Hallo alle,
Ich lese gerade
Das ZImmer der roten Witwe von
John Dickson Carr und muß jetzt ausgerechnet diesen Titel, an den ich mit so viel Freude herangegangen bin, zu der größten Enttäuschung meines bisherigen Lesejahres erklären.
Das liegt nicht an dem Krimi von Carr selbst, den kannte ich schließlich schon von einer spanischen Ausgabe und fand die Geschichte damals sehr gut. Nein, es liegt ausschließlich an der deutschen Ausgabe, die ich mir vor ein paar Tagen voller Begeisterung gekauft habe. Leider habe ich auf ein Reinlesen vor dem Kauf verzichtet, dann wäre mir nämlich ziemlich bald die Erkenntnis gekommen, daß da etwas nicht ganz stimmen kann:
Als ich dann vor einigen Tagen mit dem Lesen begann, kam mir die deutsche Übersetzung schnell etwas "leichter" vor als ich es von der spanischen Ausgabe in Erinnerung hatte, das schob ich aber zunächst auf die Tatsache, daß sich natürlich in der Muttersprache leichter liest als in einer Fremdsprache, egal wie gut man jene beherrschen mag. Und es lag auch schon ein paar Jahre zurück, ich konnte es falsch in Erinnerung haben. Aber spätestens in Kapitel 2, als Carrs Protagonist als Sir
Stanley Merrivale eingeführt wurde, glaubte ich, nicht recht zu lesen! Erst vermutete ich einen Druckfehler, doch das zieht sich durchs ganze Buch, ist also wohl Absicht. Worum man die Hauptfigur einer ganzen Krimireihe statt "Henry" in "Stanley" umbenennen mußte, entzieht sich meiner Vorstellungskraft, aber es stärkte nun meinen Verdacht, daß hier die Übersetzung ganz gewaltig schiefgegangen ist.
Ich habe also meine spanische Ausgabe zu Rate gezogen und mir online eine englische Originalfassung gesucht, in die ich reinlas: Und ja, es fehlen tatsächlich ganze Absätze aus dem ursprünglichen Text in der deutschen Übersetzung, die, wie ich vermute, noch nicht einmal aus der Gegenwart oder jüngeren Vergangenheit stammt, sondern offenbar auf einer Jahrzehnte alten Übersetzung basiert, mindestens aus den 1970ern, wenn nicht noch früher! Und in früheren Jahrzehnten -weiß ich aus leidvoller Erfahrung (ich denke nur an Kayes "Schatten über dem Mond", das Maria und ich vor ein paar Jahren lasen)- wurde in deutschen Verlagen gerne fremdsprachige Literatur zerstückelt und verunstaltet, bis oft nur noch das fürs Verständnis absolute Minimum existierte.
Ich bin jetzt maßlos wütend, denn eigentlich wollte ich mit meinem Kauf einen "lobenswerten" Versuch unterstützen, ältere Kriminalliteratur in deutscher Übersetzung für Leser wieder erhältlich zu machen. Aber
so geht das natürlich nicht. Und was mich noch mehr ärgert, ist der Zusatz in der Buchbeschreibung "Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME."
Durchgesehen? Mag sein, aber was genau haben sie durchgesehen? Die Übersetzung von 19hundertschlagmichtot? Und die noch nicht einmal besonders gründlich, da wären ihnen nämlich -wenn schon nicht die inhaltlichen Fehler- wenigstens Druck- und Grammatikfehler aufgefallen. Ganz offenbar ist zumindest dieser Titel ziemlich lieblos und ohne die geringste Ahnung von Autor, Inhalt oder Genre ins Programm aufgenommen worden.
Ich kann so etwas einfach nicht verstehen. Bei Übersetzungen in andere Sprachen ist mir diese Verhunzung von Originalliteratur in diesem Maß noch nicht untergekommen, scheint etwas Exklusives für das deutsche Verlagswesen zu sein. Bei der spanischen Ausgabe jedenfalls ist dieser Titel nahezu 1:1 übersetzt worden. Es scheint doch zu gehen....
Ich sitze also seither über dem Ebook und werde ihn bis zum Schluß durchlesen (immerhin ist der Krimi noch lesbar, und zumindest für jene, die John Dickson Carr nicht kennen und es daher nicht besser wissen, dürfte er sogar einigermaßen unterhaltsam sein), aber ich habe noch nie so viele Notizen zu einem Text in meinem Reader gemacht, der ist inzwischen getüpfelt wie ein Fliegenpilz! Ich erwäge ernsthaft, dieses "Fragment" selbst zu überarbeiten, bevor ich das Buch meiner Mutter zu lesen gebe.
Aber vor allem möchte ich euch hier vor dieser Ausgabe warnen. Falls ihr sie noch nicht gekauft habt, überlegt euch lieber, ob sie euch unter den oben geschilderten Umständen das Geld wert ist. Ich jedenfalls werde die von bookrix/ Apex veröffentlichten Titel in Zukunft nur mit höchster Vorsicht ansehen.
Gruß,
Trixie