von Hastings » So 8. Sep 2024, 11:17
"Tennisschläger und Seilakrobaten" (a.k.a. "Mord am Netz")
Nach einigen Startschwierigkeiten, die den Beginn der Lektüre verzögerten (s. o.) nahm die Angelegenheit doch noch ein Happy End, da ich die fehlende Seite als Scan von einem sehr netten Krimifan bekam.
Ein nettes Problem hat Carr sich hier wieder ausgedacht, ein Mordopfer auf einem Tennisplatz, an das anscheinend niemand herankam, ohne Spuren zu hinterlassen, und doch liegt da nun diese verflixte Leiche. Nicht, daß Frank Dorrance viele hinterhertrauern würden (abgesehen von seinem Vormund Dr. Young, der ihn als Ehemann für sein zweites Mündel Brenda eingeplant hatte), aber Inspektor Hadley von Scotland Yard hat halt keine andere Wahl...
Tatsächlich gehört dieser Fall eher Hadley, der sich durch zahlreiche Lügengespinste arbeiten muß (und die Wahrheit doch nicht sieht), denn Dr. Fell schlappt zwar anfangs mit ihm über den Tatort, verschwindet dann aber bis zur Auflösung wieder komplett, während viel Raum auf Franks gar nicht mal so traurige Ex-Verlobte Brenda White und ihren neuen Galan, den Rechtsanwalt Hugh Rowland entfällt, die in eigenem Interesse den Mörder jagen, haben sie doch beide am Tatort rumgemurkst, um sich nicht in Verdacht zu bringen und damit erst recht Hadleys Mißtrauen erregt. Bald gibt es zwar einen offenkundigen Hauptverdächtigen, doch daß es in Krimis aus dem "Golden Age" niemals so einfach ist, weiß der Kenner natürlich sofort. Carr hat am Ende auch eine Überraschung parat, nämlich daß die Auflösung diesmal nicht ganz so absurd-phantastisch ist wie in anderen seiner Romane, und auch das Setting ist diesmal überraschend modern (für die damalige Zeit) und frei von seinen sonst gern verwendeten Schauerelementen.
Mir lag, wie gesagt, die Übersetzung von Karl Hellwig aus dem Scherz Verlag vor, die gegenüber der Erstausgabe von 1941 vermutlich deutlich eingekürzt wurde, da die englische Ausgabe knapp 100 Seiten mehr hat, was nicht allein mit verändertem Schriftsatz zu erklären ist, die Handlung wirkt manchmal etwas arg sprunghaft und ein paar (wenn auch unwesentliche) Fragen bleiben am Ende offen. Dennoch ist sie der späteren, noch dünneren Ullstein-Ausgabe deutlich vorzuziehen, da hier immerhin noch die Namen der Charaktere stimmen...
Freunde von Carr kommen jedenfalls voll auf ihre Kosten, auch wenn Dr. Fell - zumindest in der deutschen Ausgabe - etwas zu kurz kommt.