Hallo zusammen,
JMaria hat geschrieben:Erschreckend finde ich, dass der Roman mit Klischees daherkommt (Kleinstadt, Versagertypen, vom Schlechten zum Schlimmeren, das "Ich" kommt zuerst usw...), aber es keine Klischees sind, denn im Grunde stelle ich es mir so vor im amerikanischen Kleinstadtmilieu. Nährt nun der Autor meine eventuelle Voreingenommenheit oder ist es tatsächlich so, irgendwie erschreckender Gedanke.
Ich denke so ganz absolut sollte man so etwas nie sehen. Es gibt Klischees, die sich einem immer wieder bestätigen. Und es gibt sicher auch welche, die zwar einen wahren Kern haben, aber ganz und gar nicht verallgemeinert werden dürften.
Und wichtig finde ich auch, dass Michael Collins hier ein (fiktives) Leben skizziert. Eine Figur, mit ihren Fehlhandlungen. Er sagt durch nichts, dass alle (oder die Mehrzahl) in einer amerikanischen Provinz so sind. Das Verallgemeinern passiert in uns selbst. Aber darauf wird er es auch angelegt haben, sehe ich auch so.
Für mich finde ich das Bild, das er hier zeichnet, aber treffend. Es gibt solche Menschen. Ich kenne selbst welche!

Das ist somit nicht mal auf die amerikanische Provinz beschränkt, sondern es beinhaltet viel Menschliches. Manche Menschen leben von der Hand in den Mund, denken nicht so weit im Voraus. Das merkt man schon, wenn man es mit einem Menschen zu tun hat, den man oft beim lügen erwischt. Das ist so kurzsichtig. Man kann schon voraussagen, dass es ans Licht kommen wird. Aber in dem Moment will der Lügner vielleicht einfach nur den bequemen Weg wählen. Und so gibt es auch ganz gewiss Menschen, die von einem Scheitern ins nächste gleiten. Naiven Träumen vom besseren Leben nachhängen.
Ich finde das alles sehr gut gezeichnet. Und sehe es nicht als Spiegelbild der amerikanischen Provinz oder gar der ganzen Menschheit. Sondern einfach wirft hier jemand einen Blick auf EINEN, der so ist. Und wenn ich mich umblicke, kenne ich solch ähnliche Menschen auch. Die nicht dazu lernen. Die Wunschträumen nachhängen, weil sie viel verlockender sind als die Realität. Weil sie wenigstens das bisschen (wenn auch unberechtigte) Hoffnung brauchen.
JMaria hat geschrieben:"Nicht totzukriegen" habe ich mir notiert.
Das freut mich. Ich weiß nicht, ob ich ihn noch einen Tick besser finde als "Schlafende Engel". Aber die Figuren waren dort noch offensichtlicher Versager. Aber keine schlechten Menschen. Und das fand ich sehr schön gezeichnet: Auch die kleinen Lichter sind liebenswert, auch wenn sie Fehler begehen. Aus ihren Verhaltensmustern nicht, oder nur sehr schwer, heraus können. Auch sie versuchen ihr Bestes zu geben. Für unsereins wäre das nie im Leben genug. Aber es gibt Menschen, links und rechts von uns, die so sind. Aus den unterschiedlichsten Gründen. Und diese Menschen hier mal zu begleiten, finde ich interessant.
JMaria hat geschrieben:zu Stewart O'Nan:
da dieser Autor unterschiedliche Erzählstile und -Genres benutzt (z.B. Du-Perspektive in "Das Glück der anderen", Familienroman "Abschied von Chautauqua" u.a.) und experimentiert, könnte es durchaus sein, dass dir ein anderer Roman als "Letzte Nacht" durchaus liegen könnte. Ich würde dir zu "Abschied von Chautauqua" raten. Vielleicht kannst du mal irgendwo reinlesen...
Ok, das werde ich versuchen. Denn von den Inhalten her reizt mich Stewart O'Nan sehr! Ich finde es absolut schade, dass ich mit "Letzte Nacht" nichts anfangen konnte. Ich werde bei Gelegenheit in "Abschied von Chautauqua" reinlesen. Dass er unterschiedliche Erzählstile hat, macht mir Mut. Denn der war es, der mir bei "Letzte Nacht" die Steine in den Weg legte. Er blieb mir zu nüchtern und distanziert, obwohl ich sowas normaler Weise mag. Schwer zu beschreiben. Auch hielt er sich endlos lang in Beschreibungen auf, was die betreffenden Personen gerade machen. Bis ins Detail geschilderte Alltagsverrichtungen - das war mir zu viel.
Aber gern würde ich es mit ihm noch mal versuchen, so bin ich auf ein reinlesen gespannt. Danke!
@Trixie @Josie: Auf jeden Fall werde ich in die Bücher von M.M. Kaye erst mal reinlesen, um zu schauen ob sie mich direkt packen kann. Das ist für mich immer sehr wichtig, da der SUB zu groß ist. Sonst stelle ich es nur etliche Male ungelesen wieder ins Regal zurück. Das hat mich auch bislang daran gehindert, den Doppelpack bei Weltbild zu kaufen. Denn mir ginge es da mehr um die Platzfrage als ums Geld. Günstiger geht wahrscheinlich eh kaum!

Aber ich werde nun mal nach einer Leseprobe Ausschau halten gehen. Danke fürs abermals so neugierig machen!
