Veränderung der Leseinteressen, kennt Ihr das?

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Veränderung der Leseinteressen, kennt Ihr das?

Beitragvon Barbara » Mi 30. Apr 2008, 07:48

Hallo Ihr Lieben,

angeregt durch Binchens gestrige Frage an mich, ob ich mal näher beschreiben möchte, warum sich mein Lesegeschmack "so verändert" hat, kam mir der Gedanke mal generell die Frage an Euch weiterzugeben:

Kennt Ihr das von Euch auch, dass sich Euere Leseinteressen verändern?
Geschieht dies bei Euch plötzlich oder schleichend?
Bemerkt Ihr das sofort oder braucht Ihr eine Zeit, bis Ihr realisiert, dass Ihr nun eher andere Inhalte mögt.
Stellt Ihr dabei auch eine Veränderung in Eurer grundsätzlichen Entwicklung fest oder sind es nur Phasen, die wieder vorbeigehen?
:lesen_und_nachdenken:
Liebe Grüße
Barbara
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Re: Veränderung der Leseinteressen, kennt Ihr das?

Beitragvon Petra » Mi 30. Apr 2008, 10:28

Liebe Barbara,

das ist eine interessante Frage, die aber auch - finde ich - sehr schwer zu beantworten ist. Ich sehe da mehrere Aspekte an mir. Ich versuche es aber mal, meine Gedanken dazu hier schweifen zu lassen, da ich es wirklich interessant finde!

Einerseits denke ich schon, dass ein Lesegeschmack sich entwickelt/verändert. Und ich denke, man sollte den Blick auf beides richten. Sowohl auf das ENTWICKELN, als auch auf das VERÄNDERN. Dazu gleich mehr. Aber vorweg: Es gibt sicher aber auch Leser, bei denen sich der Lesegeschmack nicht entwickelt oder verändert. Die lesen ihr Leben lang „nur“ Krimis, nur Liebesromane... was auch immer. Das finde ich, sollte man aber nicht werten oder als „im Leben/Lesen stehen geblieben“ betrachten! Denn Lesen ist ja auch Entspannung! Und wenn man bei Diesem oder Jenem z. B. am besten entspannen kann, dann dient das Lesen einem etwas anderem Zweck, als den Zweck den einige andere mit dem Lesen verfolgen – wie z. B. Horizont erweitern, sich mit Dingen auseinander setzen... was auch immer! Das ist nicht weniger gut oder schlecht, als das Lesen zur Entspannung! Wollte ich nur sagen, weil ich denke, dass Lesen nicht zwingend eine Entwicklung oder Veränderung mit sich bringen muss. Und das ist auch völlig o.k. so!

Aber bei vielen – denke ich – entwickelt oder verändert der Lesegeschmack sich. Ich bin so jemand.

Die Gründe dafür möchte ich mal splitten. Wie oben angemerkt in ENTWICKLUNG und VERÄNDERUNG.

