Tóibín, Colm: Brooklyn

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Tóibín, Colm: Brooklyn

Beitragvon YvonneS » Sa 18. Sep 2010, 23:28

Medium: Hardcover
Verlag: Hanser Belletristik
Jahr: 09/2010
Seiten: 304
Wertung: 8,5 von 10 Punkten

Inhalt

Eilis, die Protagonistin der Geschichte, führt in ihrer irischen Heimatstadt Enniscorty ein eher beschauliches und ruhiges Leben. Es sind die 50er Jahre, es herrscht Arbeitslosigkeit und Irland ist fest in der Hand des Katholizismus. Eilis' Brüder sind nach England ausgewandert, da sie dort Arbeit gefunden haben und so lebt Eilis allein mit ihrer Mutter und ihrer älteren Schwester Rose, der Vater ist vor ein paar Jahren gestorben. Rose ist die bewunderte große Schwester, die mit ihrer Arbeit für den Unterhalt der Familie sorgt. Eilis, die ein Händchen für Zahlen hat und sich für Buchhaltung interessiert, erhält eines Tages durch die Vermittlung des in Brooklyn lebenden irischen Geistlichen Father Flood die Möglichkeit, nach Amerika zu reisen und dort eine Arbeit zu bekommen und so macht sich Eilis auf den weiten Weg nach Brooklyn.

Brooklyn ist in den 50er Jahren eine nahezu irische Stadt und doch leidet Eilis unter massivem Heimweh, sie kann sich nur schwer einleben und passt sich nur ganz langsam an. Sie erhält durch die Vermittlung von Father Flood eine Anstellung als Verkäuferin in einem großen, von Italienern geführten Kaufhaus und sie mietet sich ein Zimmer bei Mrs. Kehoe, einer strengen irischstämmigen Pensionswirtin. Doch ganz allmählich gewinnt Eilis Selbstvertrauen, sie besucht Abendkurse am Brooklyn College und macht eine Ausbildung zur geprüften Buchhalterin. Auf einer der von Father Flood organisierten Tanzveranstaltungen lernt sie den sympathischen Italiener Tony kennen. Alles läuft bestens, bis Eilis eines Tages eine schlimme Nachricht aus Irland erreicht und sie zurückreisen muss. Doch Eilis hat sich verändert, sie ist eine selbständige und erwachsene Frau geworden.

Meine Meinung

Colm Toibin bietet Unterhaltung auf hohem Niveau. Sein Buch ist ein Roman über das Erwachsenwerden einer jungen Frau, eine Geschichte über Aufbruch und Ankommen, konsequent nur aus der Sicht der Protagonistin Eilis erzählt. Toibin zeichnet seine Heldin mit sehr viel Sympathie und Zuneigung. Er liebt seine Figuren und mit Einfühlungsvermögen gelingt es ihm, wunderbare und glaubwürdige Charaktere zu schaffen. Auch ist er in meinen Augen einer der wenigen männlichen Autoren, die ein Händchen für Frauenfiguren haben. Wahrscheinlich liegt das teilweise auch daran, dass sich Toibin lange mit dem Autor Henry James befasst hat, der ja berühmt ist für seine wunderbaren Frauenfiguren, und dem Toibin mit seinem Roman "Porträt des Meisters in mittleren Jahren" ein schönes Denkmal gesetzt hat.

Doch es sind nicht nur die wunderbaren Figuren, die die Qualität dieses Romans ausmachen, es ist auch Toibins präziser und schnörkelloser Erzählstil; ruhig und auf sehr zurückgenommene Art und Weise schreibt er über ganz normale Menschen, ohne jedes Pathos und Effekthascherei. Der Roman liest sich fließend, scheinbar einfach und es wird einem eigentlich erst am Schluss des Buches richtig bewusst, wie komplex die Handlung in Wirklichkeit ist. Einziger Wermutstropfen ist jedoch das abrupte, wie hastig hingeschriebene Ende.

Dies war mein erstes Buch von Toibin und es wird ganz sicher nicht das letzte gewesen sein; für mich ist er ein Autor, den es sich lohnt, im Auge zu behalten.
Liebe Grüße
Yvonne



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YvonneS
 
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