Leserunde: Virginia Woolf - Nacht und Tag

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Re: Leserunde: Virginia Woolf - Nacht und Tag

Beitragvon steffi » Mi 22. Feb 2012, 10:59

JMaria hat geschrieben:Mir gefällt sehr gut, wie V.W. von Kapitel zu Kapitel die Perspektive ändert und wir dadurch schrittweise mehr über die Personen erfahren.


Ja, das ist wunderbar gemacht. So bleibt es immer spannend, obwohl nichts aufregendes passiert. Mich erinnert der Aufbau auch an die Geschichten von Jane Austen, auch da erfährt man immer so nach und nach weiteres und es scheint doch im Grunde ein "marriage-plot" zu sein.

Am besten bisher gefiel mir Kapitel XV, auch so eine Ähnlichkeit mit Jane Austen - die Landschaft und die Atmosphäre kann VW doch einfach wunderbar beschreiben. Auch wenn es mich etwas wundert, wie man in der Weihnachtszeit Rosen schneiden und den Garten bewundern kann, naja aber vielleicht in England ? Mary scheint sich auch dort sehr sicher zu fühlen, obwohl ihr Verstand natürlich für das Frauenwahlrecht und die politische Aktivität ist, scheint ihr Gefühl sich dort wohler zu fühlen. Ich bin gespannt, wie sich Ralph dort einfügt.

Ich komme zu Kapitel XVI.
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Re: Leserunde: Virginia Woolf - Nacht und Tag

Beitragvon JMaria » Mi 22. Feb 2012, 12:04

steffi hat geschrieben:
JMaria hat geschrieben:Mir gefällt sehr gut, wie V.W. von Kapitel zu Kapitel die Perspektive ändert und wir dadurch schrittweise mehr über die Personen erfahren.


Ja, das ist wunderbar gemacht. So bleibt es immer spannend, obwohl nichts aufregendes passiert. Mich erinnert der Aufbau auch an die Geschichten von Jane Austen, auch da erfährt man immer so nach und nach weiteres und es scheint doch im Grunde ein "marriage-plot" zu sein.



ein schöner und treffender Begriff ! :-)

Die Salonkonversation im Kapitel XII ist direkt Oscar Wilde verdächtig - diese Tanten :lol:

Treffsichere Situationskomik - ich kann mich nicht erinnern, eine solche Virginia Woolf erlebt zu haben. z.B. die Stelle, als Katharine in Rodneys Wohnung ist, in sein Bücherregal schaut und ihm sagt, dass sie ihn heiraten wird und bemerkt erst, als er umgezogen wieder ins Zimmer tritt, dass er garnicht anwesend war. :D

noch ist mir nicht so recht klar, wie die Deutung der Literatur zu sehen ist. Katharine liest moderne Bücher, sagt aber, dass sie Bücher hasst. Wenn sie ihren Eltern vorliest und diese sie auffordern doch ein 'richtiges' Buch herauszusuchen, gibt sie ohne Widerspruch nach. Man hat das Gefühl, sie ist der Meinung ihrer Eltern.

Hat sie etwa Angst vor den Offenbarungen und Gedanken, die die moderne Literatur ihr einpflanzen können?

Ich komme zum XIII Kapitel.
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Re: Leserunde: Virginia Woolf - Nacht und Tag

Beitragvon JMaria » Do 23. Feb 2012, 11:49

Hallo Steffi,

einfügen möchte ich zwei Textstellen, die ich besonders schön fand.
Die erste beschreibt die aufkeimende Liebe, wenn vieles noch Traum ist und die Wirklichkeit dann den Traum noch übertrifft. Fand ich sehr schön im Kapitel XII beschrieben. Ralph zieht hier folgende Erkenntnis:

Die ganze Straße entlang, vor ihrer Haustür, und noch während er die Treppen hinaufstieg, hatte ihn sein Traum von Katharine beherrscht; und auf der Türschwelle des Zimmers hatte er sich dann von ihm getrennt, um eine allzu schmerzliche Kollision zwischen dem, was er von ihr träumte, und dem, was sie war, zu vermeiden. Und binnen fünf Minuten hatte sie die Hülle des alten Traums mit lebendigem Fleisch gefüllt; blickte feurig aus den Auges des Phantoms. Er sah sich verwirrt um.... und aus den Tiefen seines Denkens stieg ungezügelt die freudvolle Erkenntnis der Wahrheit auf, daß das menschliche Wesen in seiner Schönheit alles übertrifft, was uns unsere wildesten Träume nur andeutungsweise vermitteln können.