ENTWICKLUNG des Lesegeschmacks: Aus meinem eigenen Erfahrungsbereich kann ich sagen, dass sich mein Lesegeschmack entwickelt hat. War es früher ausschließlich Unterhaltungsliteratur (Schmöker und Krimis/Thriller), so weitete sich mit der Zeit mein Autorenspektrum auf diesem Gebiet. Mary Higgins Clark wurde von z. B. Patricia Highsmith abgelöst. Sidney Sheldon durch Leon de Winter… Diese Entwicklung kam durch Empfehlungen anderer Lesebegeisterten. Dies ist also schon mal eine Entwicklung innerhalb der Unterhaltungsliteratur gewesen. Wenn man sich dann in Diskussionsforen über Bücher herumtreibt, bekommt man ja zwangsläufig mit, was andere so lesen. Und da man erste Sprünge in unbekannte Gefilde nicht nur überlebt sonder für sehr, sehr gut befunden hat, traut man sich auch mehr zu. Man wird neugieriger, offener. Und lässt sich gern verführen. Und schon strecken sich die Lese-Fühler in verschiedene Richtungen aus. Innerhalb des bevorzugten Genres. Aber irgendwann auch darüber hinaus. Wenn Person X einen Klassiker liest, obwohl Person X sonst wie man selbst gern Unterhaltungsliteratur mag, dann kann der Klassiker vielleicht gar nicht so furchtbar sein?? Und schwupps, liest man ihn auch. Ein anderer schwärmt von einem Reisebericht. Man lässt sich anstecken und sieht: Auch dieses Genre kann total packend sein! Dann kommen Sachbücher hinzu oder was auch immer. Und irgendwann ist der Lesegeschmack sehr breit gefächert. Im Gegensatz zu früher, wo man einen sehr eingeschränkten Lesebereich hatte. Und in solch einer Entwicklung, entwickelt sich der Lesegeschmack wohl – sagen wir mal – nach oben! Bitte: Das soll niemand falsch verstehen, denn es ist rein sachlich gemeint! Man wird – anders ausgedrückt – vom Hungrigen zum Feinschmecker. Man entwickelt ein Gespür für schöne Sprache und für gute Autoren (denn auch das Vermögen eine Geschichte zu erzählen gehört dazu... da hat so mancher Autor der Unterhaltungsliteratur einem großen Literaten was voraus! Beides muss schon passen: Sprache und die Kunst zu erzählen). Was einen früher begeistert hat, ist dann oft nicht mehr genug. So viel zum Thema Entwicklung des Lesegeschmacks. Auf mich persönlich trifft das so zu! Mir ist das so passiert. Ich fand das teils sogar schade, denn ich konnte mich bei den Autoren reinster Unterhaltungsliteratur früher so gut entspannen und fallen lassen. Dieses Vergnügen schien mir auf immer verwehrt, weil mein Lesegeschmack sich „nach oben“ entwickelt hatte. (Wie gesagt, „nach oben“ nicht falsch verstehen!! Es ist sowieso nur eine individuelle Betrachtung, was genau „oben“ angesiedelt ist in der Literatur! Und es gäbe auch für meinen entwickelten Lesegeschmack noch unzählige Leute, die darauf herabschauen, weil ihr eigener Lesegeschmack noch viel, viel, viel weiter „oben“ angesiedelt ist! Aber so meine ich es eben halt auch nicht... ich schaue auf NIEMANDEM herab, der ausschließlich reine Unterhaltung liest!! Das möchte ich betonen! Und ich müsste dann zur Zeit auch auf mich selbst herabschauen... warum?? Nun, jetzt komme ich zum zweiten Punkt, der genauso wichtig ist, wie der Punkt Entwicklung!

VERÄNDERUNG des Lesegeschmacks: Warum sich ein Lesegeschmack zeitweilig (oder auch für immer – wer weiß?) verändert, kann viele Gründe haben! Nachdem ich meine persönliche Leseentwicklung mitgemacht habe, begann in meinem Privatleben ein großer Umbruch. Alles veränderte sich. Zudem viel zu viel Arbeit (auch z. B. mit den Internetseiten)! Mein Kopf ist seither nicht frei gewesen. Und weitere Anstrengung (anspruchsvoller Schreibstil, problematische Themen) konnte ich nicht gebrauchen... schlimmer noch: Gar nicht ertragen! Und so kam es, dass ich plötzlich wieder mit Vorliebe zur reinen Unterhaltung griff. Mein bevorzugtes Gebiet die letzten Monate: Thriller! Spannend, leicht zu lesen, nichts zu denken, mitreißend... genau das brauche ich zur Zeit! Bloß kein gemächliches Tempo in der Geschichte, sonst schweifen meine Gedanken zu den eigenen Problemen und Sorgen ab! Es sollte etwas sein, was mich aus meiner derzeitigen Welt rausreißt. Mich entspannt, allein dadurch, dass ich entfliehen kann. Und da kann eine P. J. Tracy größeres Vollbringen als ein Tolstoi. ;-)

