hard-boiled

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Re: hard-boiled

Beitragvon Petra » So 2. Apr 2023, 15:06

In den letzten Tagen habe ich "Der Malteser Falke" von Dashiell Hammett gelesen. Und so kann ich nun - wie zuvor schon Sonja und Shaftoe - auch einen Vergleich zwischen Hammett und Chandler ziehen. Ich bekenne mich deutlich stärker zu Chandler.

Beide sind ohne Frage absolut lesenswert. Hammett auch besonders, da er den Grundstein zum hard-boiled-Genre gelegt hat. Doch wenn ich vergleiche, dann bringt Chandler noch etwas mehr Atmosphäre hinein und erzeugt mehr Dichte. Wirkt auf mich auch eleganter und sprachlich überlegener. Vor allem kam mir Chandlers Philip Marlowe trotz seiner Distanziertheit näher. Spade blieb mir fremd.

Meine Eindrücke wurden einerseits bestätigt, aber auch relativiert durch das tolle Essay von Heiko Arntz, dass der Kampa Verlag in seiner Ausgabe (eine Neuübersetzung) hinten angestellt hat. Darin analysiert Heiko Arntz auch die Sprache und Erzähltechnik Hammetts, was für ein besseres Verständnis sorgt, und meine Eindrücke ergänzt hat. Durch diese Ergänzung blicke ich mit mehr Bewunderung auf das Gelesene (bzw. Geschriebene), auch wenn mir persönlich Chandler dennoch besser gefällt, wenn ich mich entscheiden müsste. Zum Glück muss ich mich aber ja nicht entscheiden. Und ich bin sehr gespannt auf "Rote Ernte" (Hammetts ersten Krimi), der ebenfalls bei Kampa in einer Neuübersetzung erschienen ist. Auch weil dieser Krimi in der damals üblichen Ich-Form (erste Person) geschrieben ist, und nicht wie "Der Malteser Falke" in der "distanzierten" dritten Person, bei der sich - wie Heiko Arntz sagt - die Geister scheiden, wer sie zur Meisterschaft führte, Hammett oder später Hemingway. Diese Erzählperspektive (Heiko Arntz erklärt auch sehr verständlich den Unterschied zur üblichen Erzählperspektive der dritten Person) war jedenfalls der Grund, warum ich zu Spade mehr Distanz verspürte als zu Marlowe, dessen Persönlichkeit ja auch verschwiegen und distanziert ist. Aber darüber hinaus besitzt Marlowe aus meiner Sicht auch mehr Anstand als Spade. Das ist nicht schlimm, macht mir Marlowe aber sympathischer.

Auch über Hammetts Leben erfährt man einiges im Essay von Heiko Arntz. Dashiell Hammett war ein außergewöhnlicher Mensch.

In Spiegel Kultur habe ich einen interessanten Artikel gefunden, der die beiden Schriftsteller Dashiell Hammett und Raymond Chandler zum Thema hat.

Erwähnen möchte ich an dieser Stelle noch, dass es einen Film gibt, der Hammett zur Hauptfigur hat. Das erscheint mir sehr reizvoll, da Dashiell Hammett ja selbst für Privatdetekteien gearbeitet hat, bevor der zu Schreiben anfing. In "Hammett" ermittelt Hammett (wie seine Figur Spade) in San Francisco. Ein vielversprechender Krimi Noir aus dem Jahr 1982 mit Frederic Forrest in der Hauptrolle.
Liebe Grüße,
Petra


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Re: hard-boiled

Beitragvon Sonja » Di 11. Apr 2023, 16:41

Hallo Petra,

Petra hat geschrieben:
Das war auch wirklich richtig gut! Und ja, es war dann eher Suspence, aber den hard-boiled erkennt man in den Umkehrungen auch, Megan Abbott hat das in ihrem Nachwort wunderbar herausgestellt. Solltest du es auch lesen, wäre ich sehr gespannt auf deine Eindrücke. Und ebenso falls du mal was von Patricia Highsmith liest.


ich habe “Ein einsamer Ort” inzwischen auch gelesen und werde noch berichten – hänge ein wenig hinterher. Nur so viel schon mal: es hat mir sehr gut gefallen, aber es war schon wirklich hart, je mehr Zeit man dem Ende zusteuernd mit Dix verbracht hat.

