Japanische Literatur

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Re: Japanische Literatur

Beitragvon Hermy » So 14. Jun 2009, 11:44

Danke für Deine Eindrücke zu "Hotel Iris", lieber Wolf. Sobald ich über etwas mehr Ruhe verfüge, werde ich den Roman "Herr Nakano und die Frauen" von Hiromi Kawakami nicht lesen sondern hören. Mal abwarten was die Stimme von Fritzi Haberlandt als Mehrwert dazu bringt.
Beste Grüsse
Hermy


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Re: Japanische Literatur

Beitragvon Wolf » Di 16. Jun 2009, 12:49

Hallo zusammen,

ich habe mir antiquarisch den Erzählband Knabenjagd der Autorin Taeko Kōno gekauft. Der Band enthält insgesamt fünf Erzählungen, eine wurde in den 70er Jahren geschrieben, die restlichen stammen aus den 60er Jahren. Die Autorin hat mehrere Literaturpreise erhalten und sie ist auch mit zwei ihrer Werken in Kindlers Literaturlexikon vertreten: mit dem Roman Riskante Begierden und eben der Erzählung Knabenjagd, die dem Erzählband, den ich jetzt gerade lese, den Titel gab.

Knabenjagd ist die erste Erzählung in diesem Band, die etwa dreißigjährige weibliche Hauptfigur "verabscheute nichts so sehr wie kleine Mädchen im Alter zwischen drei und zehn Jahren", wie es gleich zu Beginn heißt. Auch sich selbst konnte sie nicht leiden, als sie noch ein junges Mädchen war. Im Gegensatz dazu ist sie in Knaben dieses Alters geradezu vernarrt, sie genießen ihre ganze Bewunderung und Hochachtung. Sie kauft öfter Kleidung für kleine Jungen, die sie dann an die Kinder von Bekannten verschenkt. Diese Geringschätzung des Weiblichen spiegelt sich auch in der sadomasochistischen Beziehung zu dem Mann wieder, mit dem sie zusammenlebt. Zum Thema Sadomasochismus, das ja auch im weiter oben erwähnten Roman Hotel Iris eine wichtige Rolle spielt, schreibt die Übersetzerin von Knabenjagd, Irmela Hijiya-Kirschnereit, in ihrem Nachwort folgendes:

Im Sadomasochismus sieht Kōno eine besondere, in gewissem Sinne typische Ausformung der weiblichen Sexualität, die für sie im Grunde genommen nur die physische Entsprechung einer geistigen Haltung darstellt. Eine weibliche Überlebensstrategie, ja »Lebensklugheit« besteht für sie darin, gegebene Zwänge als freiwillige Selbstbeschränkung aufzufassen, um daraus Vergnügen zu schöpfen.


Das erinnert mich an Die Klavierspielerin von Elfriede Jelinek, wo es ähnlich wie in Knabenjagd so ist, daß sich eine (zumindest nach außen hin so erscheinende) selbständige und selbstbewußte Frau von ihrem Liebespartner sexuell erniedrigen läßt, wobei sie ihm das gleichsam befiehlt und ihn auch rügt, wenn er sich dabei ungeschickt anstellt.

Das tatsächliche Geschehen ist in der Erzählung Knabenjagd eigentlich gar nicht so besonders spektakulär, das Bedrückende ist der Einblick in das Seelenleben der Protagonistin, da tun sich Abgründe auf, die von ihrer Umgebung nicht wahrgenommen werden oder die vielleicht auch nur als unbedeutend angesehen werden. Das ganze wirkt vielleicht gerade deshalb umso schockierender, weil der Erzählstil überhaupt nicht auf Schockeffekte angelegt ist: Taeko Kōno wirft keinen bitter-sarkastischen oder anklagenden Blick auf die Welt, sondern sie erzählt ruhig, mit leiser melancholischer Ironie und mit einen gutem Sinn für Detailschilderungen.

Schöne Grüße,
Wolf
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Re: Japanische Literatur

Beitragvon JMaria » Do 25. Jun 2009, 16:11

Wolf hat geschrieben:
Das tatsächliche Geschehen ist in der Erzählung Knabenjagd eigentlich gar nicht so besonders spektakulär, das Bedrückende ist der Einblick in das Seelenleben der Protagonistin, da tun sich Abgründe auf, die von ihrer Umgebung nicht wahrgenommen werden oder die vielleicht auch nur als unbedeutend angesehen werden. Das ganze wirkt vielleicht gerade deshalb umso schockierender, weil der Erzählstil überhaupt nicht auf Schockeffekte angelegt ist: Taeko Kōno wirft keinen bitter-sarkastischen oder anklagenden Blick auf die Welt, sondern sie erzählt ruhig, mit leiser melancholischer Ironie und mit einen gutem Sinn für Detailschilderungen.