RESÜMEE: Ist diese Veränderung aus dem Gesichtspunkt der Entwicklung her gesehen nun ein „Abstieg“? Nein! Finde ich eben nicht! Denn jede Entwicklung, aber auch jede Veränderung hat ihren Sinn und ihr Für und Wider! Ich habe z. B. während meiner Leseentwicklung wirklich oft bedauert, dass ich an einen „einfachen“ Thriller nicht mehr herankomme! Denn dieses Gefühl des einfach unterhalten Werdens, ohne nachdenken zu müssen, hatte auch seinen Reiz! Und das würde ich – dachte und fürchtete ich damals (!) – nie mehr bekommen! Weil meine Entwicklung mich von diesem Genre ganz abgebracht hat. Und eine Rückentwicklung gibt es in den meisten Lebenslagen ja eher nicht. Man entwickelt sich eigentlich ja immer weiter... und nicht zurück. Zum Glück muss das beim Lesen nicht zutreffen! Da es auch die Veränderung gibt! Und die Veränderung hängt m. E. nach von den eigenen Lebensumständen ab und somit von den eigenen aktuellen Bedürfnissen ab! Was ist in meinem eigenen Leben gerade los? Möchte ich lernen? Möchte ich entspannen? Der Lesegeschmack fügt sich dem gewiss ein bisschen – oder wie bei mir: nicht nur ein bisschen, sondern sogar völlig!

Auch ein Punkt ist: Welche Themen beschäftigen mich in meinem eigenen Leben gerade? Gewiss werden für mich in Zukunft Bücher interessanter, die Inhalte bearbeiten wie Verlust der Eltern. Oder aber habe ich in Beziehungskonstellationen einiges was mich beschäftigt. Und da werde ich sicher mal zu Büchern greifen, die meine Situation ein wenig wiederspiegeln, die ich bis vor kurzem selbst erlebt habe. Auch dass ich kein Single mehr bin wird mich in meiner Leseauswahl beeinflussen. Und durch diese eigenen Lebensumstände können sich die LESEINTERESSEN (so haben wir jetzt auch dieses Wort aufgegriffen, das hier keinesfalls fehlen darf und das Du so schön in Deiner Überschrift eingebaut hast!) auch kurzzeitig oder langfristig verändern. Denke ich!

Meine eigene Einschätzung zu meiner künftigen Leseauswahl: Werden es immer Thriller bleiben? Nein! Das denke ich nicht! So langsam aber sicher kommt das Interesse an anderer Literatur wieder hoch. Demnächst könnte ich mir wieder einen Klassiker vorstellen. Aber den als Parallelbuch für zu Hause! Denn da habe ich dann mehr Muße und Ruhe dafür, um mich voll und ganz darauf einzulassen und Freude dabei zu empfinden. Und diese Zeit zu Hause werde ich – hoffentlich (!!!) – bald wieder haben! Mehr noch als zuvor, denn ich habe in meinem Leben ORDENTLICH abgespeckt! Nicht zuletzt dadurch, dass jetzt hier jeder Rezensionen selbst schreiben kann... diese Einbauarbeiten haben mich fast kaputt gemacht!! Und dieser Druck, Stress und Zeitfaktor fällt nun nicht nur weg, sondern auch das ungute Gefühl dass dann alles den Bach runter geht, ist mir genommen! (An der Stelle gebührt Arno *liebwink* zum 100.000sten Mal Dank!)

Und ich denke – zumindest für mich – dass das Leben und das Lesen ständigem Wandel unterliegt! Und das ist sicher auch gut so! Stehen bleiben fände ich nicht schön! Aber eine Zeit lang verweilen, doch, das gern! So genieße ich ohne schlechtes Gewissen meine Thriller-Phase! Und werde zu gegebener Zeit mich wieder anderen Büchern widmen, wenn mir nach diesen verlangt. Immer auf die innere Stimme und auf die aktuellen Bedürfnisse hören – dann liegt man richtig! Und da sich meine Bedürfnisse auch verändern (weil das Leben sich halt verändert), wird sich auch mein Lesegeschmack immer wieder verändern! Ich bin gespannt darauf – denn so ein Lese-Leben ist genauso wenig vorhersehbar, wie das richtige Leben. Ein schöner Gedanke, nicht wahr?

