Kurz-Biografien von Autoren

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Re: Kurz-Biografien von Autoren

Beitragvon Didonia » Fr 19. Jun 2020, 14:27

Friedhof der vergessenen Bücher.jpg
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Ich habe nicht viele Lieblingsschriftsteller*innen. Es gibt nur einige wenige, deren Bücher ich gerne lese. Und nur zwei Schriftsteller sind es, denen ich das Prädikat "Meine liebsten Geschichtenerzähler" gegeben habe. Das sind Carlos Ruiz Zafón und Arturo Pérez-Reverte.

Carlos Ruiz Zafón ist heute im Alter von 55 Jahren in Los Angeles an einer Krebskrankheit gestorben. In meinen vielen Lexika über Schriftsteller*innen taucht sein Name leider nicht auf und auch Wikipedia bietet nicht viel zu seinem Leben.

Er wurde in Barcelona geboren und besuchte dort die Jesuitenschule Sarrià (Col·legi de Sant Ignasi). Diese Schule hat, wie er sagte, seine Fantasie angeregt, da sie sich in einem gotischen Schloss aus rotem Backstein, mit Türmen und geheimen Gängen befand.

Zunächst hat er in Barcelona in einer Werbeagentur gearbeitet. Seit 1994 konzentrierte er sich dann in Los Angeles auf das Schreiben von Romanen und Drehbüchern und war für die spanischen Zeitungen El País und La Vanguardia als Journalist tätig.

Sein erstes Romanwerk war die Nebel-Trilogie, bestehend aus den Büchern Der Fürst des Nebels, Der Mitternachtspalast und Der dunkle Wächter.

Nach dem vierten Jugendbuch Marina folgten dann die Romane, die ihn so richtig berühmt gemacht haben: Die Geschichten um den Friedhof der vergessenen Bücher, bestehend aus Der Schatten des Windes, Das Spiel des Engels, Der Gefangene des Himmels, Das Labyrinth der Lichter und als Geschenk Zafóns an seine Leser*innen Der Fürst des Parnass, in dem er erzählt, wie alles begann. Zafón verzichtete auf sein Honorar, das, vom Verlag aufgerundet, dem Sozialwerk des Deutschen Buchhandels zugutekommt.

Als Der Schatten des Windes erschien, bekam es zwar keine große Aufmerksamkeit, entwickelte sich dann aber in kurzer Zeit zu einem Bestseller und war wochenlang auf den spanischen Bestsellerlisten. Zafón wurde in seinem Heimatland zur Sensation des Jahres 2002. Und auch bei uns in Deutschland wurde es zum Bestseller. An zwanzig Länder wurden die Publikationsrechte verkauft, zum Beispiel nach Skandinavien, Australien, Israel, Griechenland und und und.

Ich bin sehr traurig, dass dieser tolle Geschichtenerzähler von uns gegangen ist. Ich werde seine Bücher in Ehren halten.
Lesende Grüße, Anne

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Re: Kurz-Biografien von Autoren

Beitragvon Didonia » Di 6. Okt 2020, 15:28

Die Eltern der französischen Schriftstellerin, Philosophin und Frauenrechtlerin Marie Le Jars de Gournay (6. Oktober 1565 - 13. Juli 1645) versagten ihr eine Ausbildung, sodass sie sich ihr Wissen selbst aneignete. Sie las heimlich die Bücher aus der Bibliothek des Vaters und lernte Latein, indem sie lateinische Texte mit der französischen Übersetzung verglich. Trotzdem wurde sie eine der gebildetsten Frauen ihrer Zeit.
Sie lernte Michel de Montaigne kennen, der sie bei seinem Tod 1592 zur Verwalterin seines literarischen Nachlasses bestimmte.
Von Heinrich IV. erhielt sie eine kleine Pension. Sie hatte viele Verehrer, doch sie weigerte sich zeitlebens zu heiraten.
Je älter sie wurde, desto mehr wurde sie von literarischen Kreisen verspottet.
Als die Hexenverbrennungen ihren Höhepunkt erreichten, kritisierte sie scharf, dass Frauen weder Bildung noch Besitz zugestanden wurde: "Frauen sind das Geschlecht, dem man alle Güter versagt [...] um ihm als einziges Glück und ausschließliche Tugend die Unwissenheit, den Anschein der Dummheit und das Dienen zu bestimmen."
Lesende Grüße, Anne

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Re: Kurz-Biografien von Autoren

Beitragvon JMaria » Di 2. Feb 2021, 11:59

Im Spiegel gibt es einen Artikel über das ereignisreiche und dramatische Leben der Mary Shelley mit einer tolle. Bildergalerie.