Petra hat geschrieben:Du hast aber auch eine sehr interessante Autorin entdeckt! Schade, dass es von ihren Krimis keine Übersetzungen ins Deutsche gibt. Danke auch für den Hinweis darauf, wie Raymond Chandler die Autorin gewürdigt hat.


Ja, das ist wirklich sehr schade. Wäre wünschenswert, wenn noch weitere Bücher neu bzw. erstmalig übersetzt werden würden. Ich muss auch je nach Buch entscheiden. Die Travis McGee Reihe würde mich zum Beispiel sehr im Original reizen, scheint mir aber doch noch etwas schwer. Mal sehen.

Petra hat geschrieben:Ja! :nicken_freudig:
Ich habe ja kürzlich noch zugeschlagen, und muss gleich noch von einem weiteren Kauf berichten. Denn auch die Jim Thompson Krimis sind vergriffen. Zwei, die mich am meisten interessieren, hatte ich damals gekauft. Aber ein dritter reizt mich sehr, den habe ich mir nun gebraucht bestellt.


Ja, Du stockst Dein (hard-boiled) Krimiregal gut auf :daumen_hoch: .Toll, dass man so noch auf alte Schätze zugreifen kann :nicken_freudig:
Liebe Grüße, Sonja

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Re: hard-boiled

Beitragvon Petra » Mo 29. Mai 2023, 13:22

Hallo Sonja,

Sonja hat geschrieben:ich habe “Ein einsamer Ort” inzwischen auch gelesen und werde noch berichten – hänge ein wenig hinterher. Nur so viel schon mal: es hat mir sehr gut gefallen, aber es war schon wirklich hart, je mehr Zeit man dem Ende zusteuernd mit Dix verbracht hat.


Ja, nicht wahr? Wirklich beklemmend, sich in Dix' Nähe aufzuhalten. Das hat die Autorin wirklich einmalig gut gemacht.

Sonja hat geschrieben:Ja, das ist wirklich sehr schade. Wäre wünschenswert, wenn noch weitere Bücher neu bzw. erstmalig übersetzt werden würden. Ich muss auch je nach Buch entscheiden. Die Travis McGee Reihe würde mich zum Beispiel sehr im Original reizen, scheint mir aber doch noch etwas schwer. Mal sehen.


Die Reihe wird bei mir auch nicht mehr lange darauf warten müssen, bis ich sie beginne.

Im Original lesen hätte natürlich den Vorteil, dass du die ganze Reihe lesen könntest. Zudem alle ungekürzt (auf Deutsch gibt es ja nicht alle Bände, und auch nur die ersten drei ungekürzt übersetzt) Für mich kommt das ja leider nicht in Frage, da mein Englisch dafür nicht gut genug ist. Das wäre mehr Anstrengung und Arbeit als Freude. Umso dankbarer bin ich dem Rotbuch Verlag für die ersten drei Bände in ungekürzter Übersetzung.
Liebe Grüße,
Petra


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Re: hard-boiled

Beitragvon Petra » Mo 29. Mai 2023, 13:25

Was für eine tolle Neuigkeit! :freudig_die_faeuste_schwing:

Am 31.08.2023 kommt "Marlowe" mit Liam Neeson in der Hauptrolle auf DVD und Blu-ray raus. Der Film basiert nicht auf einem von Raymond Chandlers Marlowe-Romanen, sondern auf John Banvilles Marlowe-Roman "Die Blonde mit den schwarzen Augen".

