Hallo ihr Lieben,
ich habe mich diese Woche schwer getan, mir ein neues Buch für tagsüber auszuwählen. Ich hatte mich gedanklich auf einen bestimmten russischen (modernen) Klassiker eingestellt, doch zusammen mit dem „Zauberberg“ schien mir das nicht ganz passend. Aber von meinen Leseplänen wollte ich mich von meinem unverhofften Aufenthalt auf dem Zauberberg ja nicht abhalten lassen. So griff ich doch zu:
“Doktor Shiwago“ von
Boris Pasternak. Der Anfang ist wunderschön. Sprachlich eine Einladung! Doch dann wurde es erst mal schwierig. Ich war darauf eingestellt, dass mich viele Figuren erwarten, viele russische Namen, in vielen Abwandlungen. Damit hatten vor mir schon andere Leser Schwierigkeiten. Aber es war extremer als ich befürchtet hatte. Hinzu kommt, dass sich der Inhalt kurz nach dem Anfang beginnt etwas hinzustrecken. Er verteilt sich auf verschiedene Schaufelder, und es fällt schwer, sich ganz hineinfallen zu lassen. Zum Glück entschied ich mich, weiterzulesen. Ich haderte mit mir, denn so schön es einerseits ist, sich zeitlich in derselben Zeit wiederzufinden, wie auch auf dem Zauberberg (beide Romane beginnen vor dem Ausbruch des ersten Weltkriegs und beide beschäftigen sich mit der Verfassung Europas, Pasternaks Roman ganz explizit mit der Lage Russlands in der Zeit des ersten Weltkriegs, der Oktoberrevolution 1917, dem Bürgerkrieg danach, aber auch die Zeit davor, der Roman beginnt 1903), so verwirrend ist es teils auch. Z. B. wusste ich gestern Abend nicht mehr, in welchem der beiden Romane Tolstois „Kreutzersonate“ gelesen wurde, da sowohl in Pasternaks Roman Tolstoianer auftauchen (und Tolstois Gedankengut), als auch im Zauberberg (Settembrini erachtet die Musik als politisch verdächtig). Ich habe nachgeschaut, es war in „Doktor Shiwago“. Juri Shiwago, Tonja und Mischa lesen die Novelle. Einerseits faszinierend, dass die beiden Bücher sich stellenweise kreuzen, andererseits verwirrend.
Nach einem holprigen Start (ich habe im Laufe der Woche mehrmals mit mir gehadert, das Buch wieder wegzulegen, jedoch hatte ich schon zu weit rein gelesen; erfahrungsgemäß hat es solch ein Buch dann schwer bei mir noch mal in Angriff genommen zu werden, und das hätte ich bei dem Roman schade gefunden. Ist es doch eines der Bücher, die ich gerne gelesen haben möchte), hab ich dann heute mit Ruhe und Genuss weitergelesen, und stelle fest, dass die Namensverwirrung etwas nachlässt, je vertrauter einem die wichtigsten Figuren werden, und man sie besser von Randfiguren (die alle beim Namen genannt werden, was es so undurchsichtig werden lässt) unterscheiden kann. Auch inhaltlich wird die Geschichte ruhiger und nun auch fesselnd. Die Beschreibungen der winterlichen Umgebung hat mich inzwischen ein zweites Mal verzaubert. Ein Genuss! Ebenso die Schilderung einer weiteren Begegnung Juris (dem späteren Doktor Shiwago) mit Lara. Sehr poetisch beschreibt Pasternak die schicksalsträchtige zweite Begegnung, indem er zunächst das Fenster beschreibt, hinter dem Lara sitzt, um später dieses Fenster noch mal von außen zu beschreiben, als Juri und Tonja zu diesem Haus fahren.
In meinem Bestand habe ich auch noch ein Hörspiel zu „Doktor Shiwago“. Darauf freue ich mich schon im Anschluss; ich habe es direkt schon mal auf meinen iPod geladen.
Ein Störfaktor bei der Auswahl des neuen Buches war im Übrigen auch mein noch nicht beendetes ebook. So habe ich das diese Woche auch mal mit auf meine Bahnfahrten genommen, um es zu Ende zu lesen, und mich auf die beiden Klassiker konzentrieren zu können. Denn ein drittes Buch neben zwei so komplexen Romanen wurde mir zu viel. Das hat mir auch noch mal geholfen, mich nun auf „Doktor Shiwago“ richtig einlassen zu können. Zu dem beendeten ebook kann ich sagen, dass mir
“Inspektor Jury spielt Domino“ gefallen hat! Ein gut durchdachter Mordfall, mit einer schlüssigen und intelligenten Lösung. Besonders gefallen hat mir aber eine Nebenfigur: Bertie, ein allein lebender Junge (seine Mutter ist für länger „verreist“, eigentlich beginnt sie ein neues Leben und hat ihren Jungen sich selbst überlassen) und sein Hund Arnold. Den beiden wäre ich zu gern in späteren Bänden wiederbegegnet. Aber eine Recherche zeigt, dass das wohl ein Wunsch bleibt. Ich habe die Szenen mit den beiden in diesem Buch jedenfalls sehr genossen. Schön war auch, dass der Krimi im Winter spielt, sowas habe ich ja immer gern passend zur Jahreszeit.
