Hallo Maria,
danke für diese Info. In "Zärtlich ist die Nacht" scheinen die Menschen zwar auch gemächlich, den Tag auf sich zukommen lassend, aber auch eine gewisse Erlebnissucht, Aufgeregtheit, dass etwas passiert, das den Tag prägt, verspürt man darin. Dieser Wechsel meinte ich mit Tempo, aber es ist nicht der richtige Ausdruck.
Vielleicht weil das Leben eigentlich so ereignislos und oberflächlich ist, gieren die Menschen nach Aufregung, Sensation. Das empfinde ich in "Der große Gatsby" ähnlich, auch wenn es da leise angedeutet ist. Aber es schwingt durchaus mit, und macht die Atmosphäre so glaubhaft.
JMaria hat geschrieben:Zitat:
liest es sich für mich nicht so leicht und locker. Warum das so ist, kann ich noch nicht ergründen
ja, so ging es mir auch und ich hoffe du kannst es noch ergründen.
Jedenfalls fand ich das Reinlesen zwar etwas erschwerend, aber interessant. Ich glaube schon, dass ich mit seinem Stil klarkomme.
Interessant dass es Dir auch so geht. Ich habe weiter in mich hineingehorcht, und komme dem vielleicht auf die Spur. Manche Sätze scheinen in ihrer Formulierung nicht ganz stimmig. Die Bilder bleiben dadurch manchmal nebulös. Einerseits wird Fitzgeralds Stil dadurch besonders, andererseits aber auch merkwürdig.
Ich gebe mal zwei Beispiele:
Mit ausgebreiteten Kotflügeln streuten wir Licht durch halb Astoria - nur halb, denn als wir uns zwischen den Pfeilern der Hochbahn hindurchschlängelten, hörte ich das charakteristische "Pfut-pfut-paff" eines Motorrads, und ein aufgebrachter Polizist holte uns ein. (Seite 88)
Das Sinnbild mit den
ausgebreiteten Kotflügeln scheint mir nicht ganz stimmig. Es wird nicht so ganz klar, wie er das meint. Es ist ein wenig merkwürdig ausgedrückt.
Oder:
"Ein Toter in einem mit Blumen überhäuften Leichenwagen zog an uns vorbei, gefolgt von zwei Wagen mit heruntergezogenen Rouleaus und ein paar fröhlicheren Gefährten für die Freunde. Die Freunde schauten mit den traurigen Augen und schmalen Oberlippen Südosteuropas zu uns heraus, und ich war froh, daß ihr düsterer Feiertag nun den Anblick von Gatsbys funkelndem Wagen einschloß. (Seite 89)
Auch im Zusammenhang werden die Bilder nicht klarer. Denn beiden Szenen geht voraus, dass Nick (der Erzähler) und Gatsby im Auto sitzen. Die Straße scheint einsam und verlassen.
In der zweiten Szene findet sich sowohl einer der Sätze, bei denen mein Herz höher schlägt, als auch einer, der mich irritiert. Fitzgerald findet so besondere Worte für die Schilderung des vorbeiziehenden Leichenwagens, in dem er den Toten voranstellt
(ein Toter zog an uns vorüber). Das gefällt mir sehr! Und dann folgt wieder ein für mich etwas unscharfes Bild, denn mir wird nicht klar, warum der düstere Feiertag (die Beerdigung) der Südosteuropäer den Anblick von Gatsbys funkelndem Wagen einschloss. Eigentlich ist es nicht der düstere Feiertag, sondern der düstere Leichenzug, der Gatsbys funkelnden Wagen einschloss.
Aber wie gesagt, er beschreibt einiges indirekter, und somit wird einiges undeutlicher und weniger glatt, da man beim lesen darüber nachdenkt, was an dem Satz oder Szene einem unstimmig erscheint, oder sich einem nicht direkt erschließt.
Dann folgen aber wieder einige Seiten, in denen der schlichte Stil die Oberhand hat. Insgesamt ist der Erzählstil nicht glatt. Und das ist wahrscheinlich auch damit gemeint, dass man Fitzgeralds Vorlage in der Übersetzung nicht zu sehr glätten sollte. Denn es würde ihm die Besonderheit nehmen.
Was meinst Du dazu, Maria? Findest Du darin auch Deine Gedanken zu den ersten Seiten von "Zärtlich ist die Nacht" wieder? Falls ja, würde uns das der Lösung näher bringen.