im Kapitel XVI ist der Beginn so allumfassend, wie man das in den späteren Romanen gewöhnt ist, das Detail der Nähe ins Große, hier Kosmos, gesetzt:

In die gleiche schwarze Nacht, in fast die gleichen sternhelle Luftschicht blickte jetzt Katharine Hilbery, wenn auch nicht, um die Aussichten auf schönes Wetter für eine Entenjagd am nächsten Tag zu prüfen. Sie ging einen Kiesweg im Garten von Stogdon House auf und ab, und ihre Sicht auf das Firmament wurde teilweise durch die schlanken, blattlosen Bögen einer Pergola behindert. So verdeckte zum Beispiel ein Clematiszweig völlig die Kassiopeia, oder er löschte mit seinem schwarzen Geflecht Tausende von Meilen der Milchstraße aus.
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Re: Leserunde: Virginia Woolf - Nacht und Tag

Beitragvon steffi » Do 23. Feb 2012, 14:56

JMaria hat geschrieben:


im Kapitel XVI ist der Beginn so allumfassend, wie man das in den späteren Romanen gewöhnt ist, das Detail der Nähe ins Große, hier Kosmos, gesetzt:

Das hast du schön gesagt !

Ich finde auch, dass die Charaktere, obwohl genau beschrieben, doch nicht so richtig zu fassen sind. Ich denke aber, da sie alle noch auf der Suche nach sich selbst bzw. ihrem Lebensentwurf sind, passt das ganz gut. Was mir ein bißchen fehlt und ich glaube, dass es eben daran liegt, dass es ihr zweiter Roman ist, ist, die einzelnen Kapitel in einen Zusammenhang zu bringen. Klar, es gibt die zeitliche Reihenfolge, aber eine passende Verbindung ist nicht da. Ich denke da an Mrs. Dalloway, wie VW da dieses verbindende Band geschaffen hat, das ist einzigartig.

Die Szenen auf dem Land finde ich herrlich - die Familie von Mary mit all den Cousins und Cousinen und auch der Ausflug in die Stadt ! Ich könnte auch direkt daran denken, dort ein Cottage zu nehmen und dort zu wohnen. :D Ob Ralph seinen Gedanken umsetzen wird ?

Mit der Zeit merke ich, dass ich Mary und Ralph sympatischer finde als Katharine und Rodney . Vielleicht, weil beide irgendwie bodenständiger wirken, schon Ideale haben und tatkräftiger wirken ?
Sie könnten den Tag verkörpern, während Katharine und Rodney vielleicht die Nacht sind (jedenfalls passt Astronomie und Poesie besser in die Abendstunden ;) )
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Re: Leserunde: Virginia Woolf - Nacht und Tag

Beitragvon JMaria » Do 23. Feb 2012, 18:24

steffi hat geschrieben: Am besten bisher gefiel mir Kapitel XV, auch so eine Ähnlichkeit mit Jane Austen - die Landschaft und die Atmosphäre kann VW doch einfach wunderbar beschreiben. Auch wenn es mich etwas wundert, wie man in der Weihnachtszeit Rosen schneiden und den Garten bewundern kann, naja aber vielleicht in England ? Mary scheint sich auch dort sehr sicher zu fühlen, obwohl ihr Verstand natürlich für das Frauenwahlrecht und die politische Aktivität ist, scheint ihr Gefühl sich dort wohler zu fühlen. Ich bin gespannt, wie sich Ralph dort einfügt.


ja, ich habe manchmal auch das Gefühl, als ob ich mich in einem Jane Austen Roman befinde, z.B. wenn Mary und Ralph über die Äcker spazieren und über einen Zauntritt steigen; da sieht man schon Miss Bennett in Gedanken vor sich :-)

ich habe im Wikipedia mal nach dem Klima in East Anglia geschaut (wir befinden uns ja irgendwo in Lincolnshire lt. Anhang) und fand folgende Aussage:

