Uwe Tellkamp: Der Turm

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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon JMaria » Do 14. Mai 2009, 15:17

Hallo zusammen,

aha, es gibt also auch Schlangen (symbolisch gemeint) im Paradies. Kapitel Josta -
Richard Hoffmann geht am Kino vorbei (Schlangenpflanze) und geht zur seiner Geliebten Josta. Mit ihren glitzernden Augen, wie das Schlänglein im "Goldenen Topf" .

Graf Danilo (aus der "Lustigen Witwe" von Lehar), er mag den Spitznamen garnicht.

Zuvor gabs aber eine gut beschriebene Alltagssituation in der damaligen DDR. Da stellt man sich schon mal an einem Buchladen in die Reihe, auch wenn man nicht weiß, was dort zum Kauf eingetroffen ist.

Man muß zugreifen, wenn es etwas gibt !

Edit:
hier gehts zu einem weiteren FAZ Artikel über Dresden und seine Straßen. Sehr gut als ein "Schlüssel" zu gebrauchen.

Zeitverschiebung: Uwe Tellkamps Dresden

Liebe Grüße
Maria
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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon YvonneS » Fr 15. Mai 2009, 08:32

JMaria hat geschrieben:
Edit:
hier gehts zu einem weiteren FAZ Artikel über Dresden und seine Straßen. Sehr gut als ein "Schlüssel" zu gebrauchen.

Zeitverschiebung: Uwe Tellkamps Dresden

Liebe Grüße
Maria


Ich finde, ein Besuch in Dresden ist doch bei Euch nach dem Buch sowieso fällig. Lohnen würde es sich auf jeden Fall, nicht nur der "Weiße Hirsch". :D
Liebe Grüße
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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon steffi » Fr 15. Mai 2009, 09:06

Ja, ein Besuch in Dresden danach wäre wirklich schön !

Den Artikel finde ich hochinteressant, daraus Uwe Tellkamp:
Heute wird gar nicht begriffen, was Romane leisten können. Dass sie einen Zugang zur Welt bieten, den Geschichtsbücher oder Philosophie gar nicht leisten können. Ich habe keine große Hoffnung für Bücher wie meines, die Zahl der Leser, die damit etwas anfangen können, wird immer kleiner. Quelle: Zeitverschiebung: Uwe Tellkamps Dresden von Andreas Platthaus, faz.net

Den großen Wert, den Tellkamp dem Roman als solchen beimisst, merkt man seinem Buch an. Es gibt so viele Details zu entdecken, auch z.B. oft wunderbare Wörter und Beschreibungen. Auch der Wechsel von Christian (als Entwicklungsroman) und Meno (als realistische Schilderung) ist ebenfalls ansprechend.

Heute morgen las ich von Christian und seiner Bibliomanie (Buchstabensaufaus) und das ist herrlich geschildert, auch mit ein bißchen Augenzwinkern, in manchen Dingen habe ich mich auch wiedererkannt - Tom Sawyer und Huckleberry Finn habe ich z.B. auch unzählige Male gelesen. Als es dann im nächsten Kapitel um Meno und Anne ging, die sich zum einkaufen treffen, habe ich es trotzdem nicht bedauert, Christian verlassen zu müssen und die Schilderungen der Vorweihnachtszeit genossen. Nach den vielen positiven Meinungen kann man ja davon ausgehen, dass diese realistischen Schilderungen die Atmosphäre genau treffen und für mich ergibt sich, dass ich eben nicht nur als Zuschauer außen vor bin sondern richtig mittendrin.

Als Anne nun diese Klarinettenmundstückmaschine kauft, um so über Umwege doch noch an Cellosaiten zu kommen, habe ich überlegt, ob und wie ich wohl dort zurechtgekommen wäre. Hätte ich Kampfgeist gehabt, hätte ich alles versucht, nur um an Cellosaiten zu kommen oder hätte ich mich arrangiert und angepasst und wäre mir das alles bewusst gewesen ?

Ich komme zum Kapitel Josta.
Gruss von Steffi

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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon JMaria » Fr 15. Mai 2009, 09:51

steffi hat geschrieben:Im Gegensatz dazu ist der Stil im "Turm" ja sozusagen sehr direkt und natürlich modern. Ich muss immer an den Ulysses dabei denken, dort ist doch jedes Kapitel in einem anderen literarischen Stil geschrieben und irgendwie traue ich sowas in der Art auch Tellkamp zu. Jetzt nicht so kompromisslos wie bei Joyce, aber doch ... leider kenne ich mich da einfach zu wenig aus, um einzelne Epochen oder Schriftsteller ausmachen zu können.


