Leseerlebnisse 2014... Ich lese gerade...

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Re: Leseerlebnisse 2014... Ich lese gerade...

Beitragvon YvonneS » Do 23. Jan 2014, 11:36

Hallo zusammen,

Solar von Ian McEwan habe ich nun beendet, die letzten Seiten zogen sich schon sehr in die Länge und mittlerweile haben mich die ganzen wissenschaftlichen Abhandlungen zum Thema Klimawandel und Energiewende auch genervt. Zum Beispiel hält der Protagonist eine Rede vor irgendeinem Gremium von Wissenschaftlern und diese Rede wird von Autor auch wortwörtlich und über zig Seiten detailliert ausgedehnt. Ein sich über Seiten ziehendes hohles Geschwafel wie man es aus einschlägigen Fernsehsendungen kennt. Viel geredet, aber nichts gesagt. Das mag hier sicher als Stilmittel gedacht sein, aber es waren die Stellen, an denen mich der Autor regelmäßig als aufmerksamen Leser verloren hat und ich gedanklich abgeschweift bin und manche Seiten auch einfach überflogen hab. Hier wäre weniger mehr gewesen und das ganze Buch hätte man locker um ein Drittel kürzen können.

Es war mein erstes Buch von McEwan und ich muss Steffi beipflichten. Ganz sicher ist er ein solider Autor, der durchaus auch anspruchsvoll unterhalten kann. Ob es eine Autoren-Neuentdeckung für mich wird, wage ich aber schon mal zu bezweifeln. Zwei Chancen bekommt er noch, mich von Gegenteil zu überzeugen. ;)

Begonnen habe ich jetzt mit „Brief an Sally“ von Charles Chadwick. Protagonistin ist Naomi, eine alte Dame, die gehbehindert ans Haus gefesselt und sehr einsam ist. Sie hat zwar jede Menge Bücher, aber außer ihrer Pflegerin und den Leuten von „Essen auf Rädern“ keine anderen sozialen Kontakte und sie hat mittlerweile auch den Umgang mit Menschen komplett verlernt. Einzig Sally, eine junge neue Mieterin, bringt für kurze Zeit Abwechslung in das eintönige Leben von Naomi. Und während sie alles aufsaugt, was Sally ihr über sich selbst und das Leben draußen berichtet, gibt Naomi von sich nichts preis, bleibt verschlossen und vermittelt Sally so das Gefühl, lästig zu sein. Irgendwann ist Sally weg und Naomi beginnt alles das, was sie Sally nicht erzählen konnte, in einem Brief aufzuschreiben und lässt dabei ihr Leben nochmals Revue passieren.

Was ich bei Chadwick besonders mag ist, dass er Geschichten erzählen kann, die berühren und zu Herzen gehen, ohne dabei sentimental und kitschig zu werden und er ist einer der wenigen männlichen Autoren, die ein Händchen für wirklich gute Frauenfiguren haben. "Brief an Sally" kommt zwar nicht ganz an "Eine zufällige Begegnung" heran, ist aber trotzdem eine wirklich schöne Geschichte und bisher mein Monats-Highlight.
Liebe Grüße
Yvonne



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Re: Leseerlebnisse 2014... Ich lese gerade...

Beitragvon steffi » Do 23. Jan 2014, 11:56

Danke, Yvonne, über deinen Bericht über Solar. Schade, dass es in diesem Bereich so ausschweifend ist, so klingt es, als ob er das Stilmittel zu ausgereizt hat.
Gruss von Steffi

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Re: Leseerlebnisse 2014... Ich lese gerade...

Beitragvon Bonny » Do 23. Jan 2014, 12:01

Hallo zusammen,

@Yvonne: Brief an Sally klingt toll, viel Spaß damit!

Ich komme ganz gut voran mit Schändung. Es gefällt mir auch ganz gut, ist spannend, und Carl und Assad machen wirklich viel Spaß. Ich habe ein bisschen hier im Forum gestöbert und schon einige Beiträge zu dem Buch gefunden, die ich sehr interessant fand und die ich nach der Lektüre auch nochmal genauer unter die Lupe nehmen werde.
Es scheint aber tatsächlich so zu sein, dass in diesem Buch eine sehr menschenverachtende Gewalt an den Tag gelegt wird und man als Leser nur hoffen, kann, dass es nicht wirklich solche Menschen gibt... aber ich befürchte, es gibt Menschen, die zu allem fähig sind... schlimm!
Liebe Grüße,
Sabine

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Re: Leseerlebnisse 2014... Ich lese gerade...