Die Gegend ist sehr flach und besteht größtenteils aus Moor, Niedermoor und anderen moorähnlichen Landschaften. Klimatisch ist das Gebiet im Verhältnis zum ozeanischen Klima der Britischen Inseln kontinental beeinflusst; man findet dort Sonnenblumenfelder ebenso wie Lavendel- und Weinanbau. http://de.wikipedia.org/wiki/East_Anglia

scheint durchaus eine Gegend mit milden Klima zu sein,
aber Rosen kurz vor Weihnachten? Ich weiß auch nicht.
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Re: Leserunde: Virginia Woolf - Nacht und Tag

Beitragvon JMaria » Fr 24. Feb 2012, 14:51

steffi hat geschrieben: Ich finde auch, dass die Charaktere, obwohl genau beschrieben, doch nicht so richtig zu fassen sind. Ich denke aber, da sie alle noch auf der Suche nach sich selbst bzw. ihrem Lebensentwurf sind, passt das ganz gut. Was mir ein bißchen fehlt und ich glaube, dass es eben daran liegt, dass es ihr zweiter Roman ist, ist, die einzelnen Kapitel in einen Zusammenhang zu bringen. Klar, es gibt die zeitliche Reihenfolge, aber eine passende Verbindung ist nicht da. Ich denke da an Mrs. Dalloway, wie VW da dieses verbindende Band geschaffen hat, das ist einzigartig.


noch ein paar Gedanken dazu.
V.W. schrieb neben "Nacht und Tag" zeitgleich an "Kew Gardens", ihre erste experiementielle Kurzprosa, und beide wurden im selben Jahr publiziert. Das Schreiben ist ihr in der Zeit erstaunlich gut von der Hand gegangen. Ihre späteren Romane sind in ihrer Moderne und dem experiementiellen Stil schon einzigartig und Mrs. Dalloway eine ihrer stärksten Heldinnen, wie ich finde. Obwohl ich am liebsten Mrs Ramsey und Lily Briscoe mag. Ich bin am überlegen, ob ich in diesem Jahr nicht weiter mit V.Ws Romanen mache, in der Reihenfolge, wie sie erschienen sind um ihre Entwicklung nochmals zu erleben.

Ich bin überrascht, wie gut mir auch ihr konventioneller Stil gefällt. Ihr Spiel mit Jane Austen (Marriage Plot), Charlotte Bronte (Leidenschaft) und Henry James (Tragödie) mit ihrem ganz persönlichen Beobachtungsstil zum Detail zu kombinieren, daraus entstand eine tolle Kombination, die mir sehr zusagt.

Wenn Ralph laut den Namen der abwesenden "Katharine, Katharine" ruft, als ob er sie heraufbeschwören will, ist das große Leidenschaft, wenn Katherine ermüdet und resigniert wirkt, nach dem doch nutzlosen Kampf um mehr Eigenständigkeit und den Konventionen nachgibt, ist das im Grunde eine Tragödie a la Henry James. Dass V.W. allerdings neben ihrer Detailfreude, die Gefühle mehrerer Beteiligten, also nicht nur der von Katharine, beschreibt, weicht ab vom damaligen Stil und es schimmert schon eine gewisse Ironie durch, wenn man über Rodneys Tränen liest, oder über die komplizierten Gefühle von Ralph erfährt.

Ich bin fasziniert !

Das bisher längste Kapitel war das Kapitel XVIII. Darin spürt man Katharines Resignation sehr deutlich:

Sie wollte niemanden heiraten. Sie wollte sich ganz allein irgendwo niederlassen, am besten in einem öden Moor im Norden, um dort Mathematik und Astronomie zu studieren......

....Ein pessimistischer Augenblick, ein plötzliches Überzeugtsein von der nicht zu leugnenden Nüchternheit des Lebens, das Einstürzen jener Illusion, die die Jugend zwischen Himmel und Erde schweben läßt, ein verzweifelter Versuch, sich mit den Tatsachen abzufinden - sie konnte sich nur an einen Augenblick erinnern, wie das Erwachen aus einem Traum, der ihr jetzt als ein Augenblick der Kapitulation erschien.



