Uwe Tellkamp: Der Turm

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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon steffi » Mi 6. Mai 2009, 08:54

JMaria hat geschrieben:und wenn man sich nicht verteidigen kann, dann schottet man sich ab, wie in einer Druse, einem mineralischen Hohlkörper.

Wenn ich das schon vorher gewusst hätte, hätte ich dir eine Druse aus dem Urlaub mitgebracht. Wir sahen einige sehr schöne ! Und ja, ich freu mich auch, bis nachher *wink*
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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon JMaria » Mi 6. Mai 2009, 14:42

steffi hat geschrieben:
JMaria hat geschrieben:und wenn man sich nicht verteidigen kann, dann schottet man sich ab, wie in einer Druse, einem mineralischen Hohlkörper.

Wenn ich das schon vorher gewusst hätte, hätte ich dir eine Druse aus dem Urlaub mitgebracht. Wir sahen einige sehr schöne ! Und ja, ich freu mich auch, bis nachher *wink*


Hallo Steffi,

über das schöne Lesezeichen mit Grand Canyon Motiv habe ich mich sehr gefreut. Danke dir ganz herzlich :D

Uns mangelt es ja nie am Gesprächsstoff, aber der "Turm" hat das heutige Frühstücken zu etwas ganz Besonderem gemacht.

dein Gedanke, dass eine Druse ja äußerlich unscheinbar ist, sogar hässlich erscheint, aber innerlich voller Farbe und Kristallen ist, ergibt für mich ein ganz neues Bild.

Ich habe in meiner Steinsammlung (früher habe ich mal ein paar gesammelt) auch eine aufgeschnittene Druse. Ich muß sie mir hersuchen und auf meinen kleinen Lesetisch im Wohnzimmer legen. Als Anschauungsmaterial während des Lesens :-)

Toll fand ich auch, dass wir plötzlich daraufgekommen sind, dass es bei den "Buddenbrooks" ja einen Christian gibt !

Na wenn das nicht bezeichnend ist !

Allerdings kommt mir unser Christian im Turm stärker vor; nämlich als jemanden auf den man eine Generation bauen kann; nicht wie bei den Buddenbrooks, dass eine Generation untergeht, da die Glieder schwächer werden. Aber soweit sind wir ja noch nicht. Wer weiß wie sich noch alles entwickelt.

und dann noch die Farbe "gelb"!
Darauf sollten wir weiter achten. Fontane liebte ja auch die Farbsymbolik.

ich meine die gelben Vorhänge im Tausendaugenhaus sind nicht umsonst genannt oder die Maréchal-Niel-Rosen. Ich war baff, als du erzählt hast, dass es gelbblühende Rosen sind.

Der "Turm" als Metapher finde ich sehr stark. Man ist beschützt, aber auch ausgegrenzt.

hach! Das Buch vermittelt einen starken Sog, dass es mich sogar während den alltäglichen Arbeiten nicht loslässt. Es gibt nur wenige Autoren, die das bei mir geschafft haben (Thomas Mann, Fontane, Woolf, Pamuk und Proust).

Liebe Grüße
Maria
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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon steffi » Mi 6. Mai 2009, 14:55

JMaria hat geschrieben:Uns mangelt es ja nie am Gesprächsstoff, aber der "Turm" hat das heutige Frühstücken zu etwas ganz Besonderem gemacht.

Ja, du hast recht - zusammen sind wir auf einige gute Gedanken gekommen !

dein Gedanke, dass eine Druse ja äußerlich unscheinbar ist, sogar hässlich erscheint, aber innerlich voller Farbe und Kristallen ist, ergibt für mich ein ganz neues Bild.


Es ist ja schwer, jetzt so ganz am Anfang so zu spekulieren, aber würdest du die Druse als Sinnbild für die DDR oder für das Turmviertel sehen ? oder für die einzelnen Personen ? Ich finde, das Bild passt auf alle.

Allerdings kommt mir unser Christian im Turm stärker vor; nämlich als jemanden auf den man eine Generation bauen kann; nicht wie bei den Buddenbrooks, dass eine Generation untergeht, da die Glieder schwächer werden. Aber soweit sind wir ja noch nicht. Wer weiß wie sich noch alles entwickelt.

Wir werden ihn im Auge behalten *g*

und dann noch die Farbe "gelb"!
Darauf sollten wir weiter achten. Fontane liebte ja auch die Farbsymbolik.