Beitragvon YvonneS » Do 23. Jan 2014, 12:14

Ja leider, Steffi, das hat er. Dabei hat er doch in diesem Roman gezeigt, dass es andersherum auch geht. Denn in diesem Buch sind teilweise Dialoge drin, die strotzen nur so vor kollektiver Selbstbeweihräucherung, Arroganz und gegenseitigem Schulterklopfen. Die ganze oberflächliche Fachsimpelei und Schlaumeierei – diese Dialoge sind oft so unfreiwillig komisch, dass ich richtig lachen musste. Da steckte jedenfalls mehr „Aussage“ dahinter als in den anderen viel zu detailliert geratenen Abschweifungen, die empfand ich eher als kontraproduktiv.
Liebe Grüße
Yvonne



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Re: Leseerlebnisse 2014... Ich lese gerade...

Beitragvon JMaria » Do 23. Jan 2014, 12:26

@Silke,
Die Ausgabe von Mansfield Park ist wirklich sehr schön.

@Yvonne,
ich hatte mir Solar vor Monaten aus der Bücherei geliehen, hab's aber aus den von dir angegebenen Gründen nicht zuende lesen können/wollen. Wohin gegen mir "Unschuldige" sehr viel besser gefiel, noch besser "Tage am Strand", ein kleiner Roman der einen nachdenklich zurück lässt und straff erzählt wird.
Schöne Grüße, Maria
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Re: Leseerlebnisse 2014... Ich lese gerade...

Beitragvon YvonneS » Do 23. Jan 2014, 12:40

JMaria hat geschrieben:
@Yvonne,
ich hatte mir Solar vor Monaten aus der Bücherei geliehen, hab's aber aus den von dir angegebenen Gründen nicht zuende lesen können/wollen. Wohin gegen mir "Unschuldige" sehr viel besser gefiel, noch besser "Tage am Strand", ein kleiner Roman der einen nachdenklich zurück lässt und straff erzählt wird.

Danke für die Tipps, Maria.

Ich habe mir "Solar" auch aus der Bücherei ausgeliehen, im Nachhinein bin ich froh drum. ;) Ich werde gleich online mal einen Blick in den Bibliotheks-Katalog werfen, ob eines von den beiden von dir genannten Büchern im Bestand ist. Wie gesagt, ganz möchte ich den Autor noch nicht abhaken.
Liebe Grüße
Yvonne



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Re: Leseerlebnisse 2014... Ich lese gerade...

Beitragvon JMaria » Do 23. Jan 2014, 13:23

"Am Strand" heißt der Roman von McEwan. "Tage am Strand" ist von Doris Lessing, aber auch zu empfehlen, falls du mal was von Doris Lessing lesen möchtest :)
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Re: Leseerlebnisse 2014... Ich lese gerade...

Beitragvon SilkeS. » Do 23. Jan 2014, 16:47

Hallo zusammen!


YvonneS hat geschrieben:Solar von Ian McEwan habe ich nun beendet, die letzten Seiten zogen sich schon sehr in die Länge und mittlerweile haben mich die ganzen wissenschaftlichen Abhandlungen zum Thema Klimawandel und Energiewende auch genervt. Zum Beispiel hält der Protagonist eine Rede vor irgendeinem Gremium von Wissenschaftlern und diese Rede wird von Autor auch wortwörtlich und über zig Seiten detailliert ausgedehnt. Ein sich über Seiten ziehendes hohles Geschwafel wie man es aus einschlägigen Fernsehsendungen kennt. Viel geredet, aber nichts gesagt. Das mag hier sicher als Stilmittel gedacht sein, aber es waren die Stellen, an denen mich der Autor regelmäßig als aufmerksamen Leser verloren hat und ich gedanklich abgeschweift bin und manche Seiten auch einfach überflogen hab. Hier wäre weniger mehr gewesen und das ganze Buch hätte man locker um ein Drittel kürzen können.