Hallo Steffi,

aufgrund deiner Beobachtung bin ich die nächsten Kapiteln sensibler rangegangen und ich meine, dass zumindest das Tempo wechselt oder verändert wird. Ähnlich in der Sinfonie.

Auffallend fand ich das im Beginn des 17. Kapitels "Ferngespräche".

Beispiele:
.... der Schnee war krank, unter dem harsch tropfte, sickerte es, bildeten sich Waserdrusen, quecksilberten, leckten Stege dünn zwischen Firnhöhlen, suchten einander, fanden einander, flochten Rinnsale..... Tropfen tockten, plingten und klockten in melodischem Wechsel; .... Tauwettersong.....

diese 3er Kombinationen von Adjektiven sind doch auffallend.

Kapitel "Das leere Blatt"
Besonders der "Alltag" in Christians Schule hat mich nachdenklich gestimmt. Einerseits das "leere Blatt" das Verena abgab, andererseits diese idyllische Wanderung der Schulklasse. Immer achtsam sein, dass einem die Klassenkameraden nicht ausspionieren ist erschreckend. Jedes Wort wird auf die Goldwaage gelegt und dennoch soll "Waldbrunn" noch humaner sein, als andere Schulen. Ich fand es bereits genug beklemmend.

Für Witz und Auflockerung, der Leser kann mal durchatmen, sorgen die 3 "Weihnachtsmänner" auf Tannenbaumjagd. *ggg*

ich komme zum Kapitel "Die Kohleinsel". Ich mache jetzt aber eine kleine Pause. Hetz dich bloß nicht. Ich dachte ich hinke hinterher.

noch zu "Ulysses":
zumindest kann man mit dem "Turm" ebenfalls durch Dresden wandern, wie mit dem "Ulysses" durch Dublin.

(Wir haben schon lange nicht mehr dem "Bloomsday" gedacht, Steffi. Wie könnte man denn am 16. Juni begehen? Fällt dir etwas ein? :D )

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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon JMaria » Fr 15. Mai 2009, 11:40

steffi hat geschrieben: Den Artikel finde ich hochinteressant, daraus Uwe Tellkamp:

Heute wird gar nicht begriffen, was Romane leisten können. Dass sie einen Zugang zur Welt bieten, den Geschichtsbücher oder Philosophie gar nicht leisten können. Ich habe keine große Hoffnung für Bücher wie meines, die Zahl der Leser, die damit etwas anfangen können, wird immer kleiner. Quelle: Zeitverschiebung: Uwe Tellkamps Dresden von Andreas Platthaus, faz.net
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Hallo Steffi,

die Aussage hat mich auch bewegt. Alles soll heute in einfacher Form vermittelt werden, nur nicht nachdenken. Die Medien fördern das auch noch. Sobald ein Autor mal "mehr" bietet, besteht die Gefahr, dass er als "unlesbar" oder "schwer lesbar" abgetan wird.

darum freut es mich auch ungemein, dass "Der Turm" in der Kritik so gut aufgenommen wurde und den "Deutschen Buchpreis" gewonnen hat.

Meiner Meinung nach halte ich ein Jahrhundertroman in den Händen!

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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon JMaria » Di 19. Mai 2009, 13:27

Hallo Steffi,

übrigens, ikarus hätte gerne mit uns gelesen, doch leider war es ihm zeitlich nicht möglich. Er teilte mir einen guten Gedanken mit, denn er erinnerte sich an einen Kritiker, der die Overtüre mit dem "Ring des Nibelungen" verglich. So wie das Raunen auf dem Grunde des Rheins im Beginn der Oper, so steigt nach einem langen Raunen der "Turm" aus der Elbe empor. Der Vergleich ist passend :-)
Fand ich sehr schön.

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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon steffi » Fr 22. Mai 2009, 08:56

Hallo !

übrigens, ikarus hätte gerne mit uns gelesen, doch leider war es ihm zeitlich nicht möglich.
Schade, gerade weil es so viel um Musik geht, hätte er sicherlich viele tolle Gedanken gehabt. Ich hätte sehr gerne wieder was zusammen mit ihm gelesen !