Auf die Farben hätte ich gar nicht geachtet, und das, obwohl mir ja auch immer verschiedene Bilder vor Augen stehen und die Farben schon sehr präsent zu sein scheinen. Danke, dass du mich darauf gebracht hast.

hach! Das Buch vermittelt einen starken Sog, dass es mich sogar während den alltäglichen Arbeiten nicht loslässt. Es gibt nur wenige Autoren, die das bei mir geschafft haben (Thomas Mann, Fontane, Woolf, Pamuk und Proust).


Da hast du ganz recht - es ist verblüffend. Wie viel zu entdecken ist und mit welch leichter Hand Tellkamp schreibt. Trotz des realistischen Stils berührt er oft mit seinen starken Bildern die Gefühle. Ich bin auch sehr begeistert !
Gruss von Steffi

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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon JMaria » Mi 6. Mai 2009, 15:37

steffi hat geschrieben:
Und Tellkamp hat ja auch noch eine Erzählung "Der Schlaf in den Uhren" geschrieben.



Hallo Steffi,

ich habe den Text gefunden:

für die Erzählung hat er 2004 den Bachmannpreis bekommen. Hier gehts zu einem Auszug des Textes:

http://bachmannpreis.orf.at/bachmannpre ... ies/13752/

beginnt mit Schlagwörter wie "Rosenkavalier", "abgekapselt" ...
bin gerade beim Durchlesen der Geschichte.

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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon steffi » Do 7. Mai 2009, 10:33

Hallo JMaria,

ach, das ist ja wunderbar - danke. Werde ich nachher auch gleich lesen.

zu Ostrom habe ich in meinem Geschichtslexikon noch gefunden, dass es (Byzantinisches Reich) sich immer als einzigen legitimen Erben des antiken Römischen Reiches betrachtet hat. Würde ja zum Humanismus sehr gut passen.
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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon JMaria » Do 7. Mai 2009, 10:45

Hallo Steffi,

steffi hat geschrieben: Und ja, wie verteidigt man sich ? Durch Humanismus, klassische Werte wie Bildung, Kunst und Musik ?

Dazu möchte ich gerne mal die Ideen der Postmoderne einbringen, die philosophische Strömung, in der wir uns eigentlich jetzt auch noch befinden.

In der Postmoderne steht nicht die Innovation im Mittelpunkt des (künstlerischen) Interesses, sondern eine Rekombination oder neue Anwendung vorhandener Ideen. Die Welt wird nicht auf ein Fortschrittsziel hin betrachtet, sondern vielmehr als pluralistisch, zufällig, chaotisch und in ihren hinfälligen Momenten angesehen. Quelle:wikipedia

Ist es nicht vielleicht auch eine Sehnsucht nach der Überwindung dieser Pluralität, nach konkreten, greifbaren und beständigen Werten, die man sucht ? Tellkamp wundert sich ja, warum das Buch so erfolgreich ist und ich könnte mir das als einen der Gründe vorstellen.


Diese Pluralität führt augenscheinlich zu einem Verlust von Tradition und Gemeinschaftsgefühl. Kannst du dich noch an unsere Diskussion vor ein paar Wochen erinnern, als wir über die gesellschaftliche Entwicklung in den USA sprachen; dieses Erziehen hin zum Einzelkampf; jeder für sich und an sich denkend?

Inwiefern war diese philosophische Strömung der Postmoderne in der ehemaligen DDR zu spüren? Der Marxismus und sein Klassenkampf hat ja auch die gesellschaftlichen Verhältnisse verändert. Doch sind meine Kenntnisse begrenzt um hier eine Verbindung zu erkennen.

Ich könnte mir vorstellen, dass Uwe Tellkamp nach neuen Perspektiven sucht und evtl. Alternativen andeutet, ohne Gefahr zulaufen das Gemeinschaftsgefühl zu verlieren.

Das würde symbolisch das Bild "Tauwetterlandschaft" andeuten. Ein traditioneller Titel, der einem eher ein Bild des Impressionismus vermittelt, den Traditionen angepasst, aber auch ein Wegbereiter ins Moderne.

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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon steffi » Do 7. Mai 2009, 10:54

Der Schlaf in den Uhren - ist schon recht beeindruckend, wie er mit der Zeit spielt und alles ineinanderfließen lässt in seiner Erinnerung. Eine kleine Reminiszenz an Proust und James Joyce, so habe ich es empfunden. Und die Bilder wieder, wie im "Turm" sehr präsent ! Ich bin begeistert !
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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon steffi » Do 7. Mai 2009, 11:01

Ich könnte mir vorstellen, dass Uwe Tellkamp nach neuen Perspektiven sucht und evtl. Alternativen andeutet, ohne Gefahr zulaufen das Gemeinschaftsgefühl zu verlieren.

