Uwe Tellkamp: Der Turm

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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon steffi » Do 23. Jul 2009, 09:31

Hallo Maria,

ja, Hölderlin ist schon ein interessanter Mensch gewesen. Seine Liebe zu Diotima (Susette Gontard), Hauslehrer bei Charlotte von Kalb und die Beziehung zu Sinclair, dann das rätselhafte Verschwinden und die Jahre im Tübinger Turm. Ich hab grad nachgeschaut, 36 Jahre !!! Hölderlin hat sich auch philosophisch betätigt, vor allem zusammen mit Hegel und Schelling. Man kann annehmen, dass sich Hegels Philosophie, die übrigens als Ausgangspunkt für den Marxismus gilt, in den Diskussionen mit Hölderlin entwickelt hat. Seine Werke (Tod des Empedokles und Hyperion) sind für mich allerdings sehr schwer zu verstehen, aber eine Biografie solltest du unbedingt mal lesen. In seinen Gedanken zu Freiheit, aber auch Tragik des Schicksals passt er natürlich sehr gut zum Turm.

Inzwischen, finde ich, ergibt sich immer mehr eine Einheit und ein runderes Bild der Intentionen, die Tellkamp schildern will. Ich denke immer noch, dass er für jeden Protagonist einen anderen Stil, andere Bilder und Atmosphäre einsetzt. Es fügt sich immer mehr zusammen.
Gruss von Steffi

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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon JMaria » Do 23. Jul 2009, 21:53

steffi hat geschrieben:
Man kann annehmen, dass sich Hegels Philosophie, die übrigens als Ausgangspunkt für den Marxismus gilt, in den Diskussionen mit Hölderlin entwickelt hat. Seine Werke (Tod des Empedokles und Hyperion) sind für mich allerdings sehr schwer zu verstehen, aber eine Biografie solltest du unbedingt mal lesen. In seinen Gedanken zu Freiheit, aber auch Tragik des Schicksals passt er natürlich sehr gut zum Turm.



Hallo Steffi,

kannst du eine Biographie empfehlen?

Liebe Grüße
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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon steffi » Fr 24. Jul 2009, 09:01

Hallo JMaria,

ich kenne die Biografie von Peter Härtling - allerdings habe ich sie schon vor Jahren gelesen und weiß nicht, ob alles so objektiv ist. Härtlings Biografien sind ja oft eine Mischung aus Tatsache und Fiktion. Gefallen hat sie mir aber damals sehr gut.

Interessieren würde mich die Biografie von Pierre Bertaux, die es in meiner Bücherei auch gibt.
Gruss von Steffi

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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon JMaria » Di 28. Jul 2009, 14:35

Hallo Steffi,

steffi hat geschrieben:
ich kenne die Biografie von Peter Härtling - allerdings habe ich sie schon vor Jahren gelesen und weiß nicht, ob alles so objektiv ist. Härtlings Biografien sind ja oft eine Mischung aus Tatsache und Fiktion. Gefallen hat sie mir aber damals sehr gut.

Interessieren würde mich die Biografie von Pierre Bertaux, die es in meiner Bücherei auch gibt.



danke für den Tipp und fürs Ausleihen der Härtling Romanbiographie über Hölderlin.

ich habe entdeckt, dass unter den Pseudonymen Hölderlins auch dieser Name ist: Killalusimeno !

wenn da einem "Meno" nicht ins Auge sticht!
wie Hölderlin wohl auf diesen Namen kam?

und schon sind wir wieder beim Turm:

ich finde, der Roman entwickelt sich immer mehr zum Bildungsroman. Christian im Vordergrund; Richard und Meno nur noch Statisten?

Meno ist wirklich so ungreifbar wie sein Motto:

"Ein weiser Mann geht mit gesenktem Kopf, fast unsichtbar, wie Staub"

doch was ist der Preis für soviel "Unsichtbarkeit"?


Durch die Vorkommnisse im Panzer(turm) und in der "Kohleninsel" , tief unten im Berg, ist Christian nun wirklich zu einem Nemo geworden. Wie Nemo in 20.000 Meilen unter dem Meer. Nicht ganz verstand ich, als Christian sich sagte, dass er nun zu einem Nemo geworden, zu einem Nichts geworden ist. Ich fand jetzt keine Namenserklärung, dass Nemo = Nichts bedeutet.