"Der goldene Topf" habe ich nun beendet. Von der Handlung aus gesehen kann ich bisher keine genauen Parallelen feststellen - aber die Atmosphäre und die Symbolik ist schon vergleichbar, wenn es um das Zusammenspiel bzw. den Gegensatz zwischen Realität und Phantasie geht. ETA Hoffmann endet mit einem direkten Appell an den Leser: Ist denn überhaupt Anselmus Seligkeit etwas anderes als das Leben in der Poesie, der sich der heilige Einklang aller Wesen als tiefstes Geheimnis der Natur offenbaret ? Auch Tellkamp thematisiert immer wieder die Notwendigkeit der Poesie, als Überlebensstrategie, als Bestandteil des Menschlichen, als Abgrenzung zum egoistischen Bürgertum.

Auch die surrealistisch anmutenden Phantasien bei ETA Hoffmann finden sich abgewandelt, aber dennoch mit ähnlicher Ironie bei Tellkamp. Sehr deutlich wird das bei Christians Fiebergedanken im Kapitel "Die Karavelle". Dieses Kapitel ist ja fast komponiert mit den Geräuschen und Farben, Erinnerungen und Gedanken, Phantasie und Realität. Sehr bunt und sehr intensiv. Das hat mich sehr an die magische Welt ETA Hoffmanns erinnert.

Das Kapitel "Dialog über Kinder" möchte ich noch erwähnen. Entpuppt sich hier Richard als Stasi-Informant ? Erpressbar durch seine Geliebte ? Die bedrückende Atmosphäre des fast wohlwollend klingenden Gesprächs ist greifbar !

Wie weit seid ihr ?

Für heute sage ich nur - Enöff :lol:
Gruss von Steffi

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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon JMaria » So 24. Mai 2009, 11:06

Hallo Steffi,

im Kapitel 18 "Die Kohleninsel"
haben wir einen Behördenalltag erleben dürfen. Die Prüfung der Geige insbesondere des Geigenbogens war reine Schikane, obwohl es erst so schien, als ob der Prüfer vernünftig ist.


steffi hat geschrieben:
ETA Hoffmann endet mit einem direkten Appell an den Leser: Ist denn überhaupt Anselmus Seligkeit etwas anderes als das Leben in der Poesie, der sich der heilige Einklang aller Wesen als tiefstes Geheimnis der Natur offenbaret ? Auch Tellkamp thematisiert immer wieder die Notwendigkeit der Poesie, als Überlebensstrategie, als Bestandteil des Menschlichen, als Abgrenzung zum egoistischen Bürgertum.


Den letzten Satz aus dem "Goldenen Topf" habe ich mir auch rausgeschrieben. Ich finde die Aussage sehr bedeutsam im Hinblick auf den "Turm" und eines Staates, der kulturelles Leben kontrolliert. Das ist nicht im Sinne des Humanismus.

ich fand besonders im Kapitel "Urania" atmosphärisch und symbolisch den "Goldenen Topf" wieder.

ein Besuch bei Abergast hätte auch ein Besuch beim Archivarius Lindhorst sein können. Im Eingang ein Metallspiegel ! Ist Meno in Gefahr wegen des Angebots das er von Abergast bekam? Steckt eine Verführung dahinter?

Auch die "Augen" werden wieder als Symbol eingesetzt. Herr Ritschel (Abergasts Angestellter) hat so tiefliegende Augenhöhlen, dass es aussieht als ob er keine Augen hat. Dann ist da noch der Augensaal. Echt morbide und die Exemplare haben alle dieselbe Größe, sind nicht maßstabsgetreu.

Ob Meno das Angebot annimmt? ich bin gespannt.

Hast du eine Ahnung ob das Gemälde eines holländischen Altmeisters eine Erfindung ist oder ob es ein existierendes Gemälde ist?

das Schlangenmotiv taucht auch immer wieder auf !

wir haben auch etwas mehr über Menos Ex-Ehefrau erfahren.