Der Trailer verspricht einen tollen Film. Ich habe ihn mir vermerkt!
Liebe Grüße,
Petra


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Re: hard-boiled

Beitragvon Kessy1 » Mo 29. Mai 2023, 20:03

Ich bin hier gerade stiller Mitleser. Musste erstmal googeln was hard-boiled Krimis sind. Hört sich aber interessant an.
Herzliche Grüße aus Lübeck
http://www.kessysbuechertruhe.wordpress.com
Ich lese gerade: Sakrileg von Dan Brown ( zum x-ten mal)
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Re: hard-boiled

Beitragvon Petra » Mi 1. Nov 2023, 18:55

Der Diogenes Verlag übersetzt einige Lew Archer-Bände von Ross Macdonald neu.

"Wer findet das Opfer" neu übersetzt von Thomas Stegers und "Schwarzgeld" neu übersetzt von Karsten Singelmann erscheinen jeweils mit einem Nachwort von Donna Leon am 26.06.2024.

Zu "Wer findet das Opfer" ist zudem vermerkt, dass mit der Neuübersetzung erstmals eine ungekürzte Übersetzung ins Deutsche vorliegt. Sehr erfreulich!
Liebe Grüße,
Petra


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Re: hard-boiled

Beitragvon Hastings » Sa 4. Nov 2023, 18:41

Petra hat geschrieben:Der Diogenes Verlag übersetzt einige Lew Archer-Bände von Ross Macdonald neu.

"Wer findet das Opfer" neu übersetzt von Thomas Stegers und "Schwarzgeld" neu übersetzt von Karsten Singelmann erscheinen jeweils mit einem Nachwort von Donna Leon am 26.06.2024.

Zu "Wer findet das Opfer" ist zudem vermerkt, dass mit der Neuübersetzung erstmals eine ungekürzte Übersetzung ins Deutsche vorliegt. Sehr erfreulich!


Oh, da sind die schon länger dran, die erste Neuübersetzung war 2013 "Der blaue Hammer". :breit_grins:

Auf Petras Wunsch hier meine Gedanken zu den Raymond Chandler-Neuübersetzungen:

2019: "Der große Schlaf"
Natürlich ist es aus kaufmännischer Sicht logisch, mit dem prestigeträchtigsten, bekanntesten und beliebtesten Titel anzufangen, doch gerade hier stellt sich die Frage nach dem Sinn, denn die bislang verwendete Übersetzung von Gunar Ortlepp aus dem Jahre 1974 ist wirklich hervorragend und der älteren Übertragung von Mary Brand aus dem Jahre 1950 haushoch überlegen. Zwar stellenweise etwas frei, aber der Grundton des Buches wird perfekt getroffen. Fairerweise muß konstatiert werden, daß Heiberts Neuinterpretation das Buch nicht verwässert, man merkt halt teilweise nur die Bemühung um Modernität. Das Buch ist in der 2019er-Auflage dennoch immer noch lesenswert und glücklicherweise nicht irgendwelchen PC-Riten unterworfen (was bei Chandler wohl auch vergebliche Liebesmühe wäre, ohne komplett umzuschreiben und stark zu kürzen). Ortlepps Übersetzung ist jedoch nicht ganz verschwunden, da sie glücklicherweise vor einigen Jahren ungekürzt von Christian Brückner als Hörbuch aufgenommen wurde und nach wie vor im Handel ist.

2020: "Die kleine Schwester"
Hier war ich von älteren Übersetzungen nicht derart geprägt wie beim Vorgänger (tatsächlich stand die Richartz-Übersetzung lange ungelesen bei mir rum, so daß ich das Buch erstmals in Robin Dietjes Version kennengelernt habe), so daß ich deutlich unbefangener an die Lektüre gehen konnte. Auch hier wird der Ton Chandlers gut getroffen, ohne auf "zeitgemäße Befindlichkeiten" Rücksicht zu nehmen. Parallel erschien auch eine ungekürzte Hörbuchausgabe, allerdings exklusiv als Download mit einem mir unbekannten Sprecher. Mancher mag sich auch noch an die überraschend werkgetreue, allerdings modernisierte Verfilmung mit James Garner (mit dem dämlichen deutschen Titel "Der Dritte im Hinterhalt") erinnern.