Sehens- und lesenswert!
https://www.spiegel.de/geschichte/frank ... 9acc0d71d6
Schöne Grüße, Maria
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Alwine Wuthenow

Beitragvon Didonia » Sa 8. Jan 2022, 15:53

Alwine Wuthenow, geb. Balthasar wurde am 16. September 1820 in Neuenkirchen (bei Greifswald) geboren. Sie war eine niederdeutsche Dichterin, die unter dem Pseudonym Annmariek Schulten schrieb.

Als ihre Mutter mit ihr schwanger war, ertrank ihr zweijähriger Bruder im elterlichen Gartenteich. Die seelische Erschütterung der Mutter wirkte sich auch auf Alwine aus – sie hatte fast ihr ganzes Leben mit psychischen Problemen zu kämpfen. Schon als Kind musste sie mehrmals in Nervenheilanstalten, weil sich bei ihr Zeichen einer Geisteskrankheit zeigten. Nach ihren ersten Gedichten schickten sie ihre Eltern für gut drei Jahre zur Förderung zu Prof. Hornschuch nach Greifswald.

1843 heiratete sie den Juristen Ferdinand Wuthenow und bekam mit ihm fünf Kinder. Ab 1853 musste Alwine Wuthenow wegen ihrer schwachen Gesundheit für 21 Jahre im St. Katharinenstift in Rostock leben; hier entstanden die meisten ihrer Gedichte.

Fritz Reuter wurde auf sie aufmerksam und veröffentlichte erste Gedichte von ihr in seinem „Unterhaltungsblatt für beide Mecklenburg und Pommern“. Er war auch der spätere Herausgeber ihres ersten eigenständigen Gedichtbandes. Sie stand mit dem Lyriker und Schriftsteller Klaus Groth und mit dem Kieler Schriftsteller Johann Meyer in Briefverkehr und lernte Eduard Mörike kennen. Die Kasseler Komponistin Luise Greger vertonte einige ihrer Gedichte.

Alwine Wuthenow starb am 8. Januar 1908 in Greifswald, wo sich auf dem Neuen Friedhof ihr Grab befindet.

Ihre Werke wurden zwar nach 2000 wohl das erste Mal neu aufgelegt, aber anscheinend nur noch gebraucht zu bekommen, zum Beispiel Pommersche Lyrik.
Lesende Grüße, Anne

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Marta Lynch

Beitragvon Didonia » Mi 2. Feb 2022, 16:24

Marta Lynch - eine bei uns eher unbekannte argentinische Schriftstellerin. Ich habe ein bisschen was über ihr Leben gefunden:

Marta Lynch, geboren am 8. März 1925 in Buenos Aires, hat Zeit ihres Lebens vor dem Altern Angst gehabt, Angst besonders vor den Auswirkungen auf Körper und Geist. In Cristina Muccis Biografie La Señora Lynch ist zu lesen, dass sie ihren Kindern mitteilte, dass sie sie nicht mit achtzig Jahren sehen würden. Ständige Diäten und Schönheitsoperationen waren ihre Begleiter. In ihrem Haus befanden sich keine Spiegel; sie mochte ihr eigenes Gesicht nicht sehen.

Als sie 60 ist, hält sie es nicht mehr aus, kann dieses Gefängnis, wie sie ihr Leben bezeichnet, nicht mehr ertragen und erschießt sich am 8. Oktober 1985.

Ob ihr Geburtsjahr stimmt, ist unsicher. Sie soll oft geschummelt haben, sich fünf bis sieben Jahre jünger gemacht habe; auf Buchumschlägen, in Interviews, selbst gegenüber der Familie und Freunden.

Mit ihrem ersten Mann hatte sie eine kurze und unglückliche Ehe. Ihren zweiten Mann, Juan Manuel Lynch, lernte sie schon während ihres Philologiestudiums an der Universidad de Buenos Aires kennen. Er war Jurist; bei ihm reichte sie später die Scheidung ein und die beiden verliebten sich. Sie bekamen zwei Kinder, Marta Juana und Enrique. Marta Lynch unterhielt mehrere Affären, die von ihrem Mann gebilligt wurden, da er wusste, dass sie diese Freiheit für ihr Glück oder zumindest für ihre Stabilität brauchte.