Mit der Zeit merke ich, dass ich Mary und Ralph sympatischer finde als Katharine und Rodney . Vielleicht, weil beide irgendwie bodenständiger wirken, schon Ideale haben und tatkräftiger wirken ?

Sie könnten den Tag verkörpern, während Katharine und Rodney vielleicht die Nacht sind (jedenfalls passt Astronomie und Poesie besser in die Abendstunden )


ein sehr guter Gedanke ! :-)

Ich komme zu Kapitel XIX.
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Re: Leserunde: Virginia Woolf - Nacht und Tag

Beitragvon steffi » Fr 24. Feb 2012, 17:08

JMaria hat geschrieben: Ihre späteren Romane sind in ihrer Moderne und dem experiementiellen Stil schon einzigartig und Mrs. Dalloway eine ihrer stärksten Heldinnen, wie ich finde. Obwohl ich am liebsten Mrs Ramsey und Lily Briscoe mag. Ich bin am überlegen, ob ich in diesem Jahr nicht weiter mit V.Ws Romanen mache, in der Reihenfolge, wie sie erschienen sind um ihre Entwicklung nochmals zu erleben.

Ich bin überrascht, wie gut mir auch ihr konventioneller Stil gefällt. Ihr Spiel mit Jane Austen (Marriage Plot), Charlotte Bronte (Leidenschaft) und Henry James (Tragödie) mit ihrem ganz persönlichen Beobachtungsstil zum Detail zu kombinieren, daraus entstand eine tolle Kombination, die mir sehr zusagt.


Sehr interessant ! Es stimmt, der Perspektivwechsel ist tatsächlich etwas Neues, das wäre mir gar nicht aufgefallen. Und auch scheint mir, dass sie das Beste aus den konventionellen Schriftstellern genommen hat um am Anfang eines ganz neuen Stils zu stehen. Durch die Erzählungen und Kurzprosa weiß man ja, dass sie viel experimentierte und dies auch in die Romane einbaute. Die konzetration auf die 4 Hauptpersonen findet man ja auch in den "Wellen" wieder. Ein sehr schöner Gedanke, die Romane in der zeitlichen Reihenfolge zu lesen !

Mir gefällt ja VW am allerbesten, wenn sie die Natur miteinbezieht und alles im Sinne eines Gemäldes darstellt, daher mag ich auch den "Leuchttum" und dort Mrs Ramsey besonders gerne. Aber als Gesamtkomposition gefällt mir "Mrs Dalloway" am besten. Trotzdem hätte ich nicht gedacht, wie facettenreich "Nacht und Tag" ist, der Roman ist doch wenig präsent und wird auch selten erwähnt. Ich finde auch, dass sie die Geschichte sehr öffnet, weil es viele unterschiedliche Zugänge zu den Personen gibt.
Gruss von Steffi

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Re: Leserunde: Virginia Woolf - Nacht und Tag

Beitragvon JMaria » Fr 24. Feb 2012, 18:26

steffi hat geschrieben:
Mir gefällt ja VW am allerbesten, wenn sie die Natur miteinbezieht und alles im Sinne eines Gemäldes darstellt, daher mag ich auch den "Leuchttum" und dort Mrs Ramsey besonders gerne. Aber als Gesamtkomposition gefällt mir "Mrs Dalloway" am besten. Trotzdem hätte ich nicht gedacht, wie facettenreich "Nacht und Tag" ist, der Roman ist doch wenig präsent und wird auch selten erwähnt. Ich finde auch, dass sie die Geschichte sehr öffnet, weil es viele unterschiedliche Zugänge zu den Personen gibt.


dann ist dir sicherlich aufgefallen, dass vermehrt Holzarten im Kapitel XVIII auftauchten. Ich weiß nicht ob das etwas bestimmtes bedeuten soll, außer dass wir uns auf dem Land befinden.

Beispiele:
Mary und Ralph spazieren übers Land sehen dünne Bäume; Mary hat einen Eschenstock (Spazierstock, Original heißt es ashplant) und reißt Efeu aus den Bäumen und wickelt es sich um den Stock. Am Ende, als Ralph Katharine sieht, wickelt sie das Efeu ab und behält nur zwei Blätter.