Auch die surrealistisch anmutenden Phantasien bei ETA Hoffmann finden sich abgewandelt, aber dennoch mit ähnlicher Ironie bei Tellkamp. Sehr deutlich wird das bei Christians Fiebergedanken im Kapitel "Die Karavelle". Dieses Kapitel ist ja fast komponiert mit den Geräuschen und Farben, Erinnerungen und Gedanken, Phantasie und Realität. Sehr bunt und sehr intensiv. Das hat mich sehr an die magische Welt ETA Hoffmanns erinnert.


oja, ein fantastisches Kapitel.
eine neue Augenfarbe taucht auf : "salbungsaugenblau". Sowas springt mir immer gleich ins Auge ;-)

Schmetterling:
ein Hinweis auf eine Metamorphose? gibt es tagaktive Nachtfalter? oder ist das eine Koppelung von etwas Unmöglichen?

ich habe nachgeschaut; es gibt tagaktive Nachtfalter! Dennoch finde ich die Koppelung interessant in Bezug auf Christians Entwicklung.


Das Kapitel "Dialog über Kinder" möchte ich noch erwähnen. Entpuppt sich hier Richard als Stasi-Informant ? Erpressbar durch seine Geliebte ? Die bedrückende Atmosphäre des fast wohlwollend klingenden Gesprächs ist greifbar !


der Verdacht drängt sich auf ! Daraus können sich wirklich schwerwiegende Verwicklungen ergeben.

hier noch Diverses was mir nebenbei auffiel, was aber nur für Sammler solcher "Fundstücke" vielleicht interessant ist:

-S. 215 unten sagt Eschschloraque etwas über ...wolln wir leben, beten und singen, Märchen uns erzählen und über goldne Schmetterlinge lachen... = ein Zitat aus Shakespeares König Lear, 5. Akt, 3. Szene

-Das 1. Buch im "Turm", an dem wir gerade lesen, nennt Tellkamp Die Pädagogische Provinz, = aus Goethes Wilhelm Meisters Wanderjahre entliehen. "Die Wanderjahre" gilt ja als ein besonders schwierig zu lesendes Buch, zumindest erfordert es Ausdauer, doch im Hinblick des humanistischen Bildungsideals, war es maßgebend in einer Zeit des Umbruchs. Vielleicht erschuf Tellkamp ebenso ein Buch das Antworten auf Probleme seiner Zeit des Umbruchs gibt (?)

"Wilhelm Meisters Wanderjahre" werde ich mir nach den "Lehrjahren", die ich mir gerade nebenbei zum "Turm" zu Gemüte führe, nachschieben.

Komme zum Kapitel "Enöff" :-)

Liebe Grüße
Maria
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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon JMaria » Mi 27. Mai 2009, 10:57

Hallo zusammen,
hallo Steffi,

nur kurz ein paar Eindrücke bevor sie mir entschwinden. Wir können uns ja noch ausführlicher darüber unterhalten:

Kapitel 22 "Enöff"
ein entspanntes Kapitel. Tante Barbara ist eine Schnuckelige, in ihrer naiven Art. Die Kosenamen, die sie sich geben (Ulrich, Barbara, Ina) sind süß: Schnorchel, Flöckchen, Schmusel *grins*

Kapitel 23 "Atmen"
darin gehts wieder sehr ernst zu. Richard gesteht Anne zwar seine Probleme mit der Stasi, doch nicht dass er ein Verhältnis hat, obwohl Anne ihn darauf anspricht. Was tun? Wem vertrauen?

Bei Problemen gehen die Turmbewohner spazieren um darüber zu reden; in ihren Wohnungen ist das nicht möglich. Somit weiß eigentlich jeder, wenn bei einer Familie eine problematische Situation eintritt, die Spaziergänge verraten es.

Die Beschreibung des Geländers auf S. 291 hat mich an das Umschlagbild des Buches erinnert:
...Rand der Brüstung, in die ein schmiedeeisernes Geländer mit einem rostzerfressenen, stilisierten Nautilus eingelassen war.

Kapitel 24: "In der Klinik"
das Gespräch mit Dr. Weniger hat eigentlich nichts gebracht.

Kapitel 25 "Leibziger Messe"
ein wunderbares Kapitel für bibliophile Menschen. Barbara hat extra Mäntel für die Buchmesse beschneidert. Stell dir das mal bildlich vor, wenn die vollbepackt mit geklauten Büchern rausgehen *grins*.

die Bücherheuschrecke Locusta Bibliophila hat dann wieder zugeschlagen *g*

S. 306 November-Herzen, Corazon del noviembre ...
ich schätze man spielt auf die Novemberrevolution 1918 an:

http://de.wikipedia.org/wiki/Novemberrevolution

führte zu einer Umwandlung der Regierungsform.

