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Außenseiter-Romane / Antihelden

BeitragVerfasst: Do 14. Jan 2010, 11:08
von Petra
Hallo zusammen,

gerne lese ich Romane über Außenseiter oder gar Antihelden. Menschen, die am Leben scheitern, mit dem Leben nicht zurecht kommen. Und ihnen möchte ich diesen Thread widmen, in der Hoffnung auf sie aufmerksam zu machen (sofern ich mal über einen lese) und vor allem auch selber Tipps zu bekommen. Ich wäre sehr neugierig drauf welche Bücher mit Außenseitern und Antihelden Ihr kennt und wie Ihr sie empfunden habt. Auch wüsste ich gern, ob andere hier meine Leidenschaft für solche Hautpfiguren teilen.

Ich möchte hier mal ein paar Bücher mit solchen Antihelden, die mich sehr berührt haben, auflisten:

- Patrica Highsmith: Edits Tagebuch
- Leon de Winter: Leo Kaplan
- Brian Moore: Die einsame Passion der Judith Hearne
- Annie Proulx: Schiffsmeldungen

Immer wenn mir einer einfällt, werde ich ihn (oder sie) hier benennen. Und ich hoffe durch Euch auf weitere Antihelden/Außenseiter aufmerksam und neugierig gemacht zu werden.

Re: Außenseiter-Romane / Antihelden

BeitragVerfasst: Do 14. Jan 2010, 12:28
von YvonneS
Oh, das ist ein interessanter aber auch gefährlicher Thread, Petra, denn ich lese auch ganz gern Bücher über sogenannte Antihelden. Es kommt aber immer drauf an, was der Autor/die Autorin aus diesen Figuren macht. Wenn Antihelden in Slapstick abdriften, sich Autoren/Autorinnen über ihre Helden regelrecht lustig machen und sie zur Parodie werden lassen, habe ich damit ein echtes Problem.

Meine beiden Lieblings-Antihelden sind nach wie vor der namenlose Taugenichts aus dem Klassiker „Aus dem Leben eines Taugenichts“ von Joseph von Eichendorff sowie Wilbur aus „Nach Hause schwimmen“ von Rolf Lappert. Dieses Buch steht in deiner diesjährigen SUB-Liste, Petra, und damit hast du noch ein schönes Leseerlebnis vor dir.

Berührt und einen bleiben Eindruck hinterlassen haben bei mir auch die Helden aus folgenden Büchern:

Charles Chadwick: Eine zufällige Begegnung (wunderschöner Außenseiter-Roman)
Gebhard Bakker: Oben ist es still
Per Petterson: Im Kielwasser
Nicholas Shakespeare: Sturm
Francoise Dorner: Die letzte Liebe des Monsieur Armand
Olivier Adam: Klippen
Meg Mullins: Der Teppichhändler

Diese Bücher sind mir jetzt spontan eingefallen, mein Bücherregal habe ich nämlich grad nicht „zur Hand“. :lol:

Re: Außenseiter-Romane / Antihelden

BeitragVerfasst: Do 14. Jan 2010, 13:13
von JMaria
Hallo Petra,

ein interessanter Thread !
Die Vermischung von menschlicher Stärke und dann dennoch ein Scheitern ist mMn ein sehr nahes Lebensgefühl.

Hemingway hat solche Antihelden:
Jake aus Fiesta
der alte Mann und das Meer

Liebe Grüße
Maria

Re: Außenseiter-Romane / Antihelden

BeitragVerfasst: Do 14. Jan 2010, 14:58
von Petra
Hallo zusammen,

das freut mich ja, dass die ersten beiden hier schon Antihelden/Außenseiter bennen können und den Thread auch so interessant finden wie ich selbst! :-)

Wahrlich Yvonne, dieser Thread ist gefährlich! Für mich auch, das wusste ich schon beim einrichten und Dein Posting bestätigt es mir augenblicklich! ;-)

