Leserunde: Roberto Bolaño- Die wilden Detektive

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Re: Leserunde: Roberto Bolaño- Die wilden Detektive

Beitragvon JMaria » Di 24. Mär 2020, 09:59

Ich komme nun zu Kapitel 8 .

Mir fiel auf, dass die letzten Kapitel immer zwischen 1977 und 1976 wechseln und wie der Aufenthalt in Sonora besonders Arturo mitgenommen haben muß. Es ist ja ein regelrechter Zerfall zu entdecken; verdreckt, gelbliche Zähne.... Arturo hat sich verändert. Zurück in Mexico schlägt er seine ehemalige Freundin, die ihn rauswirft... in Paris dagegen weigert er sich zu anfangs Simones Gewaltvorstellung im Bett mitzumachen. Ich kann nun Arturo nur mehr schwer fassen. Er löst sich irgendwie auf.

Auch Ulisses Lima wirkt in Paris als ob er sich entmaterialisiert, wenn ihn Polito wie ein Geist wahrnimmt und sich fürchtet.

Schon sehr interessant, die verschiedenen Perspektiven von den Leuten.

Aber die ganzen Kapitel sind voll vom Suchen in jeglicher Form.



:daumen_hoch:
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Re: Leserunde: Roberto Bolaño- Die wilden Detektive

Beitragvon steffi » Sa 28. Mär 2020, 19:10

Das mit dem Auflösen, es ist interessant, dass du es erwähnst. Mir ist es nämlich auch aufgefallen, dass sich manchmal der Gedanke einschleicht, dass die Arturo und Ulises verblassen. Je weiter es in den Erinnerungen der Befragten geht, desto unwirklicher werden sie. Und damit natürlich der Realviszeralismus ebenfalls.

Die Parisszenen haben mir ja gut gefallen. Nun bin ich aber zurück in Mexiko und Ulises reist mit einer Schriftstellerdelegation nach Nicaragua. Es sind die althergebrachten Schriftsteller, mit denen er eigentich nichts zu tun haben will. Dabei wird mir klar, wie groß auch der politische Einfluss der Schriftsteller damals in Mittel- und Südamerika war. Vielleicht sogar immer viel politischer als in Europa.
Gruss von Steffi

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Re: Leserunde: Roberto Bolaño- Die wilden Detektive

Beitragvon steffi » So 5. Apr 2020, 10:33

Ich komme zu Kapitel 19. Etwas neues hat sich nicht ergeben, mich ermüden aber auch ein bisschen die kurzen Schilderungen. Kaum habe ich mich eingelassen auf die Geschehnisse und Personen, sind sie auch schon wieder weg. Ich denke mir, dass das schon beabsichtigt ist, aber irgendwie nutzt mir diese Erkenntnis nicht viel :breit_grins:
Doch manchmal kommen wieder tolle Sätze oder eine tolle Atmosphäre- das hält mich bei der Stange. Wie geht es dir damit ?
Gruss von Steffi

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Re: Leserunde: Roberto Bolaño- Die wilden Detektive

Beitragvon JMaria » So 5. Apr 2020, 10:53

Hallo Steffi,

ich komme gerade nicht so voran. Mein Armbruch hat mich in eine Lese-Schockstarre geworfen :tuete_ueber_kopf:

Ich hinke 10 Kapitel hinter dir. Kapitel 9

Du schriebst, dass Bolano immer wieder Themen aufgreift. Das fiel mir auch in der „Hans“-Episode auf; ein Deutscher taucht auf wie in 2666.

Mir ist es nämlich auch aufgefallen, dass sich manchmal der Gedanke einschleicht, dass die Arturo und Ulises verblassen. Je weiter es in den Erinnerungen der Befragten geht, desto unwirklicher werden sie. Und damit natürlich der Realviszeralismus ebenfalls.


Genau. Wie es oft geschieht, wenn eine junge Generation rebelliert und doch sich irgendwann wieder in die Gesellschaft eingliedern, wegen Beruf und Familie es zweckdienlich ist.

