von Petra » Sa 26. Jan 2019, 15:08
Inzwischen habe ich fast die Hälfte von “Im Kern eine Liebesgeschichte“ gelesen, und möchte berichten. Ich bin zugegebener Weise skeptisch an das Buch heran gegangen. Eichhörnchen und Versprechen der hinter der vergnüglichen Geschichte liegenden Themen lockten mich.
Doch oft habe ich es in Unterhaltungsromanen so erlebt, dass der Autor versucht tiefgründige Themen in eine unterhaltsame Story einzubauen, um dem Buch ein bisschen Tiefe zu geben. Was auf mich zumeist sehr gewollt, aber wenig gekonnt wirkt.
Elizabeth McKenzie hingegen verwendet die amüsant-groteske Bühne ihres Romans dazu die Themen, um die es ihr eigentlich geht, zu installieren.
Ein nur feiner aber für mich entscheidender Unterschied.
Ihre Themen sind:
- Sich von den Eltern lösen wollen.
- Der ewige Wunsch sich aus familiären Fesseln zu befreien und dem ewig währenden Unvermögen dies gänzlich zu tun. Sowie die unsichtbaren auferlegten Fesseln durch in der Kindheit angeeigneter Verhaltensmuster.
- Und schließlich wie Eltern unser Verhalten prägen.
- Werte (Veblens, besonders aber Pauls)
Zum Thema Werte gab es eine Schlüsselszene, in der Paul sich und seine Werte für den Erfolg verrät. Und wie es ihn im tiefsten Inneren selbst anwidert, aber das Spiel weiter spielt, um die Rolle auszufüllen, in der er beruflich ist, in die man ihn befördert hat, und die er sich selbst gewünscht hat (die Gründe für den Wunsch sind wiederum darin zu finden, dass Paul unbedingt ein anderes Leben anstrebt, als dass das seine Eltern führen).
Auch eine Szene, in der er erkennt, dass nicht er eine Frau für seine Karriere günstig eingespannt hat, sondern tatsächlich er es war, der benutzt wurde, auf der ganzen Linie.
Besonders berühren mich die Szenen aus Veblens Kindheit, in der deutlich wird, wie sie Stimmungen auslotet und ausgleicht, und wie ihre hypochondrische, hysterische und manipulative Mutter und ihr psychisch unstabiler Vater ihr dieses Verhalten auferlegen. Und welche Auswirkungen das noch auf die erwachsene Veblen hat.
Auf den ersten Blick ein Unterhaltungsroman, eine romantische Komödie. (Wobei es an der Romantik fehlt, was sich auch im Titel widerspiegelt, denn es ist halt nur im Kern eine Liebesgeschichte.) Auf den zweiten (genaueren) Blick ist es eine gut beobachtete psychologische Familiengeschichte. Auch sprachlich ist es erfreulich niveauvoll; dem Ton des Romans entsprechend vergnüglich und locker, aber sehr gewandt und nicht ohne Intelligenz.
Man sollte aus dem Roman nicht zu viel machen. Aber diesen feinen Unterschied bemerke ich zu meiner zunehmenden Freude. Und Elizabeth McKenzies Themen interessieren mich stark. Wie schon in dem Roman "Heiße Milch". Ich bin eigentlich ein Freund des Unterschwelligen, doch hier gefällt mir der direktere Weg von Elizabeth McKenzie sogar noch besser als der doch sehr subtile von Deborah Levy in "Heiße Milch", da blieb mir zu vieles in der Schwebe, das Thema wie eine schwierige Mutter sich auf die Entwicklung der Tochter auswirken kann, blieb dort stellenweise undeutlich.
Ich lese „Im Kern eine Liebesgeschichte“ mit zunehmendem Vergnügen und Interesse! Übrigens, der Roman stand auf der Longlist des National Book Award.
@Trixie @Josie: Trixie, du hast die Vorzüge von M. M. Kaye so schön hervorgeholt, ich kann das absolut unterschreiben! Und freue mich, dass auch in ihren anderen Krimis (und Romanen) genau das zu finden ist. Den weihnachtlichen Krimi an exotischem Ort habe ich bereites, allerdings unter einem anderen Titel – „Nacht über den Inseln“. Gekauft damals auf deine Empfehlung hin, und für die Weihnachtszeit seitdem vermerkt. Durch die Lektüre von „Vollmond über Kaschmir“ hat es an Dringlichkeit gewonnen. Ebenso die anderen beiden auf deine Empfehlung hin vor langer Zeit gekauften Titel „Tod in Kenia“ und „Es geschah auf Zypern“. Da die Bücher vergriffen sind (und es unverständlicher Weise keine ebook-Ausgaben gibt) bin ich umso glücklicher, dass ich damals als du sie mir ans Herz legtest, in neuwertigem Zustand erwerben konnte.
Josie, ja, ich freue mich auf weitere Bücher von M. M. Kaye, und bin froh, dass ich damals einige erworben habe, als Trixie mir diese empfahl, und ich so gute Exemplare ergattert habe!
Trixie, deine literarischen Aufenthaltsorte sind auch exotisch und vielseitig. Das freut mich! Und nach „Tod am Semmering“ mit Agatha Christie weiter zu machen, ist bestimmt eine gute Idee. Wir haben übrigens etwas gemeinsam: ich höre gerade einen Agatha Christie-Krimi, „Der blaue Express“.
Steffi@: Ich bin ausgesprochen gespannt darauf, wie dir „Die Terranauten“ gefallen wird. Berichte bitte. Der Roman interessiert mich auch, ich bin jedoch noch unschlüssig. Das Thema finde ich sehr interessant, und es scheint wie für T. C. Boyle gemacht. Aber seine neueren Romane hinken den früheren ja meist etwas hinterher, und ich habe noch einige von seinen älteren zu entdecken. So möchte ich mit Bedacht entscheiden. Vielleicht kannst du mir bei meiner Entscheidung mit deinen Eindrücken helfen.
„Konklave“ klingt auch interessant. Danke für deinen Bericht, ich habe ihn mit Interesse verfolgt.