Sie schrieb gesellschaftskritisch. Schon ihr erstes Buch La alfombra roja (1962) erregte großes Aufsehen, da sie über einen rücksichtslosen Politiker schreibt, der menschenverachtend seinen Weg an die Macht verfolgt. Auch in ihrem zweiten Roman, Al vencedor, geht es ähnlich schonungslos um den Zerfall einer Gesellschaft. Die Schere zwischen einem kleinen privilegierten Teil und den Verlierern der Gesellschaft wird immer größer, sodass keine Verständigung, geschweige denn Annäherung mehr möglich ist.

Gemeinsam mit zum Beispiel Silvina Bullrich, Beatriz Guido, Sara Gallardo oder Sara Gallardo gehörte Marta Lynch in den 1950er und 1960er Jahren zu einer Gruppe argentinischer Schriftsteller*innen, die sowohl beliebt als auch umstritten waren. Die Literaturwissenschaftlerin Lynch hielt Vorträge in Europa und ganz Amerika. Als Schriftstellerin wurde sie zu einer der zehn besten Geschichtenerzählerinnen erklärt. Ihr Werk besteht aus sieben Romanen und neun Sammlungen von Kurzprosa.

Ihre politische Haltung ändert sich im Lauf ihres Lebens. Im November 1972 reiste sie in der Charta, die Juan Perón zurückbrachte. Sie war zum Beispiel eine Rebellin, eine Anhängerin von Montonero (eine argentinische Stadtguerilla), eine Verteidigerin der Militärjunta.

In den Medien, zumeist in Zeitungen und Wochenzeitschriften, ist sie ständig präsent. Die Themen sind breit gefächert: das größte und bekannteste Seebad Mar del Plata als Sommerressort, ihr neuester Roman, Politik, die Rolle der Frau in der Gesellschaft, Sport oder die Bedeutung von Dulce de Leche (Milchkaramell) für die nationale Identität . Sie gab gerne zu allem ihre Meinung ab.

Das war in den 1960er/70er Jahren. Da gab es in allen Zeitungen wöchentliche Interviews mit Autor*innen: Borges, Sábato, Bioy, Mujica Láinez, Silvina Bullrich, Beatriz Guido, Dalmiro Sáenz, Marco Denevi und viele andere.

Später schrieb Fabián Casas in einem seiner Essays, dass sich die Situation geändert hat: „In Argentinien nimmt der Schriftsteller keinen Platz ein, niemand kümmert sich darum, was ein Dichter oder Romanautor sagt, ganz zu schweigen von den Philosophen. Dieses Ignorieren ist ein Segen, es hilft Schriftstellern, mit geschlossenem Mund zu schreiben und nur an ihre Arbeit zu denken.“

Zum Schluss noch ein paar Sätze ihres Sohnes Enrique über seine Mutter: „Meine Mutter war zu Lebzeiten eine sehr berühmte Frau. Mit ihr auszugehen war, als würde man Arm in Arm mit einer Coca-Cola-Werbung laufen. Irgendwie nervig, wirklich. Aber ihre Bekanntheit machte sie glücklich. Ich habe sie einmal sagen hören, dass sie gerne eine Maipo-Vedette (Theatertänzerin) gewesen wäre, was natürlich ein Scherz war, aber mit echtem Hintergrund".

Quelle: infobae.com

Leseprobe aus Erkundungen - 20 argentinische Erzähler, Verlag Volk und Welt Berlin, 1. Auflage 1975

Schlachtfeld

Die beiden Mädchen - die eine etwas älter als die andere - schritten entschlossen auf das Portal zu, doch dann, auf der Schwelle, zögerten sie.
"Soll ich dich hierlassen?" fragte die Jüngere.
Sie war groß und kernig. Getuschte Wimpern, Häkellook-Strümpfe, schöne Katzenaugen. Das breite Becken wölbte den Rock seitwärts, darüber trug sie eine Wildlederjacke, die sich eng an Schultern und Brüste schmiegte.
"Eine Bombe", sagte der Detektiv am Eingang und stocherte in den Zähnen herum.
Der Polizist hingegen überlegte, daß der Sechsundzwanzigste des Monats da war und er nicht einen Centavo in der Tasche hatte und daß sein Weib, eine Kreolin in den Fünfzigern, dick und sehr sanftmütig war.
"Jaja", brummte er, nur um nicht als Stoffel dazustehen...
Lesende Grüße, Anne

