Nachdem ich Anfang des Jahres „Was ich sonst noch verpasst habe“ begeistert gelesen hatte, bin ich nun zu weiteren Erzählungen von
Lucia Berlin zurückgekehrt. Wie schon im vorherigen Band halten auch in
Was wirst du tun, wenn du gehst die variierenden Namen nicht davon ab, Lucia Berlin und andere Personen darin wiederzuerkennen. Antje Ràvic Strubel beschreibt es in ihrem Nachwort sehr passend; Orte und Figuren tauchen in Lucia Berlins Geschichten mehrmals auf, oft leicht verändert. In manchen Figuren ist ein Schatten einer anderen Figur zu erkennen. Antje Ràvic Strubel schreibt: „Sie sehen anders aus, tragen andere Namen, begegnen uns zu einer anderen Zeit. Die Figur aus einer Geschichte scheint in der Figur einer anderen flüchtig auf oder tritt uns zu einem anderen Zeitpunkt ihres Lebens gegenüber.“ Das macht Lucia Berlin auf unvergleichliche Weise. Spannend, den Blick in den Geschichten umherschweifen zu lassen und Ausschau nach ihr zu halten. So viele Facetten ihres Lebens sehen wir auf diese Weise. Ihre Person und ihre Erlebnisse und Erfahrungen berühren mich auf eine sehr tiefe Weise. Die titelgebende Geschichte („Was wirst du tun, wenn du gehst“) empfand ich als besonders intensiv. Aber eigentlich sind sie das alle.
In diesem Band haben die erste und die letzte Erzählung das
Schreiben zum Thema. Auch das sehr interessant. Zumal wenn jemand wie Lucia Berlin, die es selbst so meisterhaft konnte, darüber reflektiert. Darin wurde ich auch auf die Erzählung „Das Rettungsboot“ (auch „Das offene Boot“) von Stephen Crane aufmerksam. Ich habe gleich nachgesehen, es gibt diese und ein paar andere Erzählungen in einem Band der im Mare Verlag erschienen ist.
Dass Lucia Berlin erst 10 Jahre nach ihrem Tod wirklich entdeckt wurde, scheint mir unbegreiflich. Ich bin für diese (späte) Entdeckung jedoch sehr dankbar. Lucia Berlin fasziniert mich!
So habe ich als nächstes gleich auch
“Welcome Home“ von
Lucia Berlin begonnen. Sie beschreibt darin Orte ihres Lebens. Auch viele Fotos sind enthalten. Ebenso Briefe. Ein merkwürdiges Gefühl ihr (und ihrem wirklichen Leben) auf diese Weise nahe zu kommen. Man spürt sie deutlich in ihren Erzählungen, und rückt ihr in diesem biografischen Text noch mal näher. Ich bin ihr sehr gerne nah. (Wie schön, dass ich den letzten Erzählband „Abend im Paradies“ noch vor mir habe.)
Eine kleine Anmerkung möchte ich auch noch zu
Elizabeth Strouts „Die langen Abende“ nachholen. Zum Schluss des Buches begegnet Olive einer alten Dame namens Isabelle und befreundet sich mit ihr. Isabelle erzählt ihr von ihrer Tochter Amy. Die Namen kamen mir so bekannt vor, so dass ich mich vergewisserte. Es handelt sich dabei um die Figuren aus Strouts Roman „Amy & Isabelle“. Ich mag solche Verwebungen.
JMaria hat geschrieben:Interessanter Tipp der Erzählband „Die kleinen Widrigkeiten des Lebens“, den ich mir notiert habe. Die Autorin ist mir gänzlich neu.
Das freut mich, dass ich dich auf Grace Paley aufmerksam machen konnte! Eine (in Deutschland) späte aber umso dankenswertere Entdeckung. Die anderen beiden Bände ("Ungeheure Veränderungen in letzter Minute" und "Am selben Tag, später") werde ich mir auch gönnen.
Didonia hat geschrieben:Die Lügen der Frauen von Ljudmila Ulitzkaja habe ich beendet. So langsam finde ich Gefallen an Kurzgeschichten. Bisher mochte ich sie nicht, aber dies ist dieses Jahr schon das dritte Kurzgeschichten-Buch, das mir gefallen hat. Die Autorin notiere ich mir. Von ihr möchte ich noch etwas lesen. Diese wunderbaren Geschichten haben mich daran erinnert, warum ich in jungen Jahren so gerne russische Autor*innen las. Ihren Geschichten haftet etwas an, das man nicht in Worte fassen kann.
Mit Kurzgeschichten konnte ich früher auch nie etwas anfangen. Mittlerweile habe ich ein richtiges Faible dafür entwickelt. Besonders sprechen mich Kurzgeschichten an, die Berührungspunkte haben, und dadurch miteinander (wenn auch ganz lose) verbunden sind. Gerade in diesem Jahr habe ich oft zur kurzen Form gegriffen. Die Entdeckung für mich ist Lucia Berlin (die ich gerade auch wieder lese). Sie fasziniert mich ganz besonders. Elizabeth Strout begeistert mich ebenfalls sehr mit ihren Geschichten rund um Lucy Barton und rund um Olive. Zudem habe ich kürzlich Grace Paley für mich entdeckt; auch sehr bemerkenswert!
Somit triffst du mit Ljudmila Ulitzkaja genau meinen Nerv. Ich werde mir ihre Bücher anschauen. Und es freut mich, dass auch du die kurze Form immer stärker für dich entdeckst.
steffi hat geschrieben:Petra, ich musste grinsen, als du über Myrtle berichtet hast, ich kann mir vorstellen, dass sich das sehr amüsant liest. Bitte berichte weiter !
Ich bin fast fertig mit Ein amerikanischer Alptraum - spannend, wie Ellroy die Zeit nach Kennedys Ermordung beschreibt. Sein Stil ist sehr knapp und kurz, aus der Sicht der drei Protagonisten, dazwischen Einschübe von Protokollen und Schlagzeilen. Dadurch bleibt man dicht dran an den Geschehnissen.
Mache ich gern. Myrthle ist wirklich amüsant.
Und du machst auf James Ellroy Lust, ebenfalls auf Sibylle Lewitscharoff.
Bonny hat geschrieben:Auf dem Kindle lese ich natürlich nach wie vor Die Wurzeln des Lebens. Noch bin ich nicht über den ersten Teil hinaus, gerade bin ich bei der Vorstellung des letzten Charakters, Olivia Vandergriff. Die einzelnen Menschen, die Kapitel für Kapitel vorgestellt werden, sind sehr unterschiedlich und ihre Leben sehr interessant. Zwischendurch schimmert schon mal ein EIndruck davon durch, wie ihre Leben miteinander verwoben werden, und ich bin sehr gespannt, wie es weitergeht, wenn man alle kennengelernt hat. Mein Lesetempo ist halt auch hier nicht schnell, aber ich bleibe dran und möchte es ja auch auf mich wirken lassen und nicht einfach so "runterlesen". Dafür erscheint es mir zu wertvoll.
Ich finde auch, dass man sich mit dem Buch Zeit lassen kann und sollte. Es steht so vieles darin, was (be)merkenswert ist. Es wäre schade es unbewusst herunterzulesen. Dass du nun alle kennengelernt hast, ist schön, und dass du schon ein wenig erahnen kannst, wo sie sich ihre Leben berühren könnten. Viel Freude beim weiterlesen! Und Danke für deinen Bericht, ich habe mich sehr gefreut.