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Das Lesen / der Leser

BeitragVerfasst: Fr 24. Jun 2011, 23:43
von Petra
Hallo zusammen,

ich bin gestern beim stöbern in Rolf Vollmanns "Romannavigator" in einer seiner Abhandlungen über lesenswerte Bücher auf einen wundervollen Satz gestoßen - das Lesen (und den Leser) betreffend. Ich zitiere:

"Für sehr viele Romane muß man schon ein guter Leser sein, wenn man von ihnen haben will, was sie geben können. Andre, wenige, lehren ein Lesen, das man von selbst nie lernen könnte - sie überzeugen durch einen untrügerischen Glanz."

Ist das nicht ein toller Satz über das Lesen und den Leser (und natürlich auch über die Werke mit besonderem Glanz, die einem die Übung ersetzen)? Mir hat er außerordentlich gut gefallen. Und ich will auch weiter zitieren damit man weiß, um welches Buch es geht:

"Solche Bücher hat Scott Fitzgerald geschrieben, zweimal: zuerst den Großen Gatsby, und ganz am Ende noch einmal diesen Letzten Tycoon, nach Stevensons Herren von Hermiston das überwältigstendste Bruchstück eines unvollendeten Buchs."

In dem Text Vollmanns geht es letztendlich um "Der letzte Tycoon".

Sicher stolpere ich noch öfter über Aussagen, Forschungen u. ä. über das Lesen und/oder den Leser. Deshalb habe ich mal einen eigenen Thread eröffnet. Vielleicht helfen auch andere ihn füllen.

Re: Das Lesen / der Leser

BeitragVerfasst: Sa 25. Jun 2011, 00:27
von Didonia
Oh, ein wahnsinnig interessantes Thema, liebe Petra.

Ich weiß nicht, ob mein Beispiel hier so recht passt, da es mehr um Die Leser / Die Bücher geht:

In dem Buch Sunwise Turn - Zwei Buchhändlerinnen in New York von Madge Jenison, das ich mit viel Genuss gelesen habe, habe ich diese Sätze gefunden:

Bücher sind nicht dazu da, dass man sie schont. Ein Buch ist ein Werkzeug fürs Leben. Ein Denker mag Seiten heraustrennen, wenn er sie braucht, und sie mit sich herumtragen. Ein Kind muss mit einem Buch kommunizieren, so viel es kann - es muss auf dem Fußboden mit ihm leben. Bei all der Komplexität der Dinge, die es zu schätzen und zu bewahren gilt, wird ein Kind garantiert nicht die Faszination von Büchern kennen lernen, wenn man es von ihnen fern hält, weil es ein Blatt herausgerissen hat.

Re: Das Lesen / der Leser

BeitragVerfasst: Sa 25. Jun 2011, 15:49
von Trixie
Hallo alle,

in unserer Zeit und Region haben sich Bücher als Massenware und, sicher auch wie im Zitat ausgeführt, als "Werkzeug" etabliert. Entsprechend ist der Umgang mit diesem Medium etwas lockerer als früher oder andernorts, wo jedes einzelne Buch noch eine Kostbarkeit ist, weil nicht so leicht oder günstig erwerbbar.

Dennoch zieht sich mir immer noch bei jeder Erwähnung von "Seiten aus Büchern herausreißen" regelrecht der Magen zusammen. Als Kunsthistorikerin habe ich die Ehrfurcht vor Büchern (sicher, wir reden eigentlich von Manuskripten und Inkunabeln, nicht von Massenprodukten) sehr schnell gelernt, gleichzeitig leider viel zu oft davon erfahren, wie selbst diese damals so raren und wertvollen Exemplare verstümmelt wurden, weil man aus ihnen Seiten herausgerissen oder besonders gefällige Miniaturen herausgeschnitten hat. Das ist wie eine klaffende Wunde in einem Körper! Und genauso wie mir diese wehtun würde, versetzt mir der Anblick von einem derart "verletzten" Buch einen Stich. Mindestens. Bedingt durch meine traurigen eigenen Erfahrungen in den vielen Fällen, in denen ich nach einem (gar nicht so alten aber vergriffenen) Buch vergeblich über Jahre hinweg suchte und einfach nicht mehr bekam, schätze ich Bücher immer noch sehr hoch ein, und es würde mir daher heute nicht einmal einfallen (und ist es auch nie), aus einem trivialen Telefonbuch eine Seite herauszureißen.