Ich bin gespannt, ob ich einige hier mit meinen Gedanken zu Diskussionen über das Thema anregen konnte. Denn ich finde, dass Binchen *liebwink* und Barbara *liebwink* damit ein sehr interessantes, wenn auch weitschweifiges Thema angeschnitten haben.

Eure eigenen Erfahrungen, Entwicklungen und Veränderungen und die Gründe dafür interessieren mich brennend! Gerade jetzt, wo ich mir meine durchs Niederschreiben so bewusst gemacht habe.
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Veränderung der Leseinteressen, kennt Ihr das?

Beitragvon Barbara » Mi 30. Apr 2008, 10:38

Liebe Petra,

lieben Dank für Deine tollen Gedanken.
Deine sehr ausführlichen Gedanken zu dem Thema habe ich mir ausgedruckt, sodass ich sie in Ruhe lesen und beantworten kann. Denn genau wie Du schon schriebst, ist es nicht einfach, darauf zu antworten. Auch ich tat mich schwer und empfinde meine Antwort auch als nicht abgeschlossen.

ALso, sobald ich mich gedanklich gefestigt habe, kommt das Ergebnis!
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Re: Veränderung der Leseinteressen, kennt Ihr das?

Beitragvon Petra » Mi 30. Apr 2008, 10:44

Liebe Barbara,

es freut mich, dass Dir meine Gedanken dazu gefallen! Und Dich anregen, selbst noch mal alles zu durchdenken, wie es bei Dir ist! Ich freue mich sehr auf Deine Antwort hier! Und vielleicht kannst Du danach dem Binchen *liebwink* ihre Frage sogar beantworten. Weil Du dann vielleicht hinterfragt hast, warum Dich diese Lesegebiete zur Zeit interessieren.

Ich bin jedenfalls gespannt und hoffe, dass auch andere hier sich noch "laut" ein paar Gedanken machen! Ich finde das Thema einfach spannend! :-)
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Veränderung der Leseinteressen, kennt Ihr das?

Beitragvon Britti » Mi 30. Apr 2008, 11:33

Hallo zusammen.

Ich antworte mal in Kürze ;)

In meinem Leben kommen ständig neue Lesephasen, oft verbunden mit bestimmten Lebenssituationen oder angeregt durch aktuelle Themen.

Als Beispiel: Irgendwann habe ich mich mit dem Buddhismus auseinandergesetzt, so kam ich auf die Lebensumstände der Tibeter usw. Also las ich eine ganze Weile Bücher rund um das Thema Tibet, Buddhismus und Dalai Lama. Ich setze mich gern mit solchen Themen auseinander und oft ändert es meine Sichtweise, d.h. man lernt für`s Leben :)

Je nach Stimmung brauche ich auch mal ganz einfache Literatur zum runterlesen und nicht lane drüber nachdenken. Im Moment sind es mal wieder Thriller um mit Tempo zu lesen, das kann in einem halben Jahr wieder anders aussehen.

Fantasy und SciFi nehmen nur noch einen kleinen Teil ein. Habe ich früher sehr viel gelesen und heute interessiert es mich so gut wie garnicht mehr.

Insgesamt hat sich mein Geschmack eher Richtung englische Klassiker und Biografien entwickelt. Ich erfahre gern etwas über bekannte Persönlichkeiten. So etwas hätte ich wohl vor 10 Jahren nicht gelesen und für totlangweilig befunden.
Ich würde sagen ich bin im Laufe der Jahre neugieriger geworden. Nicht mehr so festgelegt wie früher.
Ich möchte meine Lesezeit nicht verplempern, mich gut unterhalten fühlen und vielleicht noch etwas Nachhaltiges von dem Buch haben.

Alles in allem denke ich auch das sich mein Lesegeschmack ständig ändert. Nicht zuletzt durch dieses Forum in dem man ständig mit Neuem infiziert wird :lol:
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Re: Veränderung der Leseinteressen, kennt Ihr das?

