf die Stableford-Reihe. Klingt wirklich richtig gut! Danke fürs Interesse wecken. :kann_nicht_abwarten:
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Leseerlebnisse 2022...ich lese gerade...

Beitragvon Petra » So 14. Aug 2022, 17:01

Hallo Sonja,

Sonja hat geschrieben:Hallo Petra,

als ich schrieb, ich melde mich später nochmal mit meinen Gedanken zu Deinem Bericht von “Die schiere Wahrheit”, dachte ich nicht, dass es so viel später wird. Aber wie das Leben manchmal so spielt. Nun aber. Erstmal: Du machst mich total neugierig. Ich gebe zu, dass ich zunächst skeptisch war und es fuchste mich schon etwas, dass mit Studer Glausers Kommissar ermitteln durfte, nicht aber Maigret. Deine Erläuterungen zu Amélie haben das nun behoben und mich gleichzeitig noch neugieriger auf den kleinen Doktor gemacht, den ich auch in auf der Verlagsseite schon gesehen hatte, aber immer dran vorbeigescrollt bin. Und wie ich sehe, liest Du ihn jetzt schon. Ich bin mega gespannt. Ein Reinlesen hat mich auch bereits neugierig gemacht.


Ja, so ist das manchmal: Das Leben funkt einem dazwischen! :nicken_freudig:

Dass ich dich auf "Die schiere Wahrheit" neugierig machen konnte, freut mich sehr! Dass dich zunächst gefuchst hat, dass Studer ermitteln darf, Maigret aber nicht, kann ich gut verstehen. Der Grund war dann aber natürlich einleuchtend. Mich hatte während der Lektüre am meisten irritiert, wie Ursula Hasler Simenon eine Figur wie Amèlie Morel andichten kann. Das passte für mich überhaupt nicht zu Simenon, und ich konnte mir nicht vorstellen, dass es dafür eine gute Erklärung gibt. Andererseits merkt man wie viel Gespür sie für die beiden Autoren hat, und was sie von ihnen alles in ihren Roman hineinlegt. Da war mir klar, dass eine Absicht hinter dieser Figur stecken musste. Wie schön, dass mich dieses Rätsel am Ende auf Simenons Figur des kleinen Doktors gebracht hat. Und wie schön, dass ich über diesen Umweg den kleinen Doktor ganz bald kennenlernen wollte. Denn wer weiß, wann das sonst passiert wäre.

Sonja hat geschrieben:Ja! Definitiv ja! Den Eindruck hatte ich bei meinen drei Maigrets hintereinander auch bzw da fiel es mir auf, dass es die ganze Zeit schon so war. Der eine Fall ist gelöst, das Buch wird zugeklappt und das Nächste auf. Und dort treffe ich den Kommissar wieder und es geht an den nächsten Fall – mit der vertrauten Ruhe und Atmosphäre Maigrets und neuen Eindrücken von Menschen, ihren Schicksalen und ihrer Umgebung. Und diese dann ganz anders, als beim vorherigen Fall. Und er löst den Fall, aber er löst ihn auch für die Menschen; überlegt was gut und richtig für sie ist.

[...]

Auch hier meine volle Zustimmung und ein weiterer Punkt, nun auch mal endlich zu einem Studer-Krimi zu greifen.


Ja, das ist wirklich bei Maigret auffällig. Und bei Studer eben auch. Und so merkt man dann auch wiederum, dass Glauser Simenon sehr bewundert hat, und dass seine Krimis um den Kommissar Maigret ihm ein Vorbild waren. Diese Tatsache hatte mich auch auf Studer neugierig gemacht. Und eben auch die Aussicht auf dieses Buch von Ursula Hasler. Dass sie mich wiederum auf den kleinen Doktor gebracht hat, zeigt, welche Kreise das gezogen hat. :kichern: Aber sowas liebe ich!

Sonja hat geschrieben:Dass Du viel dafür hättest, wenn Amélie und Studer ein weiteres Mail gemeinsam ermitteln, sagt alles und ebenso bleibt dann abzuwarten, wie Simenon und Glauser aufeinenader treffen.

Ich habe Deinen ausführlichen Bericht sehr genossen. Danke dafür! Und mit Studer, dem kleinen Doktor und der schieren Wahrheit nun einen längeren Merkzettel :breit_grins:


Oh ja, das wäre wirklich schön, wenn Ursula Hasler noch mal ein Treffen der beiden (oder einen Briefwechsel, falls ein Treffen nicht möglich ist) arrangiert. Und sie erneut einen Fall für Studer und Amèlie Morel ersinnen lässt.