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Re: Kurz-Biografien von Autoren

Beitragvon JMaria » Do 3. Feb 2022, 11:15

Hallo Didonia

zu erst einmal ein dickes Danke schön für diese gute, ausführliche Kurz-Biographie. Ich fand sie spannend zu lesen, zu mal ich noch nichts von der Autorin Marta Lynch gehört habe, aber die kleine Leseprobe hat es echt in sich. Schade, dass es nicht mehr von ihr in Übersetzung gibt.
Schöne Grüße, Maria
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Re: Kurz-Biografien von Autoren

Beitragvon Didonia » Do 3. Feb 2022, 12:53

Danke, Maria. Von dieser DDR-Reihe "Erkundungen" gibt es 64 Bände, von einigen wenigen Ländern gibt es zwei Teile. Ich habe schon einige Autorinnen darin gefunden, von denen es nichts Deutschsprachiges zu lesen gibt. Ich frage mich manchmal, wie gerade die DDR zu diesen Texten gekommen ist (wobei die Überschrift von den Leseproben nicht automatisch die Buchtitel sein müssen). Irgendwo habe ich gelesen, dass es die DDR mit dem Urheberrecht nicht so genau genommen haben soll.
Zumal sie weiter als Autorin in der DDR auch nicht verlegt wurde. In dem Buch stehen auch keine biografischen Daten von ihr. Es war nicht so einfach, aus diesem Text, der mir von Google übersetzt wurde, meinen Text zu schreiben. Ich hätte noch persönlichere Passagen schreiben können, aber die klangen mir dann eher wie Boulevard-Geschwafel als Fakten.
Lesende Grüße, Anne

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Re: Kurz-Biografien von Autoren

Beitragvon Didonia » Mi 16. Feb 2022, 17:04

Im vergangenen Jahr las ich "Bär" von Marian Engel. Es erschien 1976, in Deutschland erst zehn Jahre später und erscheint jetzt noch einmal neu in einer Übersetzung von Gabriele Brößke.

Ihre ersten Lebensjahre verbrachte Marian Ruth Engel, geb. Passmore, in Pflegefamilien, bis sie dann von Frederick Searle und Mary Elizabeth (Fletcher) Passmore adoptiert wurde. Die Familie zog oft um, sodass sie ihre Kindheit in Port Arthur, Brantford, Galt, Hamilton und Sarnia im Südwesten von Ontario verbrachte. Sie studierte an der McMaster University in Hamilton, Ontario, und an der McGill-Universität in Montreal und unterrichtete nach dem Studium an der McGill-Universität und der University of Montana. Ihr Mentor an der McGill war der Autor Hugh MacLennan, mit dem sie bis zu ihrem Tod korrespondierte. Mit einem Stipendium studierte sie an der Université d'Aix-Marseille in Aix-en Provence, Frankreich, ein Jahr französische Literatur und arbeitete im Anschluss in England als Übersetzerin und war tätig an ihrem unveröffentlichten Manuskript Women Travelling Alone.

Marian Engel lernte den Krimi-Autor und Radioproduzenten der Canadian Broadcasting Corporation (CBC) kennen und heiratete ihn 1962 in England. Zwei Jahre später war das Paar zurück in Toronto, wo sie eine Familie gründeten. Sie bekamen Zwillinge und Marian verfolgte ihre Karriere als Schriftstellerin. 1977 ließ sich das Paar nach zweijähriger Trennung scheiden.

In den folgenden Jahren unterrichtete Marian Engel an verschiedenen Unis.

Schon zu Beginn der 1970er-Jahre setzte sich Marian Engel leidenschaftlich für die Rechte kanadischer Schriftsteller*innen auf nationaler und internationaler Ebene ein. 1973 wurde die Writers Union of Canada gegründet, deren erste Vorsitzende sie war; auch die ersten Treffen fanden in ihrem Haus in Toronto statt. Sie half auch dabei, die Public Lending Right Commission von 1975 bis 1978 als Treuhänder im Toronto Public Library Board einzusetzen. Und sie engagierte sich für Renten für Schriftsteller*innen und Lizenzgebühren aus Bibliotheksleihen.