Ich hatte schon feste Pläne für einen weiteren Krimi im Anschluss. Da ich jetzt jedoch erst mal nur die beiden Klassiker lese (praktischer Weise habe ich beide als gebundene Ausgabe und zusätzlich als ebook, so dass ich sie wahlweise nachts im Bett auch über meinen Kindle weiterlesen kann), muss der warten. Er spielt im Februar. Ich lese sowas dann gern auch im entsprechenden Monat (ein Spleen). Aber da ich mich nun auf „Doktor Shiwago“ konzentriere, und nebenher immer wieder auf dem „Zauberberg“ einkehre, werde ich den Krimi vielleicht noch Ende Februar anfangen können. Ein schöner Kompromiss, den ich da mit mir geschlossen habe.
Dadurch dass ich mich so schwer tat mit dem reinkommen in „Doktor Shiwago“, musste ich einen Tag Pause einlegen mit meinen Besuchen auf dem
"Zauberberg". Doch gestern, nachdem sich die Leselage klärte, kehrte ich wieder ein, mit demselben Vergnügen wie zuvor. Davon berichte ich parallel im Thomas Mann-Thread. Damit es nicht doppelt ist, verlinke ich
hier zu der Stelle in dem Thread, wo ich von meinen aktuellen Eindrücken berichte. Was für ein Vergnügen! Er hat mit mir nun eine Bewunderin mehr. Je länger ich auf dem Zauberberg verweile, umso mehr Eindrücke gewinne ich. Von den Figuren, aber vor allem auch von Thomas Manns Kunst!
Oh ja, Steffi, die Atmosphäre im Zauberberg ist besonders, und sie greift über. Macht für mich entschieden den besonderen Reiz an dem Roman aus.
An anderer Stelle habe ich gelesen, dass sich schon einige Interessenten für eine gemeinsame Leserunde zu Thomas Manns
„Der Tod in Venedig“ gefunden haben. Ich möchte nicht zu viel versprechen, denn ich möchte mir keinen Druck machen, lesen zu
müssen wenn ich zugesagt habe. Aber ich kann so viel verraten: wenn ihr beginnt, bin ich leicht verführbar! Denn gestern habe ich fast den gleichen Fehler gemacht wie schon beim Zauberberg. Ich habe in die Novelle reingelesen. Und hätte mich gleich an Gustav Aschenbachs Fersen heften können! Wie macht Thomas Mann das nur? Der hat mich!
Es ist ja auch nur eine relativ kurze Novelle. Das macht mich zuversichtlich, dann zeitnah mit euch lesen zu können.
Auch neugierig geworden bin ich auf „Der Tod in Venedig“ durch eine bezaubernde Stelle in „Der Zauberberg“, auf die ich in meinem (oben verlinkten) Beitrag im Thomas Mann-Thread eingehe. Er benutzt darin ein ganz ähnliches Motiv.
Kessy, dass dich die Manns auch gerade so erwischt haben (wenn auch von ganz anderer – biografischer – Seite), freut mich sehr! Ebenso, dass du schon an uns erinnert wurdest, da der Zauberberg Erwähnung fand. Danke für deinen Bericht, ich halte
“Die Manns – Geschichte einer Familie im Auge. Denn die Manns faszinieren – nun auch mich!
Josie, dass du selbst bei
“Eis“ von
Ulla-Lena Lundberg an uns auf dem Zauberberg erinnert wirst, als es auch dort um die
Zeit geht, ist wunderbar! Ebenso wunderbar ist, dass ich mich durch deine Beschreibungen zurückerinnern kann an meine Zeit auf den Örar-Inseln. Dass du dich besonders mit der rastlosen Pfarrersfrau identifizieren kannst, freut mich ebenfalls. Eine Figur, die ich nie vergessen werde. Und mehr als nur eine Figur. Denn die Geschichte beruht ja auf einer wahren Lebensgeschichte. Eines der Kinder in den Roman ist letztlich die Autorin. Zu klein damals, um das selbst zu erinnern. Aber sie erzählt in dem Roman, was sie erzählt bekam. Und ein schönes Gefühl, sie schon dort zu wissen – bei den Pfarrersleuten. Danke für deinen Bericht, liebe Josie! Das genieße ich! Und ich freue mich sehr, dass ich sowohl dich als auch Maria mit meinen Beschreibungen letztes Jahr angefixt habe.