Warum Frauen mehr Bücher lesen als Männer

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Warum Frauen mehr Bücher lesen als Männer

Beitragvon YvonneS » Do 9. Jul 2009, 15:01

Hallo zusammen.

Also, ich liebe ja unseren ehrwürdigen alten Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki, aber manchmal könnte ich ihn …

In der Dezember-Ausgabe der Zeitschrift „Cicero“ wurde Reich-Ranicki in einem Interview gefragt, ob er eine Erklärung dafür hätte, wieso Frauen nachweislich mehr Bücher lesen als Männer.

Antwort Reich-Ranicki:

„Natürlich. Die Männer arbeiten mehr und haben keine Zeit. Und wenn sie mal Zeit haben, müssen sie Zeitungen lesen, vielleicht auch Zeitschriften. Frauen haben viel mehr Muße für Literatur.“

Aha. :roll:

Dass Männer mehr arbeiten als Frauen, nun ja, da hat Herr Reich-Ranicki wohl etwas den Blick für die Realität verloren, kann man aber seinem Alter zugute halten. Das mag vielleicht in den 50er Jahren mal so gewesen sein. Und wer sagt denn, dass Frauen keine Zeitungen oder Zeitschriften lesen, und ich meine jetzt anspruchsvolle Zeitschriften, nicht die Yellow-Press.

Was mich betrifft, kann ich von „mehr Muße“ für Literatur nur träumen. Als vollberufstätige Pendlerin bin ich 12 Stunden am Tag unterwegs, morgens um zwanzig nach sechs los, abends irgendwann gegen halb sieben zu Hause, vorausgesetzt der Zug hat keine Verspätung und die Straßenbahnen fahren. Essen muss man ja schließlich auch noch was. Bei mir wird es dann schon mal halb neun, bevor ich mich auf die Couch fallen lassen kann. Bleiben grade mal noch ca. zwei Stunden für Hobbys, wenn ich nicht sowieso viel zu kaputt dazu bin, denn im Gegensatz zu Herrn Reich-Ranickis Aussage muss ich ziemlich viel arbeiten. Für Hausarbeit und soziale Kontakte bleibt nur noch das Wochenende. Wenn ich im Monat mehr als vier normal dicke Bücher (ca. 300 – 400 Seiten) schaffe, ist das ein persönlicher Rekord. Dicke Wälzer lese ich sowieso nur ausschließlich im Urlaub.

Mich würde mal Eure Meinung zu dieser Aussage von Herrn Reich-Ranicki interessieren und wie sieht es bei Euch mit der "Muße für Literatur" aus?
Liebe Grüße
Yvonne



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Re: Warum Frauen mehr Bücher lesen als Männer

Beitragvon JMaria » Do 9. Jul 2009, 17:27

YvonneS hat geschrieben:
Mich würde mal Eure Meinung zu dieser Aussage von Herrn Reich-Ranicki interessieren und wie sieht es bei Euch mit der "Muße für Literatur" aus?


Hallo Yvonne,

MRRs Antwort amüsiert mich 8-)

dass Frauen mehr lesen als Männer, denke ich, ist schon so, doch warum das so ist, kann ich nur spekulieren. In meiner Umgebung lesen definitiv mehr Frauen als Männer. Selbst die Frauen die genauso engagiert in der Berufswelt tätig sind wie die Männer, nehmen sich für ein Buch gerne die Zeit und kürzen dafür eher an anderen Dingen, wie fernsehen.

meine Nachbarn sind Unternehmerfrauen und einige davon sind Vielleser wie ich.

auch in meiner Familie lesen die Frauen mehr als die Männer. Meine Nichten, die genauso lang und hart arbeiten wie meine Neffen, lesen viel, im Gegensatz zu meinen Neffen. Höchstens mal ein Dan Brown wird von meinen Neffen gerne mal gelesen ;-)

zu meiner persönlichen Situation:
seit wir unsere Lebenssituation vor 9 Jahren geändert haben, habe ich richtige Muße zum Lesen gefunden und ich genieße das. Ich glaube, nur als Jugendliche konnte ich so unbeschwert meinem Hobby, den Büchern, nachgehen. Mein Buchkaufverhalten hat sich in diesen 9 Jahren dementsprechend auch vermehrt *g*

Mein Mann liest Fachzeitschriften. Hat MRR doch recht ? :mrgreen:

Liebe Grüße
Maria
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Re: Warum Frauen mehr Bücher lesen als Männer

Beitragvon Trixie » Do 9. Jul 2009, 19:50

Hallo Yvonne, hallo Maria,

ja, da hat MRR wohl eher in Erinnerungen an alte Zeiten geschwelgt, als ihm das rausrutschte, denke ich :| .

Ich muß gar nicht weit gehen, um für sein Weltbild das Gegenbeispiel zu finden: Meine Eltern haben beide ihr Leben lang vollzeit gearbeitet, meine Mutter ist dann mit 63 in Altersteilzeit gegangen. Seitdem hat sie allerdings auch nicht mehr "Muße", denn so leicht wirft man die Gewohnheit nicht ab, den ganzen Tag etwas tun zu müssen. Also spannt sie sich seitdem eben daheim voll ein, in Haus und Garten gibt es ja auch ständig etwas zu tun. Da wird repariert, renoviert, umgebuddelt, erweitert, verpflanzt.

