Lydia Davis: Fast keine Erinnerung. Stories

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Re: Lydia Davis: Fast keine Erinnerung. Stories

Beitragvon JMaria » Sa 5. Dez 2009, 11:28

Petra hat geschrieben: ... wenn - was Ihr beide ansprecht - am Ende nicht die harten Lippen wären. Und die schrillen Stimmen. Überhaupt das negative weibliche Bild.


Hallo Petra, hallo Wolf,

ich denke, wir dürfen auch nicht vergessen, dass es aus der Sicht der Männer beschrieben wird, wie es Wolf bereits auf den Punkt brachte in seinem obigen Beitrag.

Seit dem Sündenfall im Garten Eden drückt man den Frauen ein "Feindbild", eine Schuld, auf, vielleicht hat dies damit zu tun.


Edit:
Petra hat geschrieben: Demnach wird die Zeder im Alten Testament als Symbol der Schönheit, der Jugend und Macht beschrieben. Und das passt ja hier wieder: Die Frauen haben in der Erzählung ja eine große Macht auf die Männer. Auf jeden Fall ein interessanter Gedanke.


ein treffender Gedanke. Danke.

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Re: Lydia Davis: Fast keine Erinnerung. Stories

Beitragvon Petra » Mo 7. Dez 2009, 12:29

Hallo zusammen,

Du hast recht, Maria, man darf nicht vergessen, dass es aus Sicht der Männer geschrieben ist. Vielleicht ist das die Erklärung. Sie stellt mich zwar nicht letztendlich zufrieden, aber es ist was dran.

Inzwischen habe ich auch die nächste Erzählung, "Die Katzen im Tagesraum des Gefängnisses", gelesen. Und auch diese ist wieder eine derjenigen, die mich ratlos zurücklassen. Geht es Euch anders? Dass sie manchmal nur einen Gedanken hin- und herwirft, passt hierauf auch nicht. Eine Bedeutung lese ich aber auch nicht aus dem Ganzen heraus. Ihr denn?

Das einzige, was mir aufgefallen ist: Es wird geschrieben, dass die Häftlinge von kleinem Wuchs waren. Und der Gouverneur, der sich ja dann auch einsetzt, ebenfalls von kleinem Wuchs war. Weil er sich wegen der Größe mit ihnen gleich fühlt? Ist er deshalb so engagiert?

Aber so recht verstehen/zuordnen kann ich das nicht. Am Ende sind die Häftlinge ja größer. Die kleineren sind entlassen. Aber der Gouverneur ist immer noch da. Sehr merkwürdig, undurchsichtig und rätselhaft für mich das ganze. Vielleicht habt Ihr ja noch Gedanken und Ideen.
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Re: Lydia Davis: Fast keine Erinnerung. Stories

Beitragvon JMaria » So 13. Dez 2009, 11:18

Hallo Petra, hallo Wolf,

["Die Katzen im Tagesraum des Gefängnisses"]
Diese Kurzgeschichte lässt mich auch ergebnislos zurück. Gedankenansätze lösten sich gegen Ende in Luft wieder auf. Sehr seltsam.

Greifbar ist für mich lediglich, dass wieder etwas in "Unordnung", aus dem "Gleichgewicht" geraten ist.

Im frühen Mittelalter galt die Katze als guter Hausgeist, später wurde sie zu einem Symbol für den Teufel.

Das erstere könnte sie für die Insassen des Gefängnisses sein, wenn sie nicht soviele wären und man auf Sauberkeit achten würde. Zu dem letzteren wurden sie, denn sie wurden gejagt und abgeschossen.

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Re: Lydia Davis: Fast keine Erinnerung. Stories

Beitragvon Wolf » Mi 16. Dez 2009, 21:25

Hallo Petra und Maria,

wirklich eine sehr merkwürdige Katzengeschichte, die Lydia Davis uns da erzählt. Mir geht es wie Euch beiden: so richtig kann ich mit dieser Geschichte nichts anfangen. Man ist als Leser mit dem ersten Satz gleich mitten im Geschehen: "Das Problem waren die Katzen ...", diese Katzen lösen bei den (kleinwüchsigen) Häftlingen so etwas wie eine Allergie aus, weshalb sie sich an den (kleinwüchsigen) Gouverneur wenden, der wiederum den (anscheinend nicht kleinwüchsigen) Gefängnisdirektor beauftragt, das Problem zu lösen, was dieser dann mit dem Gewehr erledigt. Interessant ist, daß der Direktor "schon seit Jahren nicht mehr im Tagesraum gewesen" war, er hat sich offenbar nicht sehr gut um sein Gefängnis gekümmert. Die Katzen und die Menschen kommen nicht miteinander aus, wenn es den einen gut geht, geht es den anderen schlecht.

