Hallo zusammen,
Solar von Ian McEwan habe ich nun beendet, die letzten Seiten zogen sich schon sehr in die Länge und mittlerweile haben mich die ganzen wissenschaftlichen Abhandlungen zum Thema Klimawandel und Energiewende auch genervt. Zum Beispiel hält der Protagonist eine Rede vor irgendeinem Gremium von Wissenschaftlern und diese Rede wird von Autor auch wortwörtlich und über zig Seiten detailliert ausgedehnt. Ein sich über Seiten ziehendes hohles Geschwafel wie man es aus einschlägigen Fernsehsendungen kennt. Viel geredet, aber nichts gesagt. Das mag hier sicher als Stilmittel gedacht sein, aber es waren die Stellen, an denen mich der Autor regelmäßig als aufmerksamen Leser verloren hat und ich gedanklich abgeschweift bin und manche Seiten auch einfach überflogen hab. Hier wäre weniger mehr gewesen und das ganze Buch hätte man locker um ein Drittel kürzen können.
Es war mein erstes Buch von McEwan und ich muss Steffi beipflichten. Ganz sicher ist er ein solider Autor, der durchaus auch anspruchsvoll unterhalten kann. Ob es eine Autoren-Neuentdeckung für mich wird, wage ich aber schon mal zu bezweifeln. Zwei Chancen bekommt er noch, mich von Gegenteil zu überzeugen.
Begonnen habe ich jetzt mit „Brief an Sally“ von Charles Chadwick. Protagonistin ist Naomi, eine alte Dame, die gehbehindert ans Haus gefesselt und sehr einsam ist. Sie hat zwar jede Menge Bücher, aber außer ihrer Pflegerin und den Leuten von „Essen auf Rädern“ keine anderen sozialen Kontakte und sie hat mittlerweile auch den Umgang mit Menschen komplett verlernt. Einzig Sally, eine junge neue Mieterin, bringt für kurze Zeit Abwechslung in das eintönige Leben von Naomi. Und während sie alles aufsaugt, was Sally ihr über sich selbst und das Leben draußen berichtet, gibt Naomi von sich nichts preis, bleibt verschlossen und vermittelt Sally so das Gefühl, lästig zu sein. Irgendwann ist Sally weg und Naomi beginnt alles das, was sie Sally nicht erzählen konnte, in einem Brief aufzuschreiben und lässt dabei ihr Leben nochmals Revue passieren.
Was ich bei Chadwick besonders mag ist, dass er Geschichten erzählen kann, die berühren und zu Herzen gehen, ohne dabei sentimental und kitschig zu werden und er ist einer der wenigen männlichen Autoren, die ein Händchen für wirklich gute Frauenfiguren haben. "Brief an Sally" kommt zwar nicht ganz an "Eine zufällige Begegnung" heran, ist aber trotzdem eine wirklich schöne Geschichte und bisher mein Monats-Highlight.