Schöne Grüße,
Wolf


Hallo zusammen,

schön, dass soviele unterschiedliche Romane hier besprochen und gesammelt werden. Danke, Wolf, für deine Eindrücke zu der Autorin Taeko Kōno und ihrem Erzählband. Ich habs mit Interesse verfolgt.

gerade habe ich einen japanischen Krimi entdeckt, der ungewöhnlich für einen Krimi erzählt sein soll, sehr dialoglastig:

Mord am See

Schöne Grüße
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Re: Japanische Literatur

Beitragvon Petra » Mo 29. Jun 2009, 14:08

Hallo zusammen,

Danke Maria für den japanischen Krimi-Tipp! Ich habe eben mal bei Amazon nachgesehen. Von der gebundenen Ausgabe (ich glaube eine TB-Ausgabe gibt es auch gar nicht) gibt es zur Zeit Restexemplare für 3,95 €. Wer sich für den Krimi interessiert, sollte wohl jetzt zuschlagen!
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Japanische Literatur

Beitragvon Wolf » Di 21. Jul 2009, 13:19

Hallo zusammen,

ich lese gerade das "Deutschlandtagebuch" von Mori Ôgai, einem japanischen Militärarzt und Schriftsteller, der sich von 1884 bis 1888 wegen seines Medizinstudiums in Deutschland aufhielt, hauptsächlich in Berlin, München und Leipzig. Das Buch ist mit passenden zeitgenössischen Photos illustriert. In Berlin gibt es eine Mori-Ôgai-Gedenkstätte.

Schöne Grüße,
Wolf
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Re: Japanische Literatur

Beitragvon JMaria » Mi 22. Jul 2009, 09:55

Wolf hat geschrieben:Hallo zusammen,

ich lese gerade das "Deutschlandtagebuch" von Mori Ôgai, einem japanischen Militärarzt und Schriftsteller, der sich von 1884 bis 1888 wegen seines Medizinstudiums in Deutschland aufhielt, hauptsächlich in Berlin, München und Leipzig. Das Buch ist mit passenden zeitgenössischen Photos illustriert. In Berlin gibt es eine Mori-Ôgai-Gedenkstätte.

Schöne Grüße,
Wolf


Hallo Wolf,

ein interessanter Tipp. Vielen Dank :-)
sind im "Deutschlandtagebuch" auch eine seiner Novellen enthalten?
z.B. "Wellenschaum".

ich habe im Wikipedia etwas gestöbert und bin neugierig geworden.

eine andere Frage, da du sehr viel Lyrik liest. Kennst du etwas von Elisabeth Plessen?

mir reizt dieses Buch mit ihren Gedichten und Aquarellen von der Japanerin Leiko Ikemura

Ich sah uns dort in der Ferne gehen: Gedichte / Aquarelle

Schöne Grüße
Maria
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Re: Japanische Literatur

Beitragvon Wolf » Mi 22. Jul 2009, 11:03

Hallo Maria,

JMaria hat geschrieben:sind im "Deutschlandtagebuch" auch eine seiner Novellen enthalten?

nein, darin sind nur seine Tagebuchaufzeichnungen (mit Nachwort und erläuternden Anmerkungen versehen). Novellen oder irgendwelche andere seiner Prosawerke sind momentan offenbar nicht lieferbar, und als ich letztens nach antiquarischen Büchern von ihm gesucht habe, fand ich da leider nicht besonders viele Angebote, die außerdem alle relativ hochpreisig waren.

JMaria hat geschrieben:Kennst du etwas von Elisabeth Plessen?
mir reizt dieses Buch mit ihren Gedichten und Aquarellen von der Japanerin Leiko Ikemura

Kannte ich noch nicht, danke für den Tip. :-)

Schöne Grüße,
Wolf
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Re: Japanische Literatur

Beitragvon JMaria » So 23. Aug 2009, 15:15

Hallo zusammen,

heute wurde ich daran erinnert, dass es zwei Bücher gibt, die einfach nicht aufzutreiben sind, und wenn dann nur zu horrenden Preisen.

Das wären die Bücher:

Dazai Osamu: "Gezeichnet"
"Ich habe ich für vieles in meinem Leben zu schämen." So beginnen die Bekenntnisse von oba Yozo, dessen Leben mit dem seines Autors viel gemeinsam hat. Scharfsinnig, mit einer Mischung aus Ironie und Verletzlichkeit, entblößt er eine Schwächen. Diese packenden Skizzen aus einem Leben, das durch Sucht, Selbstmordversuche und Nervenheilanstalten führt, haben seit ihrem Erscheinen 1948 Generationen japanischer Leser fasziniert.
(Insel Verlag)

und

"Aufzeichnungen aus meiner Hütte" von Kamo no Chomei
Japan im zwölften Jahrhundert. Großbrände, Wirbelstürme und Erdbeben suchen das Land heim, Seuchen breiten sich aus. Nach dieser Erfahrung der Vergänglichkeit des menschlichen Körpers zieht sich Kamo no Chomei in den Bergen in eine schlichte Klause zurück um die >>Aufzeichnungen aus meiner Hütte<< zu beginnen. Sie sind als stilbildender Klassiker der Kargheit und Schlichtheit in die japanische Literaturgeschichte eingegangen. Insel Verlag


vielleicht reizt den einen oder anderen Leser die Texte und macht sich auch auf die Suche danach ;-)