Der Wechsel der Atmosphäre in den Kapiteln, macht das Buch ungemein spannend und voranschreitend. Gefällt mir sehr gut.

ich komme zum 26. Kapitel "Wolken im April".

Liebe Grüße
Maria
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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon steffi » Mi 27. Mai 2009, 11:35

Hallo JMaria,

wie geht es dir mit manchen Kapiteln z.B. Urania, Leipziger Messe, Wolken im April ? Ich muss sagen, manche Kapitel lese ich doppelt, aber aus verschiedenen Gründen (und ich hasse es ja sonst, etwas doppelt zu lesen !): einmal, weil sie so schön und so verblüffend sind, aber auch nachdenklich (Wolken im April, In der Klinik, Die Karavelle) zum anderen, weil ich manche Hinweise noch aufschlüsseln will, die man als Wessi vielleicht so nicht mitkriegt (Leipziger Messe). Und manche, weil ich so schnell darin schwelge, dass ich gar nicht alles mitkriege, einfach nur wegen der Schönheit der Sprache.

Ich finde, dass da manchmal ganz zauberhafte Beschreibungen versteckt sind, z.B. das mit Baumwolle übersäte Leipzig (fast wie in North&South) und plötzlich bekommt alles einen eigenen Charme oder in Kapitel 27 über die Stille, die die Lehrer verbreiten: ... bei Schnürchel schlagartig; eine Stille, die nach umgebrachtem Lärm entstand; ... bei Hedwig Kolb war es eine Stille, die sich öffnete, als wären die Stimmen ein Gewirr von Waldpflanzen, die vor ihrem Schritt zurückwichen. Solche Stellen finde ich herrlich !!


JMaria hat geschrieben:Im Eingang ein Metallspiegel ! Ist Meno in Gefahr wegen des Angebots das er von Abergast bekam? Steckt eine Verführung dahinter?

Das ist mir entgangen mit dem Spiegel - aber stimmt, eine Gefahr scheint diese ganze Büchergesellschaft zu sein, später im Kapitel Leipzig auch noch die Westkontakte. Und es kommt mir so vor, als ob Meno nie ganz sicher sein kann, inwieweit gerade er direkt geprüft wird. Eine Gratwanderung, die er im Sinne der Poesie versucht zu gehen.


Auch die "Augen" werden wieder als Symbol eingesetzt. Herr Ritschel (Abergasts Angestellter) hat so tiefliegende Augenhöhlen, dass es aussieht als ob er keine Augen hat. Dann ist da noch der Augensaal. Echt morbide und die Exemplare haben alle dieselbe Größe, sind nicht maßstabsgetreu.

Ja, die Augen - wirklich unheimlich, überall wird man beobachtet. Dann biegt Tellkamp das ja im Kapitel Atmen ein bißchen wieder ins Komische um, wenn er schildert, wie alle Menschen ihre Probleme bei Spaziergängen besprechen müssen.


Hast du eine Ahnung ob das Gemälde eines holländischen Altmeisters eine Erfindung ist oder ob es ein existierendes Gemälde ist?

Leider nicht !

Danke für dein "Diverses" - sehr interessant !

Hast du eine Ahnung, woher der Name des Dichters Eschschloraque herkommt ? Ich habe mal gegoogelt und folgenden Hinweis in einem anderen Forum gefunden:
http://forum.die-leselust.de/viewtopic.php?f=7&t=428&start=110#p2736 Ist doch passend, oder ? Esque leitet übrigens in französsich (geschrieben Est-ce que) eine Frage ein, also "Ist das ..." z.B. Genial, oder *lach*

Beeindruckt hat mich auch Christians NVA-Verpflichtung - wie er sich Argumente überlegt, um nicht gleich von vorneherein als Angepasster zu gelten, wie er das Lügen beigebracht bekommt und wie er dann die Argumente sozusagen verinnerlicht. Und Falk, der sich nicht verpflichten will, ist plötzlich außerhalb der Gemeinschaft.

In dieser Szene ist mir auch wieder aufgefallen, wie privilegiert ja die Hoffmanns waren und damit auch, wie wohltuend, dass Tellkamp über das schreibt, was er kennt und nicht einen allgemeinen DDR-Roman daraus macht.


Komme nun zu Kapitel 28.
Gruss von Steffi

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