Ob das ganze irgendwie metaphorisch gemeint ist? Ich habe da meine Zweifel ... wahrscheinlich wird da einfach nur eine Geschichte erzählt, die der Autorin in den Kopf gekommen ist. Bei Träumen ist es ja auch manchmal so, daß da seltsame Dinge passieren und man nach dem Aufwachen versucht ist, der Traumhandlung (die man sich ja selbst im Schlaf ausgedacht hat) einen tieferen Sinn zu unterlegen, der aber womöglich gar nicht existiert, oder den man jedenfalls nicht in kurzen Worten ausdrücken könnte. Und einem Erzähler oder einer Erzählerin geht es eben in erster Linie ums Erzählen, nicht darum, eine (versteckte) Botschaft zu übermitteln, denn die könnte man ja dann auch gleich direkt hinschreiben.

Wenn ich einen Kurzgeschichtenband lese, dann ist es normal, daß mich manche Geschichten mehr ansprechen als andere, und wenn ich mit einer Geschichte nichts anfangen kann, dann lese ich eben gleich die nächste. :-)

Eine Stelle, die mir noch aufgefallen ist:

Ein Mensch hat vielerlei zu tun, aber eine Katze hat sich in jedem Augenblick ihres Lebens nur einer einzigen Sache zu widmen. Deshalb wirkt sie immer so ganz ausbalanciert ...


Schöne Grüße,
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Re: Lydia Davis: Fast keine Erinnerung. Stories

Beitragvon Petra » Do 17. Dez 2009, 15:31

Hallo zusammen,

dann wart Ihr über die Erzählung ja ähnlich ratlos wie ich! Maria, Deine Ansätze finde ich auch gut. Doch tendiere ich mehr zu Wolfs Annahme:

Wolf hat geschrieben:Ob das ganze irgendwie metaphorisch gemeint ist? Ich habe da meine Zweifel ...


Aber dass siehst Du selbst ja genauso. Es ist nur ein Versuch sich das irgendwie doch zu erklären, was Lydia Davis da geschrieben hat. Denn das versuche ich ja auch immer irgendwie.

Aber vielleicht trifft da am ehestens Wolfs Gedanke zu: Wie ein Traum. Der erscheint einem auch manchmal bedeutungsschwer und symbolisch. Ist es aber oft gar nicht - oder nur sehr bedingt. Und so ist es vielleicht auch mit dieser Erzählung.

Herausheben möchte ich noch die Stelle, die Dir aufgefallen ist, Wolf:

Ein Mensch hat vielerlei zu tun, aber eine Katze hat sich in jedem Augenblick ihres Lebens nur einer einzigen Sache zu widmen. Deshalb wirkt sie immer so ganz ausbalanciert ...


Die fand ich nämlich auch bemerkenswert. Denn sie ist so wahr - aus beiderlei Sichten. Der der Katzen (sie widmen sich wirklich immer nur einer einzigen Sache und wirken immer ausbalanciert - vielleicht deswegen) und der Menschen (sie widmen sich selten nur einer einzigen Sache und wirken auch wirklich selten ausbalanciert). Eine schöne Beobachtung somit. Und für mich auch ein Denkanstoß: Ich bin nämlich so gar nicht ausbalanciert! Und in Zeiten (wie im Moment) wo ich besonders viel um die Ohren habe, spüre ich das noch deutlicher! Und es gefällt mir nicht! Und in einigen Bereichen kann ich gegensteuern und fühle mich durch solche Gedankenanstöße dazu ermuntert und aufgerufen. Schön, wenn ein Autor einem solch eine Botschaft geben kann! :-)

Wolf hat geschrieben:Wenn ich einen Kurzgeschichtenband lese, dann ist es normal, daß mich manche Geschichten mehr ansprechen als andere,...


Stimmt, das ist wahr!