Beitragvon Binchen » Mi 30. Apr 2008, 12:38

Huhu in die Runde,

hier auch ein paar von meinen Gedanken dazu:

Entwicklung / Veränderung

ja liebe Petra, diese Unterscheidung hast Du gut gewählt.

Meine Unterstützung hast Du völlig, wenn Du nicht werten willst, dass jemand sich in Unterhaltungslektüre versenken willst. Jeder liest eben anders, und wenn es zur Unterhaltung ist, dann ist das schön und genauso akzeptabel, wie die vielen anderen Gründe, die es geben mag.

Meine vorsichtige Frage an Barbara, ob sie es enthüllen mag/kann, warum sie gerade auf einem Tripp ist, der sie durch so viele Kulturen und Lebenskonzepte führt, war auch so vorsichtig gemeint, denn es sind ja oft sehr persönliche Gründe, die einen zu Büchern führen, die auch mit der eigenen Gedankenwelt und den eigenen Erlebnissen zu tun haben, auch wenn man es ggf. gar nicht so recht merkt. Und so könnte meine Frage nach dem veränderten Lebenskonzept ja auch sehr indiskret sein.

Und da ist sie wieder, meine Bibliotherapie-Idee. JA ich weiß, ich wiederhole mich, aber ich habe nur von mir auf andere geschlossen. Ich denke an vielen Geschichten, die man liest, verarbeitet man auch sein eigenes Leben - oder das, was man gerne führen möchte - ein Fische-Mensch tut das auch gelegentlich 'Nur im Kopf'. Und das sind dann Phasen. Die Phase in der ich gerne Romane gelesen habe, die sich mit Partnerschaften mit größeren Altersunterschieden herumplagen, die Phase, in der ein Café eine Rolle spielen sollte, weil es ein Traum von mir wäre eines zu führen, die Krimis die in Norddeutschland spielen, weil ich dort gerne leben würde … - alles Stücke meiner Persönlichkeit, die ich mit Büchern in meinem Kopf auslebe, und die sich mit dem Jahresverlauf und der persönlichen Situation verändern (können) einiges bleibt, einiges geht, einiges kommt hinzu.

Ich denke eines hat sich an meinen Lesevorlieben nicht geändert. Ich lese ungern Sachbücher. Wenn mich jedoch ein Buch in eine Zeit entführt oder mir ein Problem nahe bringt, und ich durch die Geschichte das Gefühl habe, eine tolle Verpackung fürs Lernen zu bekommen, dann genieße ich das, besonders, wenn es ohne 'Hier lernst Du was-Ansprache, sondern einfach unterschwellig passiert.

Da hat sich halt nur mein Anspruch etwas geändert. Ein 'Kleines Mädchen' , das mich in Desirée im Alter von 16 noch verzaubern konnte, wobei ich damals zum ersten Mal das Gefühl hatte, mir die Zeit zur Französischen Revolution vorstellen zu können, wäre heute nicht mehr so geneigt mich zu verzaubern. Damals habe ich zum ersten Mal begriffen, dass nicht nur Könige und Edelleute zu der Zeit lebten, sondern auch normale Menschen. Mit den vielen Romanen, die da folgten und den passenden Recherchen dazu, sollte es schon ein Neues Puzzleteilchen zur Geschichte sein, dass sich heute dazu gesellt.

Durch Dunnett wird man halt etwas verwöhnter in seinen Ansprüchen an historische Romane. Es ärgert mich heute einfach, wenn ich Tapetenromane lese, das hätte ich aufgrund fehlender Erfahrung früher ja gar nicht bemerken können.

Die Entwicklung, dass auch Klassiker interessant sein können, verdanke ich aber auch äußeren Einflüssen. Irgendwann wollte ich mal wissen was Miss Kelly in ‚Email für Dich’ so toll an ihrer Sprache findet. Und habe einfach mal den Sprung gewagt und wurde nicht enttäuscht.