Es war mein erstes Buch von McEwan und ich muss Steffi beipflichten. Ganz sicher ist er ein solider Autor, der durchaus auch anspruchsvoll unterhalten kann. Ob es eine Autoren-Neuentdeckung für mich wird, wage ich aber schon mal zu bezweifeln. Zwei Chancen bekommt er noch, mich von Gegenteil zu überzeugen. ;)

Ich hatte mich auch mal an dem autoren versucht, aber er lag mir ÜBERHAUPT nicht....

JMaria hat geschrieben:@Silke,
Die Ausgabe von Mansfield Park ist wirklich sehr schön.

JEP, finde ich auch, der scheint die ganzen Klassiker auch aufzu legen...
Ist derAnaconda Verlag

Liebe Grüße
SilkeS.
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Re: Leseerlebnisse 2014... Ich lese gerade...

Beitragvon Trixie » Fr 24. Jan 2014, 00:40

Hallo alle,

ich lese derzeit noch am letzten Philo-Vance-Krimi aus der Feder von S. S. Van Dine. In Spanisch kommt es mir fast leichter vor als diejenigen Bände, die ich seinerzeit aus der deutschen Dumont-Kriminalbibliothek genießen konnte. Was sich nur minimal dadurch erklären läßt, daß Crimen en la nieve (The Winter Murder Case) nur noch etwa halb so lang ist wie die früheren Fälle, insgesamt nur knapp 100 Seiten und damit bestenfalls ein "Kurzroman".

Fast schon positiv fällt mir auch auf, daß bislang all die vielen Anspielungen, Zitate und typischen Abschweifungen und Ausführungen völlig fehlen, die mich persönlich in vielen der anderen Philo-Vance-Krimis so sehr gestört -weil gelangweilt- haben und mich gegen diesen Ermittler einnahmen. In diesem Fall zeigt Vance sich im Vergleich geradezu "milde". Vielleicht floß da die Reaktion des Autors mit ein, weil zu dieser Zeit das Interesse beim Publikum an den Fällen seines Detektivs bereits deutlich abgenommen hatte. Am Vorabend des 2. Weltkriegs ging der Lesegeschmack auch in Sachen Krimi offenbar in andere Richtungen, es waren andere "Typen" verlangt als noch Ende der 1920er, als ein leicht snobistisch und arrogant wirkender Vance aus der besten Gesellschaft New Yorks sich die gelegentliche Lösung eines ungewöhnlichen Kriminalfalls zu seinem Hobby erwählen konnte und dies nonchalant von seinem stets stumm im Hintergrund bleibenden Begleiter, dem Erzähler Van Dine, der Leserschaft vermitteln lassen konnte.

Etwas Interessantes -zumindest für mich, die nicht nur an der Literatur, sondern auch an den Filmen dieser Zeit ein besonderes Interesse hegt- wird im Vorwort der Geschichte erwähnt: Neben seinen Kriminalromanen schrieb Willard Huntington Wright (der sich hinter dem Pseudonym S.S. Van Dine verbirgt) eine Reihe von Geschichten für Warner Brothers, die in den 30ern auch als 20minütige Kurzfilme gedreht wurden, von denen aber heute keiner mehr existiert.The Winter Murder Case war wohl auch als eine dieser Geschichten konzipiert und sollte mit einer damals sehr berühmten jungen Eiskunstläuferin brillieren, der norwegischen 3fach-Olympiasiegerin Sonja Henie (einigen von uns bereits aus anderen Revuefilmen jener Ära ein Begriff ;) . Dazu gekommen ist es offenbar aber nicht mehr, Henie war damals bereits gut im Geschäft in Hollywood und spielte in diversen Filmen bei 20th Century Fox. In S. S. Van Dines Geschichte allerdings ist Henie in der Figur der Ella Gunthar ziemlich klar wiederzuerkennen, die Rolle war ihr gewissermaßen von Dine auf den Leib geschrieben worden.


Gruß,
Trixie
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Re: Leseerlebnisse 2014... Ich lese gerade...

Beitragvon JMaria » Fr 24. Jan 2014, 11:51

Trixie, das weckt nostalgische Gefühle in mir; Adoptiertes Glück mit Sonja Henie ist ein wunderbarer Hollywood Film, als Kind liebte ich die Szene "Kusspolka" :-)

schade, daß die Verfilmung von "The Winter Murder Case" nicht klappte.
Schöne Grüße, Maria
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