Hallo Maria,
JMaria hat geschrieben:Interessant ist auch, wie deutlich auch die Rolle der Frau in der damaligen Zeit zutage tritt. KKK Kinder Kirche Küche. Und das schon so knapp nach dem Kriegsende. Aber die 50er Jahre haben so ein Saubermacher-Image, Frauen schön frisiert, aber mit Schürze, so wird es in damaliger Werbung und Film gerne dargestellt.
Ich muss mich immer erinnern, in welcher Zeit M. M. Kaye dies schrieb.
Ich denke, die Frauen selbst haben dieses Lebensbild nach den Kriegsjahren, in denen für so einen relativ beschaulichen Alltag -sowohl auf Seiten der Engländer wie der der Deutschen- weder Zeit, Raum noch die Möglichkeiten vorhanden waren, gerne angenommen. Statt in der Rüstungsindustrie oder bei der "Land Army" (über diese habe ich jetzt z.B. erstmals durch meine aktuelle Lektüre von Kate Kingsburys
A Bicycle Built for Murder erfahren) zu schuften oder Nahrung und Kleidung für die Familie irgendwie "organisieren" zu müssen, war es in den 50ern sicher eine unglaubliche Erleichterung und Wohltat, Besorgungen leicht und schnell erledigen zu können, Kriegsruinen gegen sicheren und sauberen Wohnraum oder womöglich sogar die eigenen vier Wände zu tauschen, nicht in ständiger Sorge um die Familie zu leben und dann sogar noch etwas Zeit für sich selbst und einige "schöne" Dinge des Lebens zu haben. Speziell in Deutschland lassen sich dadurch ja auch die enorme Beliebtheit und der Erfolg erklären von Heimatfilmen und anderen "Heile-Welt"-Darstellungen in Film, Buch und Groschenromanen. Die Leute hatten von Auseinandersetzungen die Nase voll, und für einen Geschlechterkampf um ein modernes Bild der Frau, mit einem neuen Rollenbild und viel mehr Rechten als zuvor, hatte wohl erst einmal kaum jemand die Energie.
Ich mußte mich während des Lesens nicht ausdrücklich daran erinnern, wann der Roman spielt und geschrieben wurde. Das Setting in Westdeutschland in den 1950ern war mir eigentlich immer präsent, vielleicht, weil ich immer sehr viele Filme aus dieser Dekade ansehe und mir die Zeit mit vielen ihrer Eigentümlichkeiten -wenn auch nicht aus persönlicher Erfahrung- nicht ganz so befremdlich ist.
Ich habe
Death in Berlin inzwischen ausgelesen. Es war diesmal doch ein besonderes Leseerlebnis, weil ich den Roman zum ersten Mal noch in den 1980ern gelesen hatte, und damals viele (andere) Gegebenheiten Ähnlichkeiten und Bezüge zu der Zeit der Handlung aufzeigten als heute, 25 Jahre nach der Wiedervereinigung, die meine Sicht beim Lesen beeinflußten: ein geteiltes Deutschland, ein Berlin in Zonen (wenn auch noch nicht durch eine Mauer getrennt), das Schreckgespenst Sowjetunion gegen die Schutzmächte der Alliierten... Heute ein wiedervereinigtes Deutschland, Berlin wieder
eine Stadt ohne Paßkontrolle und Grenzübergang, dafür eine aufgelöste Sowjetunion. Es ist erstaunlich, wie die Leseerfahrung tatsächlich von den äußeren Umständen abhängt, der Situation, in der man ein Buch liest.
Jedenfalls danke ich dir, daß ich bei unserem gemeinsamen Lesen diese neue Erfahrung bei einem altbekannten Buch machen konnte!
Gruß,
Trixie