Gruß,
Maria
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Re: Japanische Literatur

Beitragvon Wolf » So 23. Aug 2009, 20:47

Hallo Maria,

diese beiden Bücher sind in der Reihe "Japanische Bibliothek" im Insel-Verlag erschienen. Hier ist eine Übersicht der insgesamt erschienenen 32 Bände.

Leider ist da manches nur noch antiquarisch für viel Geld zu bekommen, "horrende Preise", wie Du schriebst, trifft es sehr gut. ;-) Außer den von Dir genannten Bänden sind beispielsweise auch Ich der Kater von Natsume Sōseki sowie Im Umbau von Mori Ōgai sehr teuer. Andere Bände dieser Reihe sind billiger, was wohl auch daran liegt, daß sie auch noch in anderen Ausgaben erschienen sind, z.B. als Taschenbuch.

Ich habe übrigens gerade festgestellt, daß ich ein Buch von Dazai Osamus Tochter auf meinem SUB liegen habe: Lichtkreise von Tsushima Yūko. Aus dem Klappentext zum Inhalt des Romans:

Eine junge Japanerin wird unerwartet von ihrem Mann verlassen und zieht mit ihrer dreijährigen Tochter in eine Wohnung im obersten Stockwerk eines Mietshauses. Diese «zu jeder Tageszeit von Licht durchflutete» Wohnung wird ihr zu einer wichtigen emotionalen Stütze für das folgende Jahr, in dem sie versucht, sich von ihrem Mann gefühlmässig zu lösen und sich auf ein Leben ohne ihn einzustellen [...]

Zur Autorin, ebenfalls aus dem Klappentext:

Die Autorin Tsushima Yūko wurde 1947 als Tochter des berühmten Schriftstellers Dazai Ozamu in Tokyo geboren. Sie studierte am Shirayuri Women's College und an der Meiji Universität englische Literatur. Ihre vaterlose Kindheit, die enge Bindung zum behinderten Bruder, ihre gescheiterte Ehe und die schwierige Rolle als alleinerziehende Mutter prägen im wesentlichen ihr Werk.

Schöne Grüße,
Wolf
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Re: Japanische Literatur

Beitragvon JMaria » Mo 24. Aug 2009, 09:29

Hallo Wolf,

Wolf hat geschrieben:diese beiden Bücher sind in der Reihe "Japanische Bibliothek" im Insel-Verlag erschienen. Hier ist eine Übersicht der insgesamt erschienenen 32 Bände.


das ist ja wieder mal typisch fürs Forum. Ich komme daher mit 2 Autorennamen und du mit einer "Japanischen Bibliothek" ! :D

jetzt bin ich für eine Weile beschäftigt mich da durch zuwühlen und nach Klappentexte zu suchen. *g*

Ich habe übrigens gerade festgestellt, daß ich ein Buch von Dazai Osamus Tochter auf meinem SUB liegen habe: Lichtkreise von Tsushima Yūko. Aus dem Klappentext zum Inhalt des Romans:

Eine junge Japanerin wird unerwartet von ihrem Mann verlassen und zieht mit ihrer dreijährigen Tochter in eine Wohnung im obersten Stockwerk eines Mietshauses. Diese «zu jeder Tageszeit von Licht durchflutete» Wohnung wird ihr zu einer wichtigen emotionalen Stütze für das folgende Jahr, in dem sie versucht, sich von ihrem Mann gefühlmässig zu lösen und sich auf ein Leben ohne ihn einzustellen [...]



dein SUB trägt ja Schätze. Das klingt interessant und irgendwie so typisch "magisch" für japanische Literatur.

Danke für deine Antwort; wie immer sehr aufschlußreich, dass auch Dazai Osamus Tochter Schriftstellerin ist.

PS: Wie kommst du mit Herrn Nakano voran?
Ich kenne ja nur dieses Buch von der Autorin und im allgemeinen wird behauptet, dass dieser schwächer sein soll, als ihr Debütroman. Empfindest du es auch so? Du weißt ja, mir gefiel Herr Nakano... sehr gut, naja ich denke ich kann mich auf Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß freuen. Du hast hier im Thread ja einen schönen Kommentar zum Buch abgegeben :-)

Herzliche Grüße
Maria
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Harro Zimmermann: Günter Grass. Biographie
Franz Kafka: Briefe an Felice Bauer


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