Peter Wawerzinek: Rabenliebe

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Peter Wawerzinek: Rabenliebe

Beitragvon steffi » Mi 17. Nov 2010, 12:47

Hallo zusammen !

Nachdem ja einige Interesse an dem Buch haben (und Doris hat es ja schon gelesen) dachte ich, ich fange mal ein extra Thema an. Ich hoffe, dass sich dann alle Eindrücke zum Buch hier sammeln, für den Wawerzinek den Ingeborg-Bachmann-Preis 2010 erhalten hat.

Ich habe gestern die ersten Seiten gelesen. Sofort fällt auf, dass er in einer Montagetechnik schreibt, zwischen dem Prosatext befinden sich Gedichtzeilen, nicht wie üblich in Versform sondern ebenfalls in Prosa eingefügt. Dazwischen noch Texte, die offensichtlich aus Zeitungsnachrichten stammen und wohl den Bezug auf die aktuelle Gegenwart wiedergeben soll. Gleich auf den ersten Seiten gibt es etliche Metaphern, wobei die doch schon stark strapazierten - ein wenig mehr und es wäre mir zu offensichtlich gewollt gewesen. So hat er aber für mich gerade noch die Kurve gekriegt. Ebenfalls einmontiert und geradezu ohne Übergang wechseln die Erinnerungen des Ich-Erzählers mit der Reflektion des Autors. Duch die Nebelmetaphern entsteht natürlich sogleich eine gewisse Atmosphäre, sein Nebel der Erinnerung soll ja durch dieses Buch gelüftet werden - wie gesagt, die Metaphern dazu fand ich etwas zu viel.

Gerade habe ich ja Virginia Woolfs "Zwischen den Akten" gelesen, die ebenfalls eine Montagetechnik mit Zitaten und Gedichtfragmenten verwendet, die Themen sind Geschichte, Theater und Gegenwart und festgestellt, wie modern doch VW damals schon war. ;)

Man merkt schon gleich zu Beginn, wie vorsichtig, wie umständlich sich Wawerzinek diesem Buch und seinem Thema nähert, was auf den weiteren Verlauf gespannt macht.
Gruss von Steffi

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Re: Peter Wawerzinek: Rabenliebe

Beitragvon Doris » Fr 19. Nov 2010, 08:36

Hallo Steffi,

nein, nein das ist ein Missverständnis. Ich habe Rabenliebe auf meinen SuB liegen, aber noch nicht gelesen. ;)

LG, Doris
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Re: Peter Wawerzinek: Rabenliebe

Beitragvon steffi » Fr 19. Nov 2010, 10:19

Ach so :D da bin ich dann die erste hier ... :?:

Ich bin nicht sehr viel weiter gekommen, aber es kristallisiert sich doch heraus, dass sich seine Erinnerungen und sein Wunschdenken ins Gehege kommen. So erzählt er, dass er mit einer schwarzen Limousine ins Kinderheim gebracht wurde, ein paar Seiten später muss er sich eingestehen, dass das wohl nicht sein konnte, trotzdem möchte er an dieser falschen Erinnerung festhalten. Es ist seine erste Erinnerung an sein Leben und die muss für ihn wohl besonders schön sein, quasi als Ersatz. Man kann schon vermuten, dass die Sehnsucht und das Bild der Mutter unter solchen Erinnerungen nicht realistisch sein werden.
Gruss von Steffi

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Re: Peter Wawerzinek: Rabenliebe

Beitragvon Petra » Fr 19. Nov 2010, 21:57

Hallo zusammen,

Steffi, ganz lieben Dank fürs Eröffnen dieses Threads, der sich hoffentlich mit ganz vielen Eindrücken füllen wird!

Ich habe das Buch bei Doris' für uns organisierten Literarischen Bücher-Salon (das war so schön! :D ) zum ersten Mal in Händen gehabt. Ich fand es optisch (der nachtblaue Einband - so kühl und so intensiv) schon sehr ansprechend. Und beim reinlesen haben mir die Bilder der Schneelandschaft (er verbindet ja diese Erinnerungen mit Schnee) so gut gefallen, weil sie so intensiv waren. Mich sprach es absolut an. Ich bin mir aber auch bewusst, dass es wohl ein anstrengendes Buch werden könnte. Deshalb bin ich sehr an Deiner Meinung und an Deinen Eindrücken interessiert. Und an denen von anderen, die das Buch noch lesen werden. Wenn es bei mir an die Reihe kommt, werde ich den Thread hier auch füllen. Und solange interessiert Deinen Bericht verfolgen.
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Peter Wawerzinek: Rabenliebe

Beitragvon JMaria » So 21. Nov 2010, 11:21

steffi hat geschrieben: Gleich auf den ersten Seiten gibt es etliche Metaphern, wobei die doch schon stark strapazierten - ein wenig mehr und es wäre mir zu offensichtlich gewollt gewesen. So hat er aber für mich gerade noch die Kurve gekriegt.


klingt gut :)
ich mag es ja wenn Metaphern gut eingesetzt werden. Allerdings fördert eine Montagetechnik nicht gerade den Lesefluß.

Wie meistert es der Autor bisher?