Auch stimme ich mit Dir vollkommen überein, dass es keine Außenseiter/Antihelden sein dürfen, die der Autor der Lächerlichkeit preisgibt. Ich mag solche Bücher nur wenn sie mit Ernsthaftigkeit geschrieben sind und der Autor damit etwas vermitteln möchte. M. E. gelingt das anhand solcher "Helden" besonders gut. Denn sie haben etwas zutiefst menschliches an sich. Sind eben nicht die Übermenschen, zu denen man aufschaut und die alles meistern, alles in den Griff kriegen. Sondern die vom Leben verwundeten. Oder auch aus eigener Schuld Fehlgeleiteten, die uns aber aufzeigen können wie man es NICHT machen sollte. Oder die uns einfach eine Charakterstudie aufzeigen und somit einen Einblick in die Vielfalt der Menschen gewähren. Ich finde das immer höchst interessant! So auch beim heute mittag zu Ende gelesenen Roman "Die einsame Passion der Judith Hearne" von Brian Moore. Ein Mensch, dem das Leben übel mitgespielt hat und die Natur nicht mit Schönheit gesegnet hat, schreit innerlich verzweifelt nach einem Menschen, der sich ihm zuwendet. Was daraus entsteht, welche Verhaltensweisen des Umfelds, aber auch des Außenseiters selbst. Es lässt auch darüber nachdenken wie wir - die Allgemeinheit - mit solchen Außenseitern umgehen. Und was wir in ihnen damit anrichten. Hochinteressant finde ich soetwas!

Mir ist sind auch noch drei weitere Bücher mit Antihelden eingefallen:

- A. M. Holmes: Und morgen sind wir glücklich
- Michael Collins: Nicht totzukriegen
- Hans Werner Kettenbach: Glatteis

Ich las beide vor ein paar Monaten. "Und morgen sind wir glücklich" hat mich auf eine ganz eigene Art berührt. Ebenso Michael Collins, die Hauptfiguren dort waren in ihrer Unvollkommenheit auch ausgesprochen interessant. Und "Glatteis" scheint in erster Linie ein Krimi zu sein, ist aber in Wirklichkeit eine Charakterstudie. Auch nicht gerade ein Vorbild, diese Figur! Aber umso interessanter - und ich habe sie sooooooooooooooooo ungern zurückgelassen!

Stimmt Yvonne, "Nach Hause schwimmen" habe ich auf meinem SUB-Gerangel 2010 stehen. Habe es übernommen vom SUB-Gerangel 2009. D. h. das Interesse an dem Buch ist ungebrochen. Wie Du mir hier bestätigst zu recht! :-)

Und auch ansonsten habe ich noch einiges von dem was Du aufgelistet hast auf meinem SUB: Gebhard Bakkers "Oben ist es still" (ebenfalls vom SUB-Gerangel 2009 auf das SUB-Gerangel 2010 übernommen - das Interesse ist auch hier ungebrochen, sicher wegen meiner Vorliebe für solche Figuren. Ebenso habe ich von Charles Chadwick ein Buch im SUB-Gerangel stehen: "Ein unauffälliger Mann". Darauf freue ich mich auch schon ganz besonders. Und Du hast ja völlig recht (ich erinnere mich an die Beschreibung), sein Roman "Eine zufällige Begegnung" wird auch von zwei Antihelden angeführt.

Neugierig gemacht hast Du mich auf Per Pettersons "Im Kielwasser" und auch "Sturm" von Nicholas Shakespeare, "Der Teppichhändler" von Meg Mullins und "Klippen" von Olivier Adam werde ich mir schleunigst näher anschauen. Vielen Dank für die Tipps!

Und stimmt, Maria, Hemingway sei hier auch erwähnt. Vielen Dank für die Nennung von "Fiesta" und "Der alte Mann und das Meer".

JMaria hat geschrieben:Die Vermischung von menschlicher Stärke und dann dennoch ein Scheitern ist mMn ein sehr nahes Lebensgefühl.