Dass ich dir mit dem Bericht Freude bereitet habe, ist sehr schön zu wissen! Und ebenfalls, dass ich deinen Merkzettel verlängern konnte. :breit_grins:

Sonja hat geschrieben:Ja, das passt einfach wunderbar zusammen. Ich habe den Eindruck, ich halte mich in diesem Jahr besonders gerne zwischen den 20er und 60er Jahren auf. Genau, diese Ruhe, aber auch die Autoren und in ihre Zeit.

Die Eindrücke von Deinem Krimi zu Beginn der 30er Jahre habe ich auch interessiert gelesen.


Da haben wir wieder was gemeinsam. Auch ich halte mich dieses Jahr besonders gern in den 20er und 30er Jahren auf, aber auch bis hinein in die 60er. Ich genieße es auch sehr!

Sonja hat geschrieben:Charmant in der Art von Maigret versteht sich. Aber mir fiel kein passenderes Wort ein. Aber wie er sich um eine bestimmte Person kümmert, hatte für mich schon etwas charmantes.


Ich verstehe schon, wie du es meinst. Maigret-Charme halt. :breit_grins: (Der findet sich mehr in seinem Verhalten als in dem, was ser sagt. Aber er bleibt einem nicht verborgen.)

Sonja hat geschrieben:Der 5. Fall war schon sehr besonders. Aber die beiden Folgenden nehmen den Faden wunderbar auf. Das mit der Steigerung des Sogs kommt gut hin. Den Eindruck hatte ich auch.


Das freut mich zu hören! Schön auch, dass du das auch so empfindest, dass eine Steigerung festzustellen ist.

Sonja hat geschrieben:“Maigrets Nacht an der Kreuzung” habe ich in der Zwischenzeit beendet und es hat mir sehr gefallen. Erneut eine neue Geschichte, mit interessanten Personen und nichts scheint zu sein, wie es scheint. An Maigrets Seite ist dieses Mal wieder Inspektor Lucas, im Gepäck jede Menge Spannung (der Kommissar entgeht nur knapp einem Schuss) und auch Madame Maigret gibt sich – wenn auch nur kurz – die Ehre.


Du machst mir schon wieder große Lust auf Maigret! Schön, dass Madame Maigret sich in diesem Fall auch kurz die Ehre gibt.

Nun bin ich gespannt, was du als nächstes liest. :kann_nicht_abwarten:
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Leseerlebnisse 2022...ich lese gerade...

Beitragvon Petra » So 14. Aug 2022, 19:25

“Der Spürsinn des kleinen Doktors“ von Georges Simenon habe ich inzwischen beendet. Mir haben die vier Fälle sehr gefallen. Ganz anders als Maigret, und doch haben sie auch etwas gemeinsam: Sie lösen ihre Fälle, in dem sie sich in die Menschen hineinversetzen, und dadurch das menschliche Rätsel hinter den Verbrechen lösen. Ausführlicher habe ich im Simenon-Thread über den kleinen Doktor geschrieben.

Im Klappentext heißt es: „Mit dem großen Maigret kann er zwar nicht mithalten – aber der kleine Doktor ermittelt ja auch nicht im Hauptberuf.“ Dem stimme ich zu.

Jetzt lese ich “Eine Laune Gottes“, einen Roman aus dem Jahr 1966 von Margaret Laurence. Margaret Laurence zählt neben Margaret Atwood und Alice Munro zu den bedeutendsten kanadischen Autorinnen. Dank des Eisele Verlags liegt dieser Roman nun erstmals auf Deutsch vor. Er spielt in dem fiktiven Ort Manawaka, wie vier weitere Romane der Autorin (der erste Manawaka-Roman „Der steinerne Engel“ erschien 2020 ebenfalls beim Eisele Verlag), und erzählt von der 34-jährigen Rachel Cameron, die ein sehr beengtes Leben führt. Seit dem Tod ihres Vaters kümmert sie sich um ihre Mutter, die gesundheitlich angeschlagen und auf Hilfe angewiesen ist. Auch ihre Arbeit als Lehrerin führt Rachel pflichtbewusst aus, ohne jedoch darin aufzugehen. Dort kann sie sich auch nicht gegen ihre übergriffige Kollegin Calla zur Wehr setzen. Im Verlauf des Romans wird klar, dass Rachel nie gelernt hat, sich für sich selbst und ihre eigenen Bedürfnisse stark zu machen. Ihre Mutter weiß Rachel auf subtile Art dazu zu bringen, jede ihrer Erwartungen zu erfüllen. Ein Aufbegehren, und sei es noch so leise, verschafft Rachel sogleich Schuldgefühle. Als Nick, ein ehemaliger Mitschüler Rachels, den Sommer in Manawaka verbringt, um seine Eltern zu besuchen, führt er Rachel aus. Zum ersten Mal erlebt sie körperliche Liebe. Auch wenn sie weiß, dass diese Affäre nicht von Dauer sein wird, begreift sie allmählich, dass sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen muss, um nicht von den äußeren Umständen erdrückt zu werden.