Edit:
ich war gerade im Wikipedia:
Nemo = lat. für niemand

außerdem gabs noch:
Nemo, den Täuschungsnamen, den Odysseus sich gab, um den einäugigen menschenfressenden Kyklopen Polyphem zu überlisten.



Doch sortier die Buchstaben von "Nemo" mal anders, dann entsteht "Meno".

Meno = Christians Alter Ego? Sein anderes Ich?

Danke für deinen heutigen Hinweis, bei unserem Frühstückstreffen, dass ja die Maréchal-Niel-Rose auch in "Königliche Hoheit" vorkommt, daran hatte ich nicht mehr gedacht. An den Rosenstock natürlich schon, nur dass es dieselbe Sorte ist, das wußte ich nicht mehr. Es gibt wirklich viel Ähnlichkeit aus einigen Werken Thomas Manns mit dem Turm. Die Namen in "Königliche Hoheit" sind auch so realitätsfern und romantisch angehaucht, wie z.B. die Minister Trümmerhauff, Dr. Krippenreuther und Knobelsdorff , der fikitve Staat Grimmburg, der Lehrer Dr. Raoul Überbein .....


Ich komme zum 61. Kapitel "Die Karbidinsel"

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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon steffi » Mi 29. Jul 2009, 14:56

Hallo JMaria,

Nemo = Meno, das ist ja ein Supergedanke, wäre mir nie und nimmer aufgefallen - gut, dass ich dich habe ! Christian will ja auf jeden Fall Meno nacheifern, auch am Ende des Kapitels "Karbidinsel" kommt wieder das Motto Menos vor.

ich habe entdeckt, dass unter den Pseudonymen Hölderlins auch dieser Name ist: Killalusimeno !

Das ist ja mal ein Name :lol:
Folgendes habe ich dazu gefunden:
Dieses Silbenrätsel soll dem Forscher Pierre Bertaux zufolge eigentlich „Kallilusomenos“ heißen. Es wäre dann ein von Hölderlin geschaffener altgriechischer Neologismus. Er bedeutet: ein sich in Schönheit Auflösender. Quelle:http://www.focus.de/kultur/buecher/literatur-blinzelnder-scharlatan_aid_203424.html

Tja, ich sehe schon, ich sollte die Biografie von Bertaux lesen ;)
Gruss von Steffi

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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon JMaria » Do 30. Jul 2009, 09:45

Hallo Steffi,

steffi hat geschrieben:Hallo JMaria,

Nemo = Meno, das ist ja ein Supergedanke, wäre mir nie und nimmer aufgefallen - gut, dass ich dich habe ! Christian will ja auf jeden Fall Meno nacheifern, auch am Ende des Kapitels "Karbidinsel" kommt wieder das Motto Menos vor.


habe ich im Kapitel nun ebenfalls entdeckt und ein eine traurige Wahrheit kommt ans Licht, dass untereinander der Sozialismus einfach nicht funktioniert.

Christian ist der Ansicht, der Starke sollte den Schwachen unterstützen. Pfannkuchen dagegen sollte der Schwache dem Starken dienen.

alles wird auch zu Staub, zu Asche, zu einem nicht mehr verwendbaren Ausscheidungsprodukt ! Das ist mir nun in vielen Kapiteln aufgefallen, jedoch in wunderschönen Sätzen gefasst, dass man sich direkt einlullen lassen kann.


ich habe entdeckt, dass unter den Pseudonymen Hölderlins auch dieser Name ist: Killalusimeno !


Das ist ja mal ein Name :lol:
Folgendes habe ich dazu gefunden:
Dieses Silbenrätsel soll dem Forscher Pierre Bertaux zufolge eigentlich „Kallilusomenos“ heißen. Es wäre dann ein von Hölderlin geschaffener altgriechischer Neologismus. Er bedeutet: ein sich in Schönheit Auflösender. Quelle:http://www.focus.de/kultur/buecher/literatur-blinzelnder-scharlatan_aid_203424.html

Tja, ich sehe schon, ich sollte die Biografie von Bertaux lesen ;)


ich auch, ich auch :-)
ein gut zu gebrauchender Hinweis : ein sich in Schönheit Auflösender, wurde zu all dem Staub und Asche im Turm passen.