Sie skizzierte eine Vision für eine Autorenentschädigung auf der Grundlage von Statistiken zur Bibliotheksauflage. Sie argumentierte, dass von den Autor*innen erwartet werde, dass sie von dieser dampfförmigen Substanz Prestige leben, und schlug vor, dass die unentgeltliche Verwendung der Werke kanadischer Schriftsteller*innen eine Verletzung des Urheberrechts darstellt (siehe Maclean-Leitartikel Unsere Autoren werden abgezockt von 1974.

Marian Engel gehört zu den wichtigsten Vertreterinnen zeitgenössischer kanadischer Literatur. Meistens stehen Frauen mit ihren täglichen Lebenserfahrungen in ihren Büchern im Mittelpunkt. Sie beschäftigte sich mit Beziehungen zwischen Müttern und Töchtern, die auf Erkundungen der Identitätsbildung und subjektiven Erfahrungen beruhten. Auch doppelte Identitäten war ein häufiges Thema bei ihr, um die Herausforderung der Wahl zwischen dem Hin und Her des täglichen Lebens zu veranschaulichen - nämlich traditionelle Geschlechterrollen und die imaginäre Möglichkeit des Anderen. Die Autorin Alice Munro bemerkte, dass Engel eine der ersten war, die das Leben von Frauen in ihrer verworrensten Form untersuchte, um zu zeigen, dass es möglich war, nicht nur zu schreiben, sondern auch veröffentlicht zu werden, wenn man über weibliche Erfahrungen schreibt.

Zu ihren Werken gehören auch drei Kinderbücher.

Ihr berühmtestes und umstrittenstes Werk ist die Novelle Bär (1976), eine Geschichte erotischer Liebe zwischen einer Archivarin und einem Bären. Ihr Herausgeber bei Harcourt Brace lehnte das Manuskript wegen seiner relativen Kürze, gepaart mit seiner extremen Fremdheit ab. Es wurde schließlich von McClelland & Stewart veröffentlicht, nachdem es von Robertson Davies verfochten wurde. 1976 gewann sie damit den Literaturpreis des Generalgouverneurs für Belletristik.
Laut der DNB ist Bär auch der einzige ins Deutsche übersetzte Titel von ihr.

Der Writer's Development Trust of Canada richtete nach Marian Engels Tod den Marian Engel Award in Höhe von 10.000 US-Dollar ein, der einer Schriftstellerin in der Mitte ihrer Karriere jährlich verliehen wurde. Die Idee dazu kam von Freund*innen und Kolleg*innen, die auch einen Stiftungsfonds gründeten. Margaret Atwood war die erste Spenderin.

geb. 24. Mai 1933 in Toronto, Ontario
gest. 16. Februar 1985 in Toronto, Ontario
Lesende Grüße, Anne

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Carmen Abalos

Beitragvon Didonia » So 20. Feb 2022, 14:55

Ana Lucía del Carmen Abalos Guerrero wurde am 26. Juli 1918 in Santiago de Chile geboren. Der Vater starb 1931 an Tuberkulose; die Familie musste all ihre Besitztümer verkaufen. Zu diesem Zeitpunkt nahm sie sich vor, Schriftstellerin zu werden und schrieb am selben Nachmittag ihr erstes Gedicht - auf französisch - gewidmet ihrer Mutter. Bis zu ihrem Tod hörte sie nicht mehr auf zu schreiben.

Sie studierte Theater an der Margarita Xirgu Academy und an der Le Caveau Company unter der Leitung von Etienne Frois. Auf ihren unzähligen Reisen und Auslandsaufenthalten lernte sie Sprachen wie Englisch, Portugiesisch, Deutsch, Italienisch und Latein. Sie lebte zeitweise in Brasilien und den USA und unternahm unzählige Reisen nach Lateinamerika, Europa und in den Osten.

Zwei Jahre war sie in Brasilien, wo sie sich mit Gabriela Mistral und mit verschiedenen lokalen Schriftstellern anfreundete.

In Chile nahm Carmen Abalos aktiv an Schriftstellerverbänden sowie an internationalen Kongressen und Konferenzen teil. Sie gründete mehrere literarische Gruppen, war stellvertretende Direktorin der Poesiezeitschrift Orfeo, PR-Beamtin der Society of Writers of Chile und Delegierte des Moskauer Frauenkongresses im Jahr 1963.

Ihr literarisches Werk besteht aus dreizehn Gedichtbänden und Kurzgeschichten sowie Essays und Anthologien. Vom Bildungsministerium wurden vier ihrer Bücher zu Hilfsstudientexten erklärt.