Ein beklemmendes Leseerlebnis. Rachels Welt ist so eng und fremdbestimmt, dass man schreien möchte. Margaret Laurence gewährt einen tiefen Einblick in dieses Geflecht aus Vereinnahmung, subtil geäußerten Erwartungen, eingeflößten Schuldgefühlen, und dem daraus resultierenden Verlust die eigenen Bedürfnisse zu spüren, oder sie gar zu erfüllen. Es scheint eine nahezu ungeheuerliche Tat, einem eigenen Bedürfnis nachzugehen. Ein Gefängnis ohne Mauern.

Ich bin gespannt, wie es sich für Rachel weiterentwickelt. Und ob und wann der Punkt kommt, an dem sie ihre eigenen Bedürfnisse einmal über die der anderen stellt. Ob es ihr gelingt, für sich einzustehen. Ohne erdrückt zu werden von Schuldgefühlen, die andere ihr implizieren.

Auch gespannt bin ich auf das Nachwort von Margaret Atwood.

Eine interessante Nebensache: Nicks Familie stammt aus der Ukraine. Er erzählt Rachel von einem Streit zwischen seinem Vater und seinem Onkel. Sein Vater, der der Meinung ist, dass die Ukraine ein unabhängiges Land hätte bleiben müssen. Der Onkel, der meint, dass es gut ist, dass die Ukraine Teil der UdSSR ist. Und wie tief der Streit dieser beiden Ukrainer über dieses Thema geht. Interessant aus der heutigen Sicht im Angesicht der jüngsten Ereignisse.

„Eine Laune Gottes“ ist nur ein Jahr nach John Williams „Stoner“ erschienen. Beide Romane weisen thematische Gemeinsamkeiten auf. Auch aus diesem Grund war ich sehr gespannt auf diesen Roman, da „Stoner“ für mich zu den besten Romanen zählt. In beiden Romanen stellen die Hauptfiguren ihre Bedürfnisse zurück, doch die Motive aus denen das geschieht unterscheiden sich. Auch die Affäre, auf die sich sowohl Stoner als auch Rachel einlassen, unterscheiden sich in ihrer Beschaffenheit. Die Zeit, in der beide Romane entstanden sind, ist sicherlich auch relevant. In dieser Zeit stand die Selbstverwirklichung noch nicht so im Vordergrund. Das Pflichtbewusstsein war vermutlich auch noch stärker ausgeprägt. Auch waren gesellschaftliche Zwänge noch viel stärker.

Doch Menschen, die sich zu stark zurücknehmen, gibt es unabhängig davon auch heute. In vielen Situationen und Gedanken Rachels erkennt man sich selbst wieder. Psychologisch hochinteressant!
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Leseerlebnisse 2022...ich lese gerade...

Beitragvon steffi » Di 16. Aug 2022, 10:16

JMaria hat geschrieben:Ich habe „Der Morgenstern“ von Karl Ove Knausgard beendet. Alle Personen sind in Position gesetzt. Macht echt Lust auf mehr. Ich freu mich auf die Fortsetzung. Ich hatte manchmal ein Murakami-Feeling: mystisch. :daumen_hoch:


Das klingt toll und sehr interessant ! Murakami-Feeling macht mich natürlich neugierig !

@Petra: Eine Laune Gottes hört sich nach schwerer Kost an. Aber manchmal sind das ja die interessantesten Themen. Spannend auf jeden Fall auch in welcher Zeit der Roman entstanden ist und wie gut man darin die damaligen Verhältnisse erkennen kann.

Ich habe Dunkelblum von Eva Menasse beendet und bin begeistert. Ja, es war am Anfang schwierig, in die Handlung zu kommen, da es sehr viele Personen gibt, die alle nicht eindeutig charakterisiert sind. Man erfährt erst nach und nach und in Rückblenden ihre Geschichte, und aber auch nur das, was für das Thema des Romans relevant ist. Es ist somit immer auch ein Blick von außen, auch wenn der Leser dies alles zusammensetzen kann, wird einem doch wenig erklärt. Ich mag das ja, wenn es stimmig ist und am Ende aufgeht, was hier der Fall ist. Dazu kommt noch eine sehr bildhafte Sprache. Für mich passt der Stil aber auch zum Thema, nämlich das Schweigen über die Geschehnisse kurz vor Kriegsende, das Schweigen über die Nazivergangenheit der Dorfbewohner, die im Roman eine abgeschottete Gesellschaft bilden. Durch dieses Schweigen erfährt man ja auch immer nur Bruchstücke und ein gesellschaftliches Gesamtbild ergibt sich nur schwer.
Ich fands großartig, wie das alles zusammenspielt !
Gruss von Steffi

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