Jane Austen hat mir gezeigt, dass mich meine Vorurteile zu Klassikern manchmal trügen. Ein Klassiker aus JAs Zeit ist für mich mittlerweile interessant, weil die Zeit gefühlsmäßig nicht mehr so weit weg ist, wie früher. Die guten Reclam-Übersetzungen haben gezeigt, dass es ggf. früher nur die hölzerne Sprache war, die mich abgeschreckt haben könnte. Aber ich fürchte, noch viel weiter zurück darf es bei den Klassikern nicht gehen. Es muss immer noch eine gute Geschichte in guten direkten Worten sein, die mich intessiert.
Aber auch Krimis sind ja heute nicht mehr mal so eben zu lesen. Je mehr man über die menschliche Psyche weiß oder über die Technik, um so anspruchsvoller wird man. Ein 10. Aufguss einer Spionagegeschichte rund ums FBI ist nicht gar so prickelnd.

Da ist es die Erfahrung und das eigene Wissen, das sich schon mal störend auswirken kann. Fehler sind da unverzeihlich, und es muss auch im Thriller etwas sein, was mich an den Leuten oder dem Problem fasziniert.

Bei vielem ist es also eine Entwicklung denke ich – mehr Lebens- und Leseerfahrung bringt höhere Ansprüche.

Manches hat man dann irgendwann abgehakt und es interessiert einen nicht mehr. So wie ein Hobby, das man ad acta legt. Es gibt Neues zu entdecken, was nicht heißt, dass man das Strickzeug nach 20 Jahren doch wieder hervorholt *g* und sich wieder an den alten Mustern erfreut. ;)
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Re: Veränderung der Leseinteressen, kennt Ihr das?

Beitragvon steffi » Mi 30. Apr 2008, 21:26

Hallo zusammen !

Dieses Thema finde ich sehr interessant ! Und wirklich sehr treffend, wie Petra es dargestellt hat. Auch Binchen und Britti kann ich nur zustimmen, so ähnlich habe ich es auch erlebt.

Während der Schule habe ich angefangen, sehr gerne Klassiker zu lesen, es waren hauptsächlich russische. Außerdem habe ich mir fast alles von Kafka reingezogen, weil wir Die Verwandlung in der Schule lasen und ich das völlig cool fand.

Danach war ich von Klassikern völlig weg, allein wusste ich gar nicht, was es da alles gibt und was interessant sein könnte. Während der Zeit (immerhin dürften das so an die 15 Jahre gewesen sein) las ich viel SF und Fantasy, also auch mehr Bücher, über die man nicht sooo viel nachdenken muss. Irgendwann merkte ich aber, dass mir irgendwas fehlt, ich konnte nur nicht genau sagen, was.

Und dann kam das Internet, in den ersten Wochen fand ich das Klassikerforum und da gab es tatsächlich Leute, die sich über die Bücher austauschten. Und ich stürzte mich sofort in die Leserunde von Don Quijote - ja, ich wollte damals auch, nach 3 Jahren Kind, wieder geistig mehr gefordert werden und was für mich tun. Und es war einfach klasse !

Inzwischen sind es eben die Klassiker, ab und zu gute Fantasy und historische Romane/Biografien - das ist dann zum Abschalten und ab und zu braucht man ja einen page turner. Ich lese ja immer zwei Bücher parallel.

Mit den Hörbüchern hab ich dann auch Krimis/Thriller für mich entdeckt, die eignen sich für mich prima zum hören !

Und ja, mit jedem weiteren Lebensjahr und jedem weiteren Buch steigen die Ansprüche.
Gruss von Steffi

:lesen:
Wolfgang Reinhard - Die Unterwerfung der Welt ( Langzeitprojekt)
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Re: Veränderung der Leseinteressen, kennt Ihr das?