Und ich selbst kann zwar zu meinem eigenen Bedauern nicht von einem geregelten Alltag reden, denn mal ist halt eher Schreib- und Übersetzungsarbeit daheim angesagt, mal vielleicht eine Museumsführung, meistens dann doch besagte Haus- und Gartenarbeit unter der Regie meiner Mutter :mrgreen: , aber irgendwie kann ich mir für mein Hobby "Lesen" die Zeit auch fast nur nachts abknipsen (oder wochenends). Dafür habe ich, genaugenommen, dann auch nur die beiden Hobbys "Bücher" und "Filme", ich gehe wenig aus und mein Urlaub wird schon seit Jahren auf der Terasse verbracht - natürlich mit einem Buch.

Allerdings halte ich das Lesepensum nicht für geschlechtsabhängig. Ich denke, es gibt sowohl bei Mänenrn wie bei Frauen für Nichtleser und Fleißleser reichlich Beispiele. Das ist völlig individuell ausgeprägt und hängt davon ab, wo man seine Prioritäten in der Freizeitgestaltung hat.

Mein Vater, nur mal so als weiteres Beispiel, war auch ein guter Leser. Seine bevorzugte Lektüre waren Western (von ihm habe ich meine ersten Exemplare der Heyne Western Classics), historische Romane, Krimis, sogar ein paar Klassiker. Und Zeitung gelesen hat er auch :mrgreen: .

Gruß,
Trixie
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Viel lesen und nicht durchschauen ist viel essen und nicht verdauen.

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Re: Warum Frauen mehr Bücher lesen als Männer

Beitragvon Martina » Fr 10. Jul 2009, 12:47

Hallo Ihr Lieben,

sehr interessanter Thread, liebe Yvonne!

Trixie hat geschrieben: Das ist völlig individuell ausgeprägt und hängt davon ab, wo man seine Prioritäten in der Freizeitgestaltung hat.


Ich denke, genau das trifft es.

Ich kenne viele Frauen, die lesen, aber auch Männer, die lesen. Ich glaube auch, dass Frauen prozentual mehr lesen. Aber ich bin davon überzeugt, dass das nicht deshalb ist, weil sie mehr Muße haben sondern weil sie sich die Zeit dafür nehmen.

Ich habe allerdings auch festgestellt, dass es zwar viele Frauen gibt, die lesen, aber oftmals lesen sie auch sehr wenig. Bei Männern habe ich eher das Verhalten beobachtet, dass, wenn sie überhaupt Bücher lesen, sie auch intensiv lesen. Mehr nach dem Motto „Ganz oder gar nicht“.

Ich komme oftmals in der Woche kaum zum Lesen. Ich brauche sehr viel Schlaf, deshalb gehe ich abends gegen 21 bis 21:30 Uhr schlafen. Manchmal lese ich auch noch im Bett, aber oftmals schlafe ich dabei ein oder weiß am nächsten Tag nicht mehr, was ich gelesen habe. Ich habe abends nach der Arbeit meistens nicht mehr als 1 Stunde Zeit für meine eigene Freizeitgestaltung. In der Zeit sollte ich eigentlich auch aufräumen, waschen o. ä. Solche Aktivitäten verschiebe ich aber schon aufs Wochenende, damit ich überhaupt noch etwas für mich tun kann.

Wenn ich an meine Mutter denke: Sie war selbständig (hatte mit meinem Vater zusammen ein Geschäft) und hat sich um 2 Kinder und den Haushalt gekümmert. Da war gar keine Muße! Erst seit sie in Rente ist, hat sie wieder angefangen zu lesen. Vorher blieb einfach keine Zeit. Bei meinem Vater sieht das ähnlich aus. Auch er hat erst angefangen zu lesen, seit er in Rente ist. Im gemeinsamen Familienurlaub früher haben wir allerdings alle viel gelesen (mein Bruder ebenfalls). Mein Bruder liest im Übrigen auch heute noch, ich weiß allerdings nicht wie viel. Im Gegensatz dazu liest meine Schwägerin überhaupt nicht. So herum gibt es das also auch.

Ich finde MRRs Meinung völlig verkehrt. Okay, man kann ihm das Alter zugute halten, aber meine Eltern sind nicht viel jünger als er und auch in deren Arbeitsleben war es schon anders. Auch früher, als die Frauen nicht in einem Beruf gearbeitet haben und „nur“ zuhause waren, hatten sie meines Erachtens genug zu tun. Die Aufgaben waren nur anders verteilt. Aber von mehr Muße zu sprechen, halte ich für völlig verkehrt. Außerdem bedeutet „Muße“ für mich auch, dass man sich keine Gedanken um andere Dinge machen muss und den Kopf für Literatur frei hat. Das würde ja bedeuten, dass die Frau sich nicht sorgt und sich keine Gedanken macht im Gegensatz zum Mann. Auch das sehe ich völlig anders. Wie Du schreibst, liebe Trixie, die Prioritäten werden einfach anders gesetzt. Vielleicht ist der Haushalt mal nicht so tiptop, dafür sammelt frau aber Kraft und Erholung beim Lesen. Oder der Fernseher bleibt aus, dafür liest er dann (um die Klischees mal zu bedienen). Aber im Normalfall hat das nichts mit Zeit oder Muße sondern mit Interessen und Hobbys zu tun.