Wolf hat geschrieben:...und wenn ich mit einer Geschichte nichts anfangen kann, dann lese ich eben gleich die nächste. :-)


Das finde ich genau richtig! Mich hielt selbst davon ab, dass ich mich beim lesen von solchen Erzählungen nicht so sicher fühle. Ich stelle fest, dass andere oftmals viel mehr herauslesen als ich. Und dann frage ich mich ob ich nur wieder auf dem Schlauch stehe oder es da wirklich nichts herauszulesen gibt! ;-)

Umso froher bin ich hier um die Leserunde. Denn bei Lydia Davis scheint es wirklich so zu sein, dass man sich nicht bei jeder ihrer Erzählungen große Gedanken machen muss/sollte. Somit - auf zur Nächsten! ;-)

Es folgte "Ehefrau Eins auf dem Land". Hiermit konnte ich wieder mehr anfangen. Insbesondere da Ihr mich schon drauf vorbereitet habt, dass Lydia Davis oft einen Gedanken nur hin- und herwirft, von links nach rechts dreht, und wieder zurück. Und genau das tut sie hier. Und spricht dadurch viel zwischen den Zeilen aus. Die missglückte erste Ehe. Die Gedanken und Gefühle der ersten Ehefrau. Man bekommt ein Bild davon, wie ihr Ex-Mann jetzt mit der zweiten Frau zusammen lebt. Vieles, was sie früher ertragen hat (z. B. die nervige Schwester) hat Ehefrau Zwei nun zu ertragen. Auch würde es Ehefrau Eins nicht wundern, wenn es irgendwann eine Ehefrau Drei gäbe. Sie scheint ihrem Mann keine Beständigkeit zuzutrauen. Die erste Ehe ist anscheinend in erster Linie an ihm (seiner Untreue) gescheitert. Und zurück bleibt Ehefrau Eins am Ende der Geschichte frustiert und einsam. Diese Gefühle schlagen dem Leser entgegen, obwohl Lydia Davis Ehefrau Eins eigentlich nur Gedanken hin- und herwerfen lässt. Sehr interessant und eindrucksvoll und außergewöhnlich - besonders im Hinblick auf Eure Erklärungen zum Erzählstil der Autorin. Allein damit schon habt Ihr mir die Schriftstellerin und ihre Vorgehensweise (und somit auch zum Teil ihre Geschichten) näher gebracht! Ihr seid einfach klasse! :-) Ohne Euch hätte ich das Buch (obwohl ich die Erzählungen sehr schön zu lesen finde) sicher weggestellt und hätte nicht gewusst, wie ich die Autorin und ihre Geschichten zu nehmen habe. Danke!
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Lydia Davis: Fast keine Erinnerung. Stories

Beitragvon JMaria » Do 24. Dez 2009, 14:50

Hallo zusammen,

Petra hat geschrieben: Es folgte "Ehefrau Eins auf dem Land".

Hiermit konnte ich wieder mehr anfangen. Insbesondere da Ihr mich schon drauf vorbereitet habt, dass Lydia Davis oft einen Gedanken nur hin- und herwirft, von links nach rechts dreht, und wieder zurück. Und genau das tut sie hier. Und spricht dadurch viel zwischen den Zeilen aus. Die missglückte erste Ehe. Die Gedanken und Gefühle der ersten Ehefrau. Man bekommt ein Bild davon, wie ihr Ex-Mann jetzt mit der zweiten Frau zusammen lebt. Vieles, was sie früher ertragen hat (z. B. die nervige Schwester) hat Ehefrau Zwei nun zu ertragen. Auch würde es Ehefrau Eins nicht wundern, wenn es irgendwann eine Ehefrau Drei gäbe. Sie scheint ihrem Mann keine Beständigkeit zuzutrauen. Die erste Ehe ist anscheinend in erster Linie an ihm (seiner Untreue) gescheitert. Und zurück bleibt Ehefrau Eins am Ende der Geschichte frustiert und einsam. Diese Gefühle schlagen dem Leser entgegen, obwohl Lydia Davis Ehefrau Eins eigentlich nur Gedanken hin- und herwerfen lässt. Sehr interessant und eindrucksvoll und außergewöhnlich - besonders im Hinblick auf Eure Erklärungen zum Erzählstil der Autorin.



Petra, du hast die Kürzestgeschichte perfekt zusammengefasst. Diese Wortdrehungen fand ich am interessantesten und dass man damit soviel preisgibt. Im Original muß sich das ja noch intensiver lesen, stell ich mir vor.

Mir kam dann noch der Gedanke, dass der Ehemann wohl am Besten mit der Situation klar kommen könnte. Er wird nicht erwähnt, seine Ehefrauen halten bzw. hielten alles Störende von ihm fern, sogar der Sohn ist bereits so getrimmt.

Gruß,
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Re: Lydia Davis: Fast keine Erinnerung. Stories

Beitragvon Petra » So 27. Dez 2009, 23:37

Hallo zusammen,

da hast Du aber noch eine sehr interessante und in meinen Augen richtige Beobachtung gemacht! Denn in der Tat wird vom Mann durch die Frauen alles fern gehalten. So ist es nicht verwunderlich, dass er scheinbar keine Sorgen um all das hat. Im Grunde trifft das - denke ich - auf viele Beziehungen zu. Faszinierend, wie Lydia Davis das in dem kurzen Text alles zum Ausdruck gebracht hat. Auch so deutlich. Und das nur indem sie ihre Figur scheinbar belanglose Gedanken hin- und herdrehen lässt.