(Übrigens, soweit ich mich erinnere benutzt auch Stephen Dedalus in Ulysses einen Ashplant/Spazierstock. Ich mag solche Zufälligkeiten (?). Virginia Woolf und James Joyce schrieben ja ungefähr zur gleichen Zeit; Ulysses erschien vollständig erstmals 1922. Ashplant scheint auch ein typisch irischer Ausdruck für einen Spazierstock zu sein).

weiteres Beispiel:
Katharine und Rodney verweilen total desillusioniert unter einer Eiche und ruhen sich auf dem braun verdorrten Farnkraut aus und der Wind umwirbelt sie mit altem Laub, auf ihrem Kleid zwei, drei abgestorbene Buchenblätter.

toll, wie sie die Natur mit der Gemütsbewegung verbindet. Mir fällt spontan keine zeitgenössische Autorin ein, die das so gut beherrscht wie Virginia Woolf.

Wie weit bist du?
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Re: Leserunde: Virginia Woolf - Nacht und Tag

Beitragvon steffi » Sa 25. Feb 2012, 18:51

Ja, nicht - die Beschreibungen sind wunderschön ! Das mit dem Efeu und dem Farnkraut ist mir auch aufgefallen - das Farnkraut ist verdorrt (klar, es ist ja Winter), aber eben auch die Liebe droht zu verdorren. Im Farn verstecken sich in England gerne auch die Feen, er soll vor bösen Geistern schützen und man kann ihn auch zu Liebeszauber nehmen :?

Efeu - steht ja für ewige Liebe und Treue und Mary erkennt sehr genau, dass es damit nun nichts wird ...

Buche - sind Wunschbäume, aber auch Symbole für Weisheit und Schutz

Esche - die Zauberstäbe der Druiden waren oft aus Esche, Eschen zweige sind auch ein Symbol für eine glückliche Ehe

Ich mag solche mythologischen Anspielungen :D

JMaria hat geschrieben:(Übrigens, soweit ich mich erinnere benutzt auch Stephen Dedalus in Ulysses einen Ashplant/Spazierstock. Ich mag solche Zufälligkeiten (?). Virginia Woolf und James Joyce schrieben ja ungefähr zur gleichen Zeit; Ulysses erschien vollständig erstmals 1922. Ashplant scheint auch ein typisch irischer Ausdruck für einen Spazierstock zu sein).


Boah, was du dir alles merken kannst, toll !

Ich komme zu Kapitel XXIII.
Gruss von Steffi

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Re: Leserunde: Virginia Woolf - Nacht und Tag

Beitragvon JMaria » Mo 27. Feb 2012, 17:17

steffi hat geschrieben:Ja, nicht - die Beschreibungen sind wunderschön ! Das mit dem Efeu und dem Farnkraut ist mir auch aufgefallen - das Farnkraut ist verdorrt (klar, es ist ja Winter), aber eben auch die Liebe droht zu verdorren. Im Farn verstecken sich in England gerne auch die Feen, er soll vor bösen Geistern schützen und man kann ihn auch zu Liebeszauber nehmen :?

Efeu - steht ja für ewige Liebe und Treue und Mary erkennt sehr genau, dass es damit nun nichts wird ...

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Esche - die Zauberstäbe der Druiden waren oft aus Esche, Eschen zweige sind auch ein Symbol für eine glückliche Ehe

Ich mag solche mythologischen Anspielungen :D


ich auch :D
toller Service. Danke schön. Und es würde gut zum Kontext passen.

Leider bin ich am WE nicht sehr viel weiter gekommen. Mir fiel die Verschiedenheit und zugleich die Ähnlichkeit, wenn es um Ehrlichkeit geht, der beiden Frauen bei diesen Szenen auf.

Katharine zu Rodney trotz aller Zweifel:
William, ich werde dich heiraten. Ich werde versuchen, dich glücklich zu machen. Ende Kapitel XVIII

und Rodney reicht dies, jedenfalls im Moment, auch wenn er nur schwer versteht, dass sie ihn nicht liebt. Er will das nicht glauben.

Mary zu Ralph:
Nein, ich könnte dich nicht heiraten...
...Und mir ist eine Ehe ohne Liebe nichts wert.


ich habe das Kapitel XXI begonnen.
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