2021: "Die Lady im See"
Wer mit der deutschen Editionsgeschichte des Romans vertraut ist, wird Robin Dietjes Neuübersetzung mehr als begrüßen. Näheres hier: http://www.beilharz.com/rc/verschandelt.html
Hellmuth Karasek mag ja durchaus eine Größe im deutschen Kulturwesen gewesen sein, aber als Übersetzer war er eine absolute Niete. Seine Qualifikation als Chandler-Versteher führt er übrigens höchstpersönlich in einem Artikel ad absurdum, den er anläßlich der Herausgabe einer Hörspieledition verfaßte: https://www.welt.de/print/die_welt/verm ... chund.html
Mal abgesehen davon, daß er die Namen seiner Kollegen Ortlepp und Wollschläger (dessen Übertragung von "Der lange Abschied" allerdings auch diskussionswürdig ist) falsch schreibt und den Hörspielbearbeiter Hermann Naber in Erich umtauft - wer Chandler mehr oder weniger als "guilty pleasure" abtut, der sollte besser davon absehen, ihn zu übersetzen.
Die Neuübersetzung hat sämtliche genannten Fettnäpfchen vermieden, lediglich der "Slip" wurde beibehalten (wobei der Begriff fairerweise sowohl eine Damenunterhose als auch einen Unterrock bezeichnen kann, das ist kreative Freiheit). Ansonsten eine sehr saubere, dem Lesefluß zuträgliche Arbeit, der Roman ist ohnehin einer von Chandlers besten. Zeitgleich erschien auch wieder ein Hörbuch (leider wieder nur als Download).

2022: "Das hohe Fenster"
Der große Plotter war Chandler ja nie, aber was er hier anbietet, ist doch etwas dünn. Eine gestohlene Goldmünze ist nun wirklich nichts, was einen 300seitigen Roman am Laufen hält, auch dann nicht, wenn ihren Weg schließlich drei (bzw. vier) Leichen säumen. Aber ganz ehrlich - Chandler liest man ja auch nicht wegen der Handlung, sondern wegen der stimmungsvollen Beschreibungen, der messerscharfen Dialoge und der schrägen Charaktere, und speziell beim letzten Punkt hat der gute Raymond hier so richtig abgeliefert. Kennen will man keinen von den Spinnern, aber es ist hochinteressant (und stellenweise auch amüsant), über sie zu lesen.

Die Neuübersetzung...
Ja, sie war notwendig. Urs Widmers Version aus den 70ern war zwar kein Komplettaussetzer wie Karaseks "Tote im See", strotzte aber doch stellenweise vor unnötigen Flüchtigkeitsfehlern, die den Eindruck erwecken, daß es dem Übersetzer entweder an Kenntnis der Materie oder Interesse am Stoff fehlte. Näheres hier: http://buchwurm.org/raymond-chandler-da ... marlowe-3/
Ulrich Blumenbachs Arbeit kommt leider nicht ganz über die von seinem Vorgänger Robin Dietje sehr hoch gesteckte Messlatte (mitunter verwendet er, speziell im Schimpfwörterbereich, arg moderne Ausdrücke). Dennoch ist sie gut lesbar und - im Gegensatz zu Widmers Arbeit - sorgfältig gemacht.
Zeitgleich erschien unter dem Titel "Chillen mit Chandler" auch noch ein kleines E-Book mit Briefen, Zitaten und einer bisher nicht auf deutsch veröffentlichten Kurzgeschichte, ebenfalls von Blumenbach übersetzt. Mehr kann ich dazu leider nicht sagen, da ich rein elektronische Formate ablehne.