Das würde symbolisch das Bild "Tauwetterlandschaft" andeuten. Ein traditioneller Titel, der einem eher ein Bild des Impressionismus vermittelt, den Traditionen angepasst, aber auch ein Wegbereiter ins Moderne.


Ja, das ist es sicherlich, was das Innere anspricht. Und auch, was das Buch über ein reines Sittengemälde heraushebt. Er wagt sich da schon konkret weiter vor, als Fontane, in dessen Tradition er aber auch steht. Inwieweit philosophische Ideen ihren Platz in der DDR hatten, weiß ich leider auch nicht. Aber eine Weiterentwicklung kann ja m.E. nur stattfinden, wenn man eben nicht auf den alten Werten sitzen bleibt. Daher finde ich auch den Begriff "Turm" so gut gewählt. Vielleicht hängt "Ostrom" auch damit zusammen, waren die Werte des Byzantinischen Reichs auch mehr in die Vergangenheit gerichtet. Was aber, und das wird auch bisher schon deutlich, ja nicht heißt, dass es in Westrom besser ist.
Gruss von Steffi

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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon JMaria » Do 7. Mai 2009, 15:15

steffi hat geschrieben: Daher finde ich auch den Begriff "Turm" so gut gewählt. Vielleicht hängt "Ostrom" auch damit zusammen, waren die Werte des Byzantinischen Reichs auch mehr in die Vergangenheit gerichtet. Was aber, und das wird auch bisher schon deutlich, ja nicht heißt, dass es in Westrom besser ist.


Hallo Steffi,

sehr interessant, der Hinweis zum Byzantinischen Reich. Ostrom - Westrom - Turm ... All das klingt politisch und auch irgendwie kriegerisch.

wie gefielen dir übrigens die DDR-Witze *grins*
der Humor ist auch nicht übel ;-)

und dann plötzlich das Auftauchen der Kaminski Zwillinge am Frühstücktisch. Die Stimmung wandelt sich urplötzlich und auch ich als Leser fühlte mich betroffen. Die Wandlung kam so plötzlich !

und wenn man die Mythologie noch miteinbringt, dann fallen mir die Zwilling Romulus und Remus die Gründer Roms ein.

ich komme nun zum 7. Kapitel "Ostrom" und vielleicht erhellt uns dieses Kapitel in Bezug darauf, warum der Autor den Begriff "Rom" gewählt hat. Was er damit versinnbildlichen wollte, hat er ja selbst im Video-Interview erklärt.

ich finde den 1. Satz aus diesem Kapitel wieder sehr "magisch":

Schnee, Schnee fiel auf Dresden, auf die Mondleite, wo Meno in der Nacht, als er vom Spaziergang kam, die Schatten der Bewohner in den erhellten Fenstern sah, das besorgte Gesicht Teerwagens, Schwachstromphysiker am Barkhausenbau der Technischen Universität, der ihn vom Balkon aus grüßte; Schnee fiel auf das Viertel, blieb im starren Geäst der Bäume hängen nd häufte sich zu zuckerwatteartigen Bändern; verwandelte die Rhododendren in weiße Glocken, stieg auf den Wegen, deckte über die Vogeltritte, Wild- und Katzenspuren in den Vorgärten neuen, glitzernden Damast, begrub die mühselig freigescharrten Autos in wenigen Stunden unter ziegeldicken Gespinsten, Riesenkokons, in denen unförmige Lebewesen ihre Metamorphose durchschliefen.

wieder ein starkes Bild !

Liebe Grüße
Maria
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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon steffi » Do 7. Mai 2009, 16:19

JMaria hat geschrieben:wie gefielen dir übrigens die DDR-Witze *grins*
der Humor ist auch nicht übel ;-)

Super - der mit der Banane auf der Mauer *lach*


und wenn man die Mythologie noch miteinbringt, dann fallen mir die Zwilling Romulus und Remus die Gründer Roms ein.


Ach ja, da bin ich nicht drauf gekommen - passt alles zusammen !

Und nochmal ja, die Autos ... find ich auch stark ! begrub die mühselig freigescharrten Autos in wenigen Stunden unter ziegeldicken Gespinsten, Riesenkokons, in denen unförmige Lebewesen ihre Metamorphose durchschliefen.
Gruss von Steffi

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