Heute möchte ich mich wieder den wilden Detektive widmen.
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Re: Leserunde: Roberto Bolaño- Die wilden Detektive

Beitragvon JMaria » Sa 18. Apr 2020, 18:58

steffi hat geschrieben:Ich komme zu Kapitel 19. Etwas neues hat sich nicht ergeben, mich ermüden aber auch ein bisschen die kurzen Schilderungen. Kaum habe ich mich eingelassen auf die Geschehnisse und Personen, sind sie auch schon wieder weg. Ich denke mir, dass das schon beabsichtigt ist, aber irgendwie nutzt mir diese Erkenntnis nicht viel :breit_grins:
Doch manchmal kommen wieder tolle Sätze oder eine tolle Atmosphäre- das hält mich bei der Stange. Wie geht es dir damit ?



Ich könnte jetzt nicht sagen, dass der Stil mich ermüdet. Es ergibt sich für mich ein buntes, sich immer wieder wechselndes Kaleidoskop von Personen und Geschichten. Lima und Belano kommen und gehen wie eine Welle. Vermutlich sehen sie sich selbst in diesem graphischen „Gedicht“ von Cesarea Tinajero.

Nennt man so ein „Gedicht“ avantgardistisch? Tinajero wird dem Estridentismo zugeschrieben. Die Strömung gab es tatsächlich, bedeutet in etwa „Die Schrillen“.
https://de.wikipedia.org/wiki/Estridentismus
In der Zeit der Mexikanischen Revolution verschwand auch Ambrose Bierce. Auch eine interessante Geschichte.


In Kapitel 10 wurde... J. M. G. Arcimboldi... kurz erwähnt. Auch Heimito von Doderer wird genannt. Ich mag dieses Spiel zwischen erfundener und wirklicher Literatur.

Ich bin nun bei Kapitel 19.
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Re: Leserunde: Roberto Bolaño- Die wilden Detektive

Beitragvon steffi » Mi 22. Apr 2020, 16:43

Ich habe das Buch heute beendet.

Beeindruckt bin ich, mit welcher Virtuosität Bolaño die vielen verschiedenen Erzählebenen meistert und wie schillernd und interessant, aber auch mit einem satirischen Auge er diese schildert. Der Literaturbetrieb anhand den vielen Zeugen wird so vielfach beleuchtet und ist so lebendig. Lebendiger als die wilden Detektive, immer auf der Suche und doch seltsam gelähmt. Und am Ende das noch in einer Art roadmovie zu beschließen, hat mir richtig gut gefallen. Auch wenn es für mich hin und wieder zäh war, ergibt sich doch beim gesamten Betrachten ein stimmiges und abgerundetes Bild. Die Stimmung, die er wieder erschaffen hat, wird mir noch lange im Kopf bleiben.
Gruss von Steffi

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Re: Leserunde: Roberto Bolaño- Die wilden Detektive

Beitragvon JMaria » So 3. Mai 2020, 09:16

Hallo Steffi,

Ich habe das Buch nun auch beendet. Nicht nur die Stimmung wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben, auch manche Figuren, namentlich natürlich Ulisses und Arturo, aber auch manche der erzählerischen Personen, manche tauchten doch immer wieder auf, allein schon um den Bogen zwischen 1976 und dem Ende der Geschichte zu spannen. Besonders im letzten Drittel des II.Teils fand ich den Literaturbetrieb, wie er auf die Schippe genommen wird, fein beschrieben. Herrlich dieses Duell zwischen Autor und Kritiker. Feine Ironie, da wird Tragödie zu Komödie und umgekehrt. Toll !

Ist dir das Jahr 2600 und ein paar Zerquetschte aufgefallen im III.Teil? Das Ende als Roadmovie zu gestalten und nochmal das Augenmerk auf die Odyssee Und Suche nach der Dichterin zu lenken war echt passend.

Ich finde das Werk großartig! Ich fühlte mich selbst als Detektiv. Außerdem wirkt das Thema politisch und intellektuell immer noch aktuell.

Wieder mal ein Bolano-Highlight!

Danke fürs mitmachen, Steffi :lesen_und_nachdenken:

Am Ende noch ein Gedicht von Archilochos das Arturo zitiert...

„Mein Herz, mein Herz, wenn dich Zweifel bestürmen
Unüberwindliche, dann stehe auf!
Und wehre dich ihrer
Die Brust ihnen bietend, und dem Eifer des Feindes
Begegne mit Festigkeit.
Und gehst du hervor aus dem Streit
Als Sieger, Herz, laß es nicht merken, brüste dich nicht
Und auch als Besiegter nicht quäle daheim dich mit Tränen“
Schöne Grüße, Maria
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