2023: "Playback"
Ein klarer Fall von Abgesang. Nachdem Chandler mit "Der lange Abschied" eigentlich schon alles zum Thema Marlowe gesagt haben wollte, ließ er ihn - offenbar auch als Teil der Trauerbewältigung über den Tod seiner Frau - doch noch einmal aufleben, allerdings ohne große Ideen. Auch ohne das Wissen, daß der gute Ray hier nur ein abgelehntes Drehbuch aus den 40ern ausschlachtete, hinterläßt der 7. und letzte Marlowe-Roman ein eher unbefriedigtes Gefühl.
Die Charaktere (sonst neben den Dialogen Chandlers Hauptstärke) bleiben trotz teilweise vielversprechender Einführungen nicht mehr als leere Chiffren. Kurioserweise ist ausgerechnet die unwichtigste Person des Romans - die Sekretärin Helen - die interessanteste, über die man gerne mehr erfahren hätte. Auch die sonst so messerscharfen Dialoge kommen über bloße Routine nicht hinaus. Und das (wie nachträglich angeklebt wirkende) letzte Kapitel, das eine Brücke zum nächsten, von Chandler nie vollendeten Roman "Poodle Springs" schlägt, reiht sich auf diesem Reigen des Mittelmaßes ein, in dem Robert B. Parker es später vor die Wand schrieb.

Die Neuübersetzung von Ulrich Blumenbach gefällt mir auch nicht so recht. Wie schon bei "Das hohe Fenster" fällt die Sprache stellenweise deutlich zu modern aus und hinterläßt einen ziemlich anachronistischen Eindruck. Exemplarisch sei hier das "Bis denne!" (sic!) genannt, mit dem Marlowe sich am Ende verabschiedet. Sollte ich das Buch noch einmal lesen, werde ich wohl eher wieder zu Wulf Teichmanns Version aus den 70ern greifen.

Es bleibt zu wünschen und zu hoffen, daß der Diogenes Verlag für die beiden noch ausstehenden Romane einen anderen (besseren) Übersetzer ranläßt.

Demnächst vielleicht auch noch was zu den Hammett-Neuübersetzungen bei Kampa und ihren Diogenes-Pendants aus den 70ern...
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Re: hard-boiled

Beitragvon Hastings » So 5. Nov 2023, 12:21

Und noch ein paar Worte zu Dashiell Hammett bei Kampa:

Grundsätzlich hatte ich bei den drei Neuübersetzungen - im Gegensatz zu Chandler - nicht teilweise das Gefühl, ein völlig anderes Buch zu lesen, das Leseerlebnis war dasselbe intensive wie bei den alten Diogenes-Bänden. Der Grund für die Neuübersetzung dürfte hier auch keine qualitativen, sondern eher rechtliche Gründe haben, da die alten Übersetzungen bei Diogenes nach wie vor lieferbar sind.

2020: "Der Malteser Falke" - kein großer Unterschied zu Peter Naujacks Version. Dafür sehr hübsch gestaltet und mit einem erstmals auf deutsch veröffentlichten Nachwort von Dashiell Hammett persönlich.

2021: "Rote Ernte" - im Grunde wie beim "Malteser Falken", bis hin zu der Tatsache, daß ich die Neuübersetzung genauso schnell an einem Sonntagnachmittag weggesuchtet habe wie vor Jahren die Diogenes-Version, ein unglaubliches Tempo hat das Buch. Einen markanten Unterschied gibt es jedoch: Gunar Ortlepp verfasste, wie auch beim "Großen Schlaf", eine dem Original gerechte, jedoch mitunter etwas freiere, schnoddrige Übersetzung. Hierbei änderte er den Schauplatz der Handlung in Peaceville/Pissville, in Dirk van Gunsterens Version für Kampa heißt es nun Personville/Poisonville (was 1:1 dem Original entspricht).

2023: "Der dünne Mann" - Qualitätsarbeit von Nikolaus Stingl, mehr braucht man nicht zu sagen. Hier empfand ich die alte Übersetzung auch einen Tick zäher, aber das kann Geschmackssache sein.