Im November 2002 starb Carmen Abalos, nachdem sie gegen verschiedene Krebsarten gekämpft hat. Sie hinterließ ihren Mann Ricardo Dachena Campoli und die Tochter Carmen del Pilar, vier Enkel und zwölf Urenkel.

Quelle: https://www.carmenabalos.com/biografia


Außer einem kurzen Text aus "Erkundungen. 24 chilenische Erzähler", erschienen 1974 im Verlag Volk und Welt Berlin, habe ich keine deutschsprachigen Texte von ihr gefunden:

Leseprobe

Der General

Vor einer Weile hatten sie den weitläufigen Platz erreicht.
Durch die Palmen, die den Weg zum Hauptfriedhof der Stadt säumten, schien ein irgendwie rätselvoller Windhauch zu streichen.
Man gewahrte einen großen Menschenauflauf und Musikkapellen verschiedener Regimenter und Feuerwehrmänner in ihren so unsinnig herausgeputzten Monturen und zwei Ambulanzen vom Rettungsdienst.
Es war ein überwältigendes Begräbnis.
Manch einer dachte im stillen, daß es doch etwas Schönes sei, zu sterben und den lärmenden Abschiedsgruß der Bürgerschaft in so beifälliger Form entgegenzunehmen. Auf einer von Rappen in schwarzem Geschirr gezogenen schwarzen Karosse kam der Sarg daher.
Die Bediensteten vom Bestattungsinstitut waren emsig bemüht um die illustre sterbliche Hülle.
Der Tote in seinem Sarg regte sich vergebens...
Lesende Grüße, Anne

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Füruzan

Beitragvon Didonia » Sa 19. Mär 2022, 12:38

Die türkische Schriftstellerin Füruzan ist nur unter ihrem Vornamen bekannt. Am 29. Oktober 1935 wurde sie in Istanbul geboren. Sie entstammt einer Arbeiterfamilie und da der Vater früh starb, hatte sie keinerlei Möglichkeit für eine höhere Schule oder gar ein Studium. Ab Mitte der 1950er-Jahre veröffentlichten verschiedene Zeitschriften von ihr geschriebene Erzählungen und Kurzgeschichten. Später folgen Romane, die anscheinend nicht ins Deutsche übersetzt wurden. In der DNB finde ich nur "Frau ohne Schleier" (dtb, Aufbau), "Logis im Land der Reichen" (entstand während eines Aufenthaltes von 1975 bis 1981 in Deutschland, wo sie Reportagen über das Leben türkischer Arbeitsmigranten schrieb) und das Kinderbuch "Vom rotgesprenkelten Spatzen" (Kinderbuchverlag).
Auf der Rückseite von "Frau ohne Schleier" vom Aufbau-Verlag sind noch folgende Titel angegeben: "Ein Freiplatz im Internat", "Die Belagerung", "Meine Kinos" (alles Erzählungsbände), der Roman "Jahrgang 47" und die Reportagen "Die neuen Gäste".
Erwähnung findet sie auch in der Dissertation von Mediha Göbenli: "Zeitgenössische türkische Frauenliteratur: Eine vergleichende Literaturanalyse ausgewählter Werke von Leyla Erbil, Füruzan, Pinar Kür und Aysel Özakin".

Eine Leseprobe aus "Erkundungen - 9 türkische Erzähler", herausgegeben vom Verlag Volk und Welt Berlin, 1. Auflage 1982:

Vergiß das Blut nicht
Als sie in das Café des Einarmigen kamen, zeigte man mich Ihnen, nicht wahr, mein Töchterchen? Kaum, daß Sie richtig Atem geschöpft hatten, wiesen sie auf mich hin, nicht wahr?
Sie sagten: "Seit vier Monaten sitzt sie ständig dort", nicht wahr?
Sie sagten: "Ohne zu essen, ohne zu trinken, bleibt sie dort", nicht wahr?
Der beißende Hunger frißt auch die Bitterkeit. Kann man die Hand nicht mehr ausstrecken, das Knie nicht mehr beugen, dann zerkaut man so wie ich alles, was man in den Mund stopft.
Mein Warten hat schon seinen guten Grund.
Warum können unsere hiesigen Männer das nicht begreifen? Was Gott gab, nimmt er auch wieder. Das weißt du. Wir wissen es auch. Dagegen gibt es für uns kein Ankommen...
Lesende Grüße, Anne

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