Dieses ist natürlich alles meine eigene, subjektive Meinung. Vielleicht liege ich ja völlig falsch, aber eigentlich glaube ich das nicht. ;)
Liebe Grüße
Martina
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Re: Warum Frauen mehr Bücher lesen als Männer

Beitragvon Petra » Fr 10. Jul 2009, 16:46

Hallo zusammen,

im Grunde ist schon alles gesagt worden. Aber auch ich will mit meiner Meinung das Ganze noch unterstreichen!

Yvonne, Deinen Unmut über MRRs Äußerung kann ich gut verstehen! Mir sträuben sich bei so etwas auch immer die Nackenhaare! Das schlimme ist, dass die Männer die so was sagen es auch ganz fest glauben! Die Augen vor der Realität verschließen und sie einfach so sehen, wie sie es gern sehen wollen!

Klar, MRR kann man gern sein Alter zugute halten. Er beurteilt mit seinen Erfahrungen und die wachsen glaube ich ab einem gewissen Alter nicht mehr mit der Zeit. Bilder verfestigen sich und der Blick wird starr. Da bildet auch ein MRR keine Ausnahme.

Aber auch in der Zeit, aus der er seine Erfahrungen bezieht sah nicht so aus, wie die Männer es gern sehen wollten. Die Frauen haben den ganzen Haushalt geschmissen und waren für die Kinder da. Haben sich vielleicht noch wohltätig engagiert... an Hand des Beispiels meiner Eltern kann ich auch sagen: Im Grunde hatten sie beide sehr viel um die Ohren! Und mit uns zwei Kindern am Hals konnte meine Mutter bestimmt keine Muße entwickeln um in Ruhe zu lesen! Da hätten wir ihr schon einen Strich durch die Rechnung gemacht! ;-)

Ich finde die Äußerung somit ganz großen Quatsch und zudem sehr ärgerlich und degradierend für uns Frauen!

Meine Erfahrung ist eine andere: Männer sind oft zu "faul" um zu lesen. Also ihre Freizeit aktiv zu gestalten. Sie ziehen den Fernseher oft vor. Ist auch nicht falsch... aber eben genau das Gegenteil von dem was MRR uns Glauben machen will!

ABER: Auch meine Erfahrung ist nicht die einzige Wahrheit! Denn ich kenne durchaus auch Männer die lesen. Nur halt nicht so viele wie Frauen.

Was man auch oft vorfindet, sind Männer die Fachzeitschriften oder Zeitung lesen. Nicht, dass Frauen das nicht auch tun. Aber ich denke, hier überwiegt der männliche Anteil in der Gesamtleserschaft. Den Grund dafür sehe ich darin, dass Männer rationaler denken als Frauen. Ein Roman spricht die Emotionen halt mehr an als ein Sach- oder Fachbuch oder eine Fachzeitschrift. Wir Frauen können beim mitfühlen vielleicht mehr lernen als Männer. Und mehr (oder anders) als in Fachliteratur. Man kann in Romanen durchaus viel lernen, über das Leben, die Menschen, die Welt, die Politik etc.. Männer ist das aber vielleicht zu fiktiv, sie halten sich lieber an die blanken Fakten und können mit dem emotionalen Teil vielleicht eh nicht so viel anfangen wie Frauen.

Das wären meine Theorien! Aber letztendlich gilt:

Trixie hat geschrieben:Das ist völlig individuell ausgeprägt und hängt davon ab, wo man seine Prioritäten in der Freizeitgestaltung hat.


Genau! Ich höre auch oft (egal ob von Männlein oder Weiblein): Also zum lesen habe ich keine Zeit! Oder: Du hast es ja gut, ich hätte gar keine Zeit zum lesen!

Totaler Blödsinn! Denn ich habe nicht nur eine 41 Stunden-Woche und jeden Tag rd. 2 Stunden Fahrtzeit und einen Haushalt und lange Zeit ein paar Patienten in der Familie gehabt... und ein nicht so gradliniges Leben, was oft dafür gesorgt hat, dass ich mich neu orientieren musste. Und dennoch: Ich habe mir immer Zeit zum lesen GESUCHT!! Würde ich sie mir nicht nehmen/suchen, hätte ich sie auch nicht. Das war auch lange mein Problem. Aber weil ich die Zeit halt mit anderen Dingen gefüllt habe!

Noch eins: Mein Freund arbeitet im Moment deutlich weniger Stunden als ich. Und trotzdem liest er nicht, sondern schaut lieber fern oder schaut mal in die Zeitung.

Wirklich Blödsinn!
Liebe Grüße,
Petra


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Ich höre gerade: :kopfhoerer:
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