Hallo zusammen.
Also, ich liebe ja unseren ehrwürdigen alten Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki, aber manchmal könnte ich ihn …
In der Dezember-Ausgabe der Zeitschrift „Cicero“ wurde Reich-Ranicki in einem Interview gefragt, ob er eine Erklärung dafür hätte, wieso Frauen nachweislich mehr Bücher lesen als Männer.
Antwort Reich-Ranicki:
„Natürlich. Die Männer arbeiten mehr und haben keine Zeit. Und wenn sie mal Zeit haben, müssen sie Zeitungen lesen, vielleicht auch Zeitschriften. Frauen haben viel mehr Muße für Literatur.“
Aha.
Dass Männer mehr arbeiten als Frauen, nun ja, da hat Herr Reich-Ranicki wohl etwas den Blick für die Realität verloren, kann man aber seinem Alter zugute halten. Das mag vielleicht in den 50er Jahren mal so gewesen sein. Und wer sagt denn, dass Frauen keine Zeitungen oder Zeitschriften lesen, und ich meine jetzt anspruchsvolle Zeitschriften, nicht die Yellow-Press.
Was mich betrifft, kann ich von „mehr Muße“ für Literatur nur träumen. Als vollberufstätige Pendlerin bin ich 12 Stunden am Tag unterwegs, morgens um zwanzig nach sechs los, abends irgendwann gegen halb sieben zu Hause, vorausgesetzt der Zug hat keine Verspätung und die Straßenbahnen fahren. Essen muss man ja schließlich auch noch was. Bei mir wird es dann schon mal halb neun, bevor ich mich auf die Couch fallen lassen kann. Bleiben grade mal noch ca. zwei Stunden für Hobbys, wenn ich nicht sowieso viel zu kaputt dazu bin, denn im Gegensatz zu Herrn Reich-Ranickis Aussage muss ich ziemlich viel arbeiten. Für Hausarbeit und soziale Kontakte bleibt nur noch das Wochenende. Wenn ich im Monat mehr als vier normal dicke Bücher (ca. 300 – 400 Seiten) schaffe, ist das ein persönlicher Rekord. Dicke Wälzer lese ich sowieso nur ausschließlich im Urlaub.
Mich würde mal Eure Meinung zu dieser Aussage von Herrn Reich-Ranicki interessieren und wie sieht es bei Euch mit der "Muße für Literatur" aus?