Da innerhalb dieses Threads auch die Frage nach einer Biographie von Hammett aufkam - ich besitze zwei. Eine von Diane Johnson (Diogenes) und eine von William F. Nolan (Ullstein), wobei Johnson detailliert Fakten aneinanderreiht, während Nolan gelegentlich auch kritisch hinterfragt. Beide zusammen ergeben somit ein relativ geschlossenes Bild.
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Re: hard-boiled

Beitragvon Petra » Mo 6. Nov 2023, 17:28

Vielen Dank Hastings für deine interessanten Einschätzungen und Informationen zu den einzelnen Übersetzungen der Raymond Chandler-Romane und der Dashiell Hammett-Romane, die Kampa herausgegeben hat. Gut zu wissen, welche Übersetzungen zu sehr um Modernität bemüht sind. Für mich geht da meist zu viel Flair und Authentizität verloren.

Die beiden Lesungen zu „Die Tote im See“ und „Die kleine Schwester“, die parallel zu den Neuübersetzungen von Robin Detje herausgekommen sind, hatte ich mir vor ein paar Monaten runtergeladen. Thomas Sarbachers Stimme finde ich sehr passend für die Marlowe-Romane. Thomas Sarbacher liest oft im im TV im Literaturclub Ausschnitte aus Büchern vor. Ich höre ihn sehr gerne. Du hast recht, leider gibt es nur Downloads, und keine CD-Versionen. Finde ich auch schade, denn solche Hörbücher sammelt man ja auch gern.

In meiner Chandler-TB-Box ist leider die Übersetzung von Hellmuth Karasek enthalten. Da werde ich überlegen, ob ich mir die Neuübersetzung von Robin Detje zusätzlich gönne. Meine Ausgabe von „Die kleine Schwester“ in der Box ist glücklicherweise die von Walter E- Richarz. Schön, dass ich in dem Fall dann auch die Neuübersetzung vergleichen kann, wenn ich das Hörbüch im Anschluss höre.

Bei den Kampa scheint mir einleuchtend, was du über den Grund der Neuübersetzungen sagst. Dass die Neuübersetzung von „Der dünne Mann“ noch einen Tick besser abschneidet als die alte, freut mich. Denn das Buch werde ich mir bald von einem Gutschein holen, den ich noch von meinem Geburtstag habe. Es fehlt mir noch in meiner Sammlung der Hammett-Neuübersetzungen von Kampa. Die Ausgaben finde ich auch sehr schön, und ich freue mich auch allgemein, dass Kampa sich den Krimi-Klassikern so annimmt.
Liebe Grüße,
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Re: hard-boiled

Beitragvon Hastings » Sa 11. Nov 2023, 10:56

Hallo Petra,

die Sarbacher-Lesungen zu allen 4 Bänden ("Big Sleep" ist ja die alte Brückner-Lesung der Ortlepp-Übersetzung) habe ich mir nach und nach geleistet, wenn mal wieder ein Thalia-Gutschein hereinflatterte, der Listenpreis ist mir für Download-Only einfach zu hoch. Anhören werde ich mir die aber wohl erst, wenn alle 7 Romane vorliegen.

Zu Dietjes "Lady im See" kann ich nur raten. Inzwischen gibt es sie auch als Taschenbuch, also einfach die Karasek-Ausgabe aus dem Schuber nehmen und die neue dafür rein. :zwinker:

Im Rahmen dieses Threads wurde schon öfter "Ein einsamer Ort" von Dorothy B. Hughes genannt. Ich habe mal den Bogart-Film gesehen, den ich nicht sonderlich mochte, der aber anscheinend auch nicht viel mit dem Buch zu tun hat (mehr Trinker-Liebesdrama als Psychothriller). Das Buch scheint eher in die Richtung von Robert Blochs "Der Schal" zu gehen, kommt das hin (falls den hier jemand kennt)?
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