Ein Buch als Kommunikationsmittel, als Werkzeug fürs Leben zu betrachten, ist absolut richtig. Aber gerade deswegen ist das Erlernen des richtigen Umgangs mit diesem Werkzeug und seine Pflege grundlegend. Und als allererstes sollte man lernen, daß ein Werkzeug mit jeder unsachgemäßen Beschädigung etwas von seiner Funktionstüchtigkeit einbüßt, schlimmstenfalls bis es für jeden weiteren Nutzer (Leser) völlig unbrauchbar wird.
Ein wenig zeugt unser Umgang mit Büchern doch schließlich auch von unserer Wertschätzung für ihre Verfasser und Hersteller.

In diesem Zusammenhang und zum eigentlichen Thema "Das Lesen/der Leser" geht mir immer ein Schreiberspruch durch den Kopf, der mir in meinem ersten Semester in einer mittelalterlichen Handschrift unterkam, auch wenn er natürlich von den Gegebenheiten in einer ganz anderen Epoche zeugt:

O glücklicher Leser, wasche deine Hände
und fasse so das Buch an,
halte die Blätter sanft, die Finger weit ab von den Buchstaben.
Der, der nicht weiß zu schreiben,
glaubt nicht, dass dies eine Arbeit sei.
O wie schwer ist das Schreiben: Es trübt die Sinne,
quetscht die Nieren und bringt zugleich allen
Gliedern Qual. Drei Finger schreiben,
der ganze Körper leidet.


Gruß,
Trixie

Re: Das Lesen / der Leser

BeitragVerfasst: Fr 1. Jul 2011, 11:17
von Petra
Hallo zusammen,

auf einer Internetseite ist der Text :arrow: "Über das Lesen" von Hermann Hesse zu lesen. Ich möchte nicht versäumen, diesen hier zu verlinken.

@Trixie: Du hast einen ganz tollen Beitrag über den Umgang mit Büchern geschrieben. Denn diese Verantwortung liegt bei uns Lesern. Und auch wenn ich oft belächelt werde für meinen doch sehr peniblen Umgang mit Büchern, und auch wenn ich selbst manchmal denke, es ist vielleicht übertrieben, so weiß ich doch, dass ich es (für mich) richtig mache. Und Dein Beitrag steuert ganz viele Gründe bei, warum es richtig so ist.

Wertschätzung an die Verfasser und Verleger. Erhalt etwas wertvollem. Der Sinn ist nicht mehr so offensichtlich, da ein Buch heute doch viel mehr Massenware ist (das hast Du auch sehr richtig einbezogen). Aber auch heute geht es uns noch so, dass wir an ein Buch nicht mehr herankommen, obwohl es erst ein paar Jahre (oder wenige Jahrzehnte) auf dem Markt ist.

Ich fand es sehr bereichernd, Deine Ausführungen zu dem Thema zu lesen. Wenn ich sie auch nicht benötige, um mir einen pfleglichen Umgang mit Büchern abzuverlangen. Denn das passiert bei mir ganz automatisch. Ein Knick im Buch, schmerzt mich z. B.. Aber beim aussortieren von Büchern werde ich Deinen Beitrag beherzigen. Auf jeden Fall ein neues zu Hause für meine Bücher suchen, und keines entsorgen (musste ich wegen der Schimmelsache ja leider mal).

Auch der zitierte Schreiberspruch ist ganz toll!

@Didonia: Auch Deinen Beitrag fand ich sehr interessant. Es zeigt die gegensätzliche Sichtweise auf. Ich finde selbst zwar schon, dass man Bücher schonen darf, akzeptiere aber auch, wenn jemand sie verschleißt. Hauptsache sie werden gelesen. Aber ob man unbedingt Seiten herausreißen muss, weiß ich nicht. Zumindest heute nicht mehr, wo es Scanner oder Kopierer gibt.

Was ich aber auf jeden Fall einen guten Gedanken finde, ist der Umgang von Kindern mit Büchern. Sie fern halten, weil sie sich mal einem Buch gegenüber etwas haben zu Schulden kommen lassen, ist bestimmt keine gute Idee.

Vielleicht hilft das technische Zeitalter, einen gesunden Mittelweg zu finden. Bücher (somit Gedankengut) bleiben zugänglich, wenn sie als ebook erhältlich sind (für mich ein großer Vorteil, den ebooks bieten).

Trotzdem: Ich für mich bleibe bei einem sehr pfleglichem Umgang mit Büchern, und habe nie das Gefühl, mich dafür irgendwie anstrengen zu müssen. Im Gegenteil, mir macht das lesen durch meinen Tick weniger Spaß, wenn ich sie beschädigt habe.