Edit: und passt auch zu Christian. Ich denke, seine innere Schönheit leidet durch seine Zerrissenheit und ausloten der Grenzen.


ich komme zum 63. Kapitel "Kastalia", Meno schreibt....

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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon JMaria » Do 30. Jul 2009, 09:58

und noch was:

Im Kapitel 58, als sich Christian und Reina treffen kommen sie an einem Kino vorbei und es laufen russische Märchenfilme. Interessant dabei ist, dass es dabei thematisch immer um die Erlösung eines jungen Mannes geht:

Die feuerrote Blume:
Ein Kaufmann sucht die purpurrote Blume und gerät in die Gewalt einer Zauberin und eines Ungeheuers. Seine Tochter verwandelt durch ihre Liebe das Untier in einen Prinzen zurück. http://kinderfilm-online.de/film-abc/Di ... rote-Blume

Gharib im Lande der Dschinn:
Die Zwillingsbrüder Sachib und Garib sind fröhliche und lustige Burschen. Sie bestellen ihre kleine Landwirtschaft und kümmern sich um Mutter und Schwester.

Doch Garib genügt das "einfache" Leben nicht mehr. Er möchte zu Ansehen und Wohlstand gelangen.

Eines Tages überrascht ihn ein Dämon bei der Arbeit auf dem Feld, der ihm Reichtum, Ruhm, Ehre und Macht verspricht, wenn Garib für ihn arbeite.

Dieser erliegt der Verlockung und nimmt das Angebot an. Seine Aufgabe besteht nun darin, den Höhlenbewohnern, genannt Dshinn, sein Wissen und Können zu vermitteln.

Anfangs fühlt sich Garib auch wohl und ihm gelingt es, die Unterwelt zu einer fruchtbaren und blühenden Landschaft umzugestalten.

Doch Garib quält immer mehr die Sehnsucht nach seiner Familie und der Heimat.
http://www.maerchenfilme.com/russische_ ... hinn.shtml

Gruß,
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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon steffi » Do 30. Jul 2009, 10:21

Hallo JMaria,

danke für die Märchen-Hinweise - da hat Tellkamp ja mächtige Spuren gelegt ;)

Der Starke soll den Schwachen unterstützen, dieses Motto ist ja leider verfehlt, auch wenn Christian meint, er müsste austesten, wie weit er gehen kann. Aber diese Ideale halten selbst die obersten Ideengeber nicht ein und insgesamt stellt sich auch die Frage, ob das Menschen überhaupt können. So sind wir wieder zurück beim Humanismus und ein bißchen auch bei der Romantik. Wie sieht es damit nämlich in der Natur aus ? Und in unserer heutigen Gesellschaft ?

Die Asche, die alles zudeckt, eine höllenartige Atmosphäre, wenn man der Erde die Rohstoffe entreisst - es sind starke Bilder, die wir da sehen.

Ich denke, seine innere Schönheit leidet durch seine Zerrissenheit und ausloten der Grenzen.
Mich erinnert das an irgendwas - innere Schönheit - aber ich komm nicht drauf :roll:
Gruss von Steffi

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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon JMaria » Do 30. Jul 2009, 10:37

steffi hat geschrieben:
Ich denke, seine innere Schönheit leidet durch seine Zerrissenheit und ausloten der Grenzen.


Mich erinnert das an irgendwas - innere Schönheit - aber ich komm nicht drauf :roll:


unsere Diskussion über Ästhetik (Kant/Schiller/Goethe) *g*
viewtopic.php?f=7&t=906&st=0&sk=t&sd=a&start=50

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Re: Uwe Tellkamp: Der Turm

Beitragvon steffi » Do 30. Jul 2009, 13:04

Ach ja, stimmt *andenKopfschlag*, danke - es passt alles wunderbar zusammen !
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