Wobei einigen der Menschen die in den Romanen beschrieben werden, die ich hier genannt habe, die menschliche Stärke fehlt. Umso interessanter sind sie für mich. Manchmal versteht man, warum nicht jeder Mensch stark sein kann (auch von vornherein schon nicht). Und manchmal sieht man einfach nur ein Spiegelbild von Menschen, die es wirklich so gibt: die ihr Leben nicht in die Hand nehmen, die sich nicht aufraffen, die verhindert sind - aus welchen Gründen auch immer. Manchmal einfach nur weil sie in ihren Kleingeistern gefangen sind. Manchmal erheben sie sich aber doch aus ihrem Trott. Das bleibt immer abzuwarten. Und ich liebe sowohl die Helden, die bis zuletzt scheitern, als auch die, die in irgendeiner Form schaffen über ihren Schatten zu springen.

Re: Außenseiter-Romane / Antihelden

BeitragVerfasst: Do 14. Jan 2010, 17:15
von JMaria
Petra hat geschrieben:Und stimmt, Maria, Hemingway sei hier auch erwähnt. Vielen Dank für die Nennung von "Fiesta" und "Der alte Mann und das Meer".

JMaria hat geschrieben:Die Vermischung von menschlicher Stärke und dann dennoch ein Scheitern ist mMn ein sehr nahes Lebensgefühl.


Wobei einigen der Menschen die in den Romanen beschrieben werden, die ich hier genannt habe, die menschliche Stärke fehlt. Umso interessanter sind sie für mich. Manchmal versteht man, warum nicht jeder Mensch stark sein kann (auch von vornherein schon nicht). Und manchmal sieht man einfach nur ein Spiegelbild von Menschen, die es wirklich so gibt: die ihr Leben nicht in die Hand nehmen, die sich nicht aufraffen, die verhindert sind - aus welchen Gründen auch immer. Manchmal einfach nur weil sie in ihren Kleingeistern gefangen sind. Manchmal erheben sie sich aber doch aus ihrem Trott. Das bleibt immer abzuwarten. Und ich liebe sowohl die Helden, die bis zuletzt scheitern, als auch die, die in irgendeiner Form schaffen über ihren Schatten zu springen.


Hallo Petra,

vor lauter Gedanken an Hemingway habe ich mich etwas ungenau ausgedrückt. Bei Hemingway hat man das Gefühl, das aus der Stärke heraus das Scheitern vorprogrammiert ist.

Ich merke gerade, dass mir kaum aktuelle Romane mit Antihelden einfallen. Vermutlich lese ich zuwenig ;-)

in Alex Capus Roman: Eine Frage der Zeit, gibt es einen sympathischen Antihelden, nämlich Oberstleutnant Spicer Simson, der etwas grotesk, wie ein Don Quichote, wirkt, doch darin sieht man auch den Irrsinn des Krieges, aber auf eine geschichtlich unterhaltsame Weise.

Liebe Grüße
Maria

Re: Außenseiter-Romane / Antihelden

BeitragVerfasst: Do 14. Jan 2010, 21:10
von Doris
Hallo alle miteinander,

ohhhhh, ich liebe diesen thread jetzt schon und nenne meinen ersten Anti-Helden, nämlich

Yuri Balodis - Die Geschichte von Yuri Balodis und seinem Vater, der eigentlich Country-Star war.

Fürs erste war´s das, mir fallen bestimmt noch einige ein.


Herzlichst, Doris

Re: Außenseiter-Romane / Antihelden

BeitragVerfasst: Fr 15. Jan 2010, 08:55
von Binchen
Huhu liebe Petra, (natürlich auch alle anderen Mitleser)

toller Thread, zum Einen, weil ich hier ggf. endlich ein paar Antihelden kennenlernen kann, die vielleicht nicht nur trübsinnig sind und im Alkohol/in Drogen ertrinken.
Zum Anderen, weil ich denke, dass auch hier Stieg Larsson wieder einen Auftritt hat, denn Lisbeth Salander gehört m.E. auch unbedingt hierher.
Dass Du Glatteis hier aufführst, finde ich auch passend, genau, wie Leo Kaplan - Diesen beiden Protas kann ich auch viel abgewinnen.