Beitragvon Barbara » Mi 30. Apr 2008, 21:45

Hallo Ihr Lieben,

erstmal eine Entwarnung an Binchen: Du bist nicht indiskret, da es bei mir keinerlei indiskreten Lebensumstände gibt, die sich in der Auswahl meiner Bücher zeigen könnte.
Aber so ganz verstehe ich Deine Anspielung auf meine Kulturvielfältigkeit und die so ganz anderen Lebensumstände immer noch nicht. Ich habe jetzt viel überlegt, gesucht und in meinem Lesetagebuch geblättert. Aber so Außergewöhnliches habe ich da nicht entdeckt.
Vielleicht magst Du mal genauer beschreiben, welche Bücher Dich dazu verleitet haben, nachzufragen! Dann kann ich Dir auch genauer beschreiben, warum ich es gelesen habe.

Was die Trennung von Entwicklung und Veränderung angeht, so kann ich diese für mich nicht ziehen. Bei mir bedingt sich beides wechselseitig. Wenn ich mich entwickle, egal in welche Richtung, dann verändere ich mich auch zwangsläufig immer zu einem gewissen Grad. Und wenn ich mich verändere, dann folgt auch meist eine Entwicklungsrichtung, in die eine oder andere Richtung.

Ich würde auch niemals Menschen hinsichtlich ihres Lesegeschmacks bewerten, denn ich sehe es ganz genauso: Lesen muss nicht immer der Spiegel des tatsächlichen Intellekts sein. Ich kenne auch sehr intelligente Menschen, die mit Vorliebe Krimis lesen, weil sie eben vom sehr harten beruflichen Alltag völlig wegkommen und abschalten wollen.

Ist bei mir auch nicht anders: In der ersten anstrengenden Phase meines Wiedereinstiegs ins Berufsleben, bei dem ich sehr viel geistig am Schreibtisch zu erledigen hatte, konnte ich plötzlich abends NUR noch Rosamunde oder Inga ertragen. Sogar an Lesen war da nicht zu denken. Jetzt wo sich alles eingespielt und entzerrt hat, kann ich auch wieder lesen: Mein Leseeinstieg war, wie ihr sicherlich noch wisst: Tante Dimity. Und danach, das war aber immer schon so, wechsele ich gerne zu „Anspruchsvollerem“. Die Wechsel zwischen den Genre waren auch immer schon Teil meines Lesens: Romane, Klassiker, Geschichtliches, Biografien und Sachbücher fanden immer schon mein Interesse. Dabei achtete ich nie bewusst darauf, in welcher Umgebung, sprich Kultur das Ganze spielt. Das ist dann meistens gesetzt, weil der Autor es eben hier oder dort spielen lässt.
Du siehst, liebes Binchen, ich war im Grunde immer schon an anderen Kulturen interessiert.

Was die Lebensumstände angeht, so denke auch ich, dass man viel in Büchern verarbeitet und manchmal, wenn man dazu neigt, in gewissen Situationen auch gerade zu bestimmten Büchern greift, weil sie ins eigene Leben passen oder eben helfen das eigene Leben besser zu verstehen. Manchmal wählt man die Bücher auch einfach nur, damit man sieht, anderen geht es auch nicht besser als mir.

Mehr als meine Lebensumstände (sonst würde ich fast nur noch Elternratgeber/Kinderbücher u. ä. lesen), drängt mich mein Wunsch Neues zu erfahren und zu lernen und meinen Horizont zu erweitern. Das ist in meinem Leben auch so. Ich bin generell jemand, der nicht gerne stehen bleibt. Dieser „Trieb“ ist mal stärker und mal weniger stark ausgeprägt.

Liebe Petra, ich sehe das genauso wie Du: Man wird zumindest für den eigenen Geschmack, ein Feinschmecker. Denn was ich als Feinschmeckerei bezeichne, müssen andere nicht ebenso empfinden. Aber, und deshalb finde ich Deinen Vergleich auch so toll, ist es schon so, dass man im Laufe der Zeit wirklich kritischer in seiner Auswahl wird. Und, wer wie wir sich auch noch ständig über Literatur und das Lesen austauscht, macht diese Entwicklung vielleicht schneller durch.
Aber auf jeden Fall wird das Angebotsspektrum einerseits durch die Foren größer, aber durch die eigene Erfahrung und den sehr fruchtbaren und gemeinsamen Austausch selektiere ich weitaus mehr. Wenn hier jemand sagt, das eine Buch ist lesenswert, weil… oder nicht lesenswert, weil…, dann sind dies schon sehr ernst zu nehmende Einschätzungen, die mich auch an Bücher heranführen, die ich alleine vielleicht nicht gewählt hätte oder von Büchern abhalten, die ich vielleicht gewählt hätte. Manches passt dann und manches nicht. Gänzlich daneben gegriffen habe ich aber schon lange nicht mehr.