Und stimmt: Auch der Sohn wird schon in diese Richtung getrimmt. Wirklich faszinierend und von Dir gut beobachtet, Maria!
Liebe Grüße,
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Re: Lydia Davis: Fast keine Erinnerung. Stories

Beitragvon Petra » So 3. Jan 2010, 15:19

Hallo zusammen,

eben habe ich die erste Geschichte von Lydia Davis im neuen Jahr gelesen: Der Frischwassertank.

Eine kleine Betrachtung über die Gesetze der Natur, denen auch wir Menschen "unterliegen". Egal wie intellektuell wir sind/werden, auch wir bleiben Jäger. Gesittet zwar (unsere Beute schwimmt friedlich in einem Frischwassertank), aber doch sind wir die Jäger und die Kreaturen in dem Tank unsere Beute.

Und diese Gedanken über noch lebende Tiere, die ich beobachte (z. B. Fische) und die gleich, wenn ich mich dazu entschließe ein Fischgericht zu essen, schon tot sein werden (nicht durch mich, aber wegen mir), kenne ich auch. Das hat Lydia Davis aber sehr schön niedergeschrieben. Gefällt mir.

Auch der Titel gefällt mir. Sie hätte auch unzählige andere - plumpere - Titel wählen können. Ihrer spricht mich jedoch mehr an, als deutlichere (z. B. irgendwas mit Opfer oder Jäger oder Beute) es könnten.
Liebe Grüße,
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Re: Lydia Davis: Fast keine Erinnerung. Stories

Beitragvon JMaria » So 10. Jan 2010, 16:33

Hallo Petra, hallo Wolf,

die Gedanken die du beschreibst kann ich sehr gut nachvollziehen. Es geht sogar soweit, dass ich sogar Hemmungen habe, eine solche Wahl im Restaurant zu treffen. Fühlte ich mich doch wie ein Scharfrichter, obwohl auch das Steak vom lebendigen Rind kam. Nur halt sah ich dem Rind nicht ins "Auge". Diese Konfrontation mit uns selbst und unsrer oft inkonsequenten Denkweise, ist es, was Lydia Davis fast schon erschreckend spielerisch vorführt.

Wie du schreibst, sogar der Titel "Der Frischwassertank" birgt an sich noch keine Gefahr.

Liebe Grüße
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Re: Lydia Davis: Fast keine Erinnerung. Stories

Beitragvon Petra » Mo 11. Jan 2010, 09:10

Hallo Maria und Wolf,

schön, dass Du es auch so siehst, Maria! Und interessant, dass es Dir auch oft so geht. Zwar nicht überraschend, denn Lydia Davis spricht hier etwas sicher allzu menschliches an und erreicht mit diesem kurzen Text schon gewiss eine große Menge Menschen, die das nachempfinden können, weil sie ähnlich denken. Aber dennoch: Es ist interessant an solch einem Text zu merken, dass man - was man schon vermutet - nicht der einzige ist, der solche inkonsequenten Gedanken hegt: Stück vom Rind ist ok (denn es ist ja eh schon tot und nicht wegen einem persönlich gestorben - und schon gar nicht musste man ihm zuvor ins Auge blicken), aber die Forelle auswählen, die jetzt dran glauben soll, damit ich leckeren Fisch essen kann...?

Übrigens hatte ich mal einen kleinen Gewissenskonflikt in der Türkei. Ayhan wollte, als wir in seinem Dorf waren, für mich ein Lamm schlachten lassen. Es wäre sicherlich nicht so nett und höflich gewesen, das abzulehnen. So verhinderte ich es nicht. Aber die Gedanken, dass das Lamm jetzt seinen letzten Tag hat und es wegen mir sterben soll... das war mir gar nicht recht!

Auch das mit den Forellen ging in der Türkei ähnlich wie im Frischwassertank. Wir waren da oft Forelle essen. Zwar haben wir sie uns nicht persönlich ausgesucht (das ist mir auch deutlich lieber so!), aber sie mussten explizit für uns ihr Leben lassen. Komisches Gefühl.

Und ich finde es interessant und faszinierend, dass Lydia Davis solche Gedanken in ihren Texten aufgreift. Und mit so wenigen (zudem nüchternen) Worte so intensiv herüberbringt.
Liebe Grüße,
Petra


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