Ich glaube, gestern Abend habe ich auch noch einen Roman mit Antihelden auf die Ohren geschoben, ich weiß nur noch nicht sooo genau, wie sie sich entwickeln. Ich höre gerade Carson McCullers:Das Herz ist ein einsamer Jäger, und ich glaube Mr. Singer könnte auch einer werden.

Re: Außenseiter-Romane / Antihelden

BeitragVerfasst: Fr 15. Jan 2010, 09:17
von Doris
Guten Morgen alle miteinander,

der thread hat mich gestern Abend ins Bett begleitet und das Ergebnis muss ich natürlich gleich loswerden, eh ich das vergesse (das ist wirklich ein Problem im Moment - ich vergesse so vieles :oops: ). Also da wären noch:

Elsie, eine Anti-Heldin, auch aus einem Charles Chadwick Buch, nämlich "Eine zufällige Begegnung"

Homer - Gottes Werk und Teufels Beitrag - John Irving
Garp - Garp und wie er die Welt sah - John Irving
Owen - Owen Meany - John Irving
Jack Burns - Bis ich dich finde - John Irving
Allison Johnson (Anti-Heldin) - Northline - Willy Vlautin
Kate - Weisse Geister - Alice Greenway
Douglas - Malindi - Troy Blacklaws
Julius Winsome - Winter in Maine - Gerard Donovan
Lev - Der lange Weg nach Hause - Rose Tremain

Herzlichst, Doris

Re: Außenseiter-Romane / Antihelden

BeitragVerfasst: Fr 15. Jan 2010, 11:52
von steffi
Der Antiheld ist zumeist eine passive, resignative oder generell eigenschaftslose Person, die getrieben wird und den Einflüssen der Umwelt ausgesetzt ist – der Antiheld ist nicht in der Lage, Entwicklungen und Ereignisse aktiv zu beeinflussen.
quelle: http://www.buecher-wiki.de/index.php/Bu ... i/Antiheld

Ich musste jetzt einfach mal eine Definition besorgen, weil es für mich gar nicht so leicht ist, festzustellen, was ein Antiheld ist. Erster Gedanke von mir war kein Identifikationswunsch und keine Sympathie. Da ich mich nämlich sehr selten mit Figuren indentifiziere und mich eher die Charakterstudie interessiert, stellt sich für mich die Frage nach Sympathiewerten oder Identifikation normal nicht.

Aber ich denke, auch ein Antiheld kann sympathisch sein oder ist es vielleicht durch seine Hilflosigkeit oft auch. Nur ein Vorbild ist er nicht.

Folgende fallen mir gerade ein:
-die Bücher von Stewart O'Nan bestehen zum größten Teil aus Antihelden
-Siggi Jepsen aus Siegfried Lenz' Deutschstunde
- Rabbit-Romane von John Updike

Im Fantasy-Bereich gibt es ja auch etliche Antihelden, z.B. alle Personen bei George RR Martins Das Lied von Eis und Feuer.

Re: Außenseiter-Romane / Antihelden

BeitragVerfasst: Fr 15. Jan 2010, 12:34
von JMaria
Hallo Steffi,

danke für die Definition. Somit kann ich schon mal sagen, dass Jake aus Fiesta zu den Antihelden gehört.

ich seh schon, ich sollte unbedingt mal "Oblomow" lesen:

Zitat aus dem obigen Link:
Als Prototyp des Antihelden gilt der lethargische Protagonist in Iwan Gontscharows Roman „Oblomow“ (1859), zu dessen hervorstechenden Wesensmerkmalen Schläfrigkeit, Untätigkeit und Entschlusslosigkeit gehören http://www.buecher-wiki.de/index.php/Bu ... i/Antiheld

Liebe Grüße
Maria