Was bei mir auch noch hinzu kommt ist, dass ich auch ein Mensch bin, der über alles und jedes/jeden sehr viel, manchmal zu viel nachdenkt. Auch diese Eigenschaft spiegelt sich sicherlich in der Auswahl einiger meiner Bücher wider.

Wenn ich nun mein Leseinteresse Revue passieren lasse, so las ich früher gerne Romane, rein fiktive Romane. Dann gab es auch die Zeit der „Frauenromane“. Der Fischerverlag hatte mal Reihe – Die Frau in der Gesellschaft. Unter anderem veröffentlichte dort auch Frau Heller und Frau Lind.

Auch wenn ich solche fiktiven Romane immer noch gerne lese, so tendiere ich zunehmend zu realen Geschichten: Biografien und Geschichten mit realem Hintergrund. Aber ansonsten bleibe ich meinen Genre treu. Es wechselten weniger die Genre, als mehr die Autoren. Aber auch hier tendiere ich nicht zu bestimmten Autoren. Ich war noch nie der Typ, der von einem Autor alles oder Vieles lesen wollte. Ich sah mehr das einzelne Buch. Aber, ich bin auch nie der Fernsehserienschauer gewesen. Mehr als zwei Teile eines Films nerven mich schon, weil ich dann weiß, dass ich zu einer bestimmten Zeit, schauen müsste. Aufnehmen wollte ich nicht, weil ich es dann auch irgendwann hätte gucken müssen.

Alles in allem ist es so wie Petra *liebwink* schon schrieb: Auch das Leseleben ist unberechenbar. Das ist wirklich ein schöner Gedanken. Und genau das ist das Schöne und Spannende daran. Letztendlich wissen wir noch nicht, wo es uns hinführen mag. Lassen wir uns also genau wie vom richtigen Leben überraschen und bleiben weiterhin für alles offen und vor allem neugierig auf das, was die Literaturlandwelt und noch so bieten wird.
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Re: @ Binchen: Veränderung der Leseinteressen, kennt Ihr das?

Beitragvon Barbara » Mi 30. Apr 2008, 21:50

Liebes Binchen

Barbara hat geschrieben:Dabei achtete ich nie bewusst darauf, in welcher Umgebung, sprich Kultur das Ganze spielt. Das ist dann meistens gesetzt, weil der Autor es eben hier oder dort spielen lässt.
Du siehst, liebes Binchen, ich war im Grunde immer schon an anderen Kulturen interessiert.


Hier hat sich der Fehlerteufel eingeschlichen: Ich meinte, dass ich mich Grunde schon für andere Kulturen interessiere, aber nicht bewusst danach auswähle.
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Re: Veränderung der Leseinteressen, kennt Ihr das?

Beitragvon schlumpfiene » Fr 16. Dez 2011, 18:31

Hi alle zusammen!
Ich hoffe es ist jetzt nicht schlim das ich hir Antworte, weil das ja ein älteres Tema ist. Aber auch bei mir hat sich in den Jahren mein Leseverhalten geändert. Angefangen habe ich mit Horo Büchern und Jahre lang hatte ich nichts Anderes gelesen. Aber mit den Jahren habe ich mich immer wider mal in anderen Genen versucht. Zwar habe ich auch jetzt meine lieblings Genre. Aber wenn mich ein Buch anspricht lese ich das auch, auch wenn es nicht aus meinen Genren ist. Lg Schlumpfine
Ich lese gerade: Das Magdalena Evangelium von Kathleen Mcgowan
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