Grüße von
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Re: Peter Wawerzinek: Rabenliebe

Beitragvon steffi » Mo 22. Nov 2010, 10:40

Ich komme mit der Montagetechnik gut zurecht. Es ist ja überhaupt so, dass er nicht gerade auf das Thema zugeht, sodass solche Unterbrechungen und Umwege nicht stören sondern zu dem ganzen Text passen. Man merkt, dass es ihn auch sehr viel Überwindung kostet und obwohl die äußeren Umstände nicht so dramatisch sind, erfährt man deutlich, wie verletzt die Seele ist. Ein bißchen habe ich das Gefühl, dass er absichtlich die dunklen Themen anspricht um sie loszuwerden und sich damit auseinanderzusetzen. Es gibt sehr subjektive Momente und dann wieder der Versuch, etwas zu abstrahieren.

Auch wenn ich immer noch die Metaphernberge zu dramatisch und zu gewollt gesetzt finde, ist es insgesamt doch ein sehr intensiver Einblick in die Seele eines Menschen.
Gruss von Steffi

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Re: Peter Wawerzinek: Rabenliebe

Beitragvon Petra » Mo 22. Nov 2010, 11:22

Hallo Steffi,

diese beiden Aussagen kann ich vom reinlesen her auch so sehen: Zwar wirklich sehr viele Metaphern, die dann auch sicher ein bisschen zu gewollt wirken. Aber insgesamt den Blick in die Seele des Erzählers intensivieren. Den Eindruck hatte ich auch - wie schön, das von Dir hier bestätigt zu finden. So weiß ich in etwa, was auf mich zukommt, wenn ich es lese.
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Peter Wawerzinek: Rabenliebe

Beitragvon steffi » Di 23. Nov 2010, 10:42

Ich halte hier einfach mal meine weiteren Gedanken fest und hoffe, ich langweile euch damit nicht.

Inzwischen ist der Protagonist bei seinen Adoptiveltern, Namen gibt es von ihm keinen, auch nicht die Namen der Adoptiveltern, das wird vom Autor auch thematisiert. Obwohl es ihm dort nicht schlecht geht, sehnt er sich nach dem Heim zurück - die Gründe werden sehr schön und plausibel dargestellt.

Was mir weiterhin auffällt, ist, dass alles Emotionale auf einer fast gleichbleibenden Ebene erzählt wird. Es gibt zwar humorvolle Begebenheiten und auch Trauriges, aber alles gleich sich an, alles ist gedämpft, er lässt weder Glück noch Trauer dicht an sich ran. Ich komme nochmal auf Virgina Woolf, die ja auch ähnlich mit Texten experimentiert, die aber auch alles immer poetisch erzählt - eben so, dass die Seele des Lesers direkt berührt wird. Hier, obwohl es ja die Metaphern gibt, die inzwischen weniger geworden sind oder ich hab mich dran gewöhnt, geht alles über den Verstand. Der eben die Gefühle, das Berührtwerden, schützt.
Gruss von Steffi

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Re: Peter Wawerzinek: Rabenliebe

Beitragvon JMaria » Fr 26. Nov 2010, 10:53

steffi hat geschrieben:Ich halte hier einfach mal meine weiteren Gedanken fest und hoffe, ich langweile euch damit nicht.



auf keinen Fall langweilst du mich damit. Ich "höre" dir gespannt zu.


Was mir weiterhin auffällt, ist, dass alles Emotionale auf einer fast gleichbleibenden Ebene erzählt wird. Es gibt zwar humorvolle Begebenheiten und auch Trauriges, aber alles gleich sich an, alles ist gedämpft, er lässt weder Glück noch Trauer dicht an sich ran. Ich komme nochmal auf Virgina Woolf, die ja auch ähnlich mit Texten experimentiert, die aber auch alles immer poetisch erzählt - eben so, dass die Seele des Lesers direkt berührt wird. Hier, obwohl es ja die Metaphern gibt, die inzwischen weniger geworden sind oder ich hab mich dran gewöhnt, geht alles über den Verstand. Der eben die Gefühle, das Berührtwerden, schützt.



ist der Roman denn autobiographisch?

Grüße von
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Re: Peter Wawerzinek: Rabenliebe

Beitragvon steffi » Mo 29. Nov 2010, 12:08

Ja, es ist sehr autobiografisch, wobei ich nicht weiß, ob alles genauso stimmt.
http://www.br-online.de/bayerisches-fer ... 435004.xml

Ich habe nun Rabenliebe gestern beendet. Der erste Teil handelt ja von seiner Kindheit, seinen Gedanken und Gefühlen. Man merkt seine Einsamkeit, seine Wut und Hilflosigkeit und sein Leiden darunter.

Der zweite Teil handelt im Jetzt, die Fahrt zur Mutter und die Begegnung nach fast 50 Jahren. Dieser Teil hat mir nicht so gut gefallen, seine Gefühle spitzen sich zu, aber wo und wie oft er auf der Fahrt geheult und gekotzt hat ... nein, das ist mir zu übertrieben plakativ. Es mag so gewesen sein und sicher kann man das nicht gut nachempfinden, wenn man so etwas nicht erlebt hat, vielleicht bin ich auch nicht sensibel genug - aber ich mag mehr die leisen Töne, die genauso gut die Abgründe zeigen können und das meiner Meinung nach oft besser. Hier ist mir auch sprachlich zu viel gewollt.
Gruss von Steffi

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