Lamb, Wally: Die Stunde, in der ich zu glauben begann

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Lamb, Wally: Die Stunde, in der ich zu glauben begann

Beitragvon keksigirl » Mi 11. Feb 2009, 16:57

Wer sucht was er wünscht, findet das, was er braucht


Inhalt:

Caelum & Maureen sind seit Jahren - mal mehr und mal weniger glücklich - verheiratet und arbeiten beide an der Columbine Highschool. Caelum ist dort Lehrer, während Maureen eine Teilzeitstelle als Krankenschwester hat.
An einem Tag im April ändert sich ihr Leben für immer, zwei Schüler zünden Bomben an der Schule und erschießen mehrere Schüler und einen Lehrer. Maureen hält sich die ganze Zeit über in der Schule auf, versteckt in einem Schrank, Caelum ist aus familiären Gründen unterwegs. Maureen überlebt, doch sie ist nicht mehr dieselbe. Sie hat Angst, ist wütend, macht sich Vorwürfe, ist völlig traumatisiert und wird süchtig. Das Ehepaar beschließt umzuziehen, denn gerade hat Caelum die Farm seiner Tante Lolly in Connecticut geerbt. Tatsächlich geht es Maureen nach weiteren Rückschlägen irgendwann besser und sie beginnt wieder als Krankenschwester zu arbeiten. Doch die Panik lässt sie nicht los, bei jedem Vorfall wird Maureen zittrig und beginnt schließlich sich Beruhigungsmittel zu spritzen. Eines Abends fährt sie unter Medikamenteneinfluss einen jungen Mann tot und wird zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt.
Caelum bleibt alleine zurück und bald tauchen Unterlagen seiner Vorfahren auf, er begibt sich auf deren Fährte und entdeckt beeindruckendes und erschreckendes zugleich.
Wird es Caelum gelingen sein Leben wieder lebenswert zu leben?

1. Meine Meinung:

Die Covergestaltung des Romanes ist auf den ersten Blick wenig aussagekräftig, doch nach dem Lesen passt sie bestens zum Inhalt. Wie der Mann auf dem Cover dreht Caelum seiner Vergangenheit den Rücken zu und wirkt desinteressiert und gleichgültig. Doch je mehr er über seine Familie erfährt, desto interessierter und faszinierter wird er.

Wer denkt, dass es nur um den Amoklauf an der Columbine High geht, liegt völlig falsch. Auch die Religion hat immer nur wieder kurze Auftritte und bestimmt das Buch keineswegs.
Das Buch enthält die Geschichte eines starken Mannes, der durch Freundschaft, Liebe, Religion - aber auch Angst, Unverständnis und Hass, etwas findet, an das er glauben kann.

Das Geschehen wird aus Sicht von Caelum in der Ich-Form geschildert.
Die Sprache ist ehrlich, offen, modern und vorantreibend, aber situationsbedingt auch mal derb, mitfühlend und emotional.
Sie zieht den Leser ins Geschehen und wirkt sehr natürlich und angepasst.

Die Protagonisten sind sympathisch und bis ins kleinste Detail ausgearbeitet. Ihre Vergangenheit ist eng mit ihren jetzigen Handlungsweisen verknüpft. Ihr Gefühlsleben ist glaubhaft und nachvollziehbar, ihr Handeln so durchaus verständlich.

Die Handlung allerdings ist leicht überladen, irgendwie wirkt es doch etwas zweifelhaft, das ein und dieselbe Person so viele negative Erlebnisse haben kann.
Allerdings enthält der Roman auch 750 Seiten in denen natürlich etwas passieren muss, um den Roman nicht langweilig oder langatmig werden zu lassen. Viele Rückblenden, Zeitungsartikel, Tagebuchauszüge & Briefe aus dem 19. Jahrhundert... sorgen immer wieder für den nötigen Schwung und für Abwechslung im Verlauf der Geschichte.
Teils ist es zwar etwas schwer die Zusammenhänge zu erkennen, aber kurz darauf wird auch alles wieder aufgeklärt und am Ende hat man ein fertiges Puzzle, in dem jedes Teil bestens passt.
Der Roman umfasst einen Zeitraum von mehreren Jahren, so dass die Entwicklung der Protagonisten genau verfolgt werden kann.

Fazit:

Ein überzeugender Roman, der sicherlich auch ohne den ein oder anderen Schicksalsschlag ausgekommen wäre.
Ein Buch, dem es weder an Spannung, noch an Gefühl fehlt und das Mut macht und zeigt, dass jeder Rückschlag nur noch mehr Kraft gibt, um das zu suchen (und zu finden), was man wirklich braucht. (keksigirl)

2. Meinung:

Warum werden Menschen schikaniert, gedemütigt, ausgegrenzt?
Warum werden Schüler erschossen, während andere Leben dürfen?
Warum ist die Mutter, die das Kind großzog, nicht die richtige?
Warum fällt uns dabei der Glaube an Gott so schwer?

Dieses Buch stellt viele Fragen und stellt vieles infrage.

Falls der Leser glaubt, mit Wally Lamb´s Buch "Die Stunde, in der ich zu Glauben begann", einen unterhaltsamen entspannenden Roman gefunden zu haben, irrt er. Dieses Buch ist keine Gute Nacht Lektüre. Es rüttelt den Leser auf, macht ihn wach, verursacht Albträume.

Wally Lamb erzählt in seinem Buch die Lebensgeschichte des Lehrers Caelum Quirk, der nach einer schwierigen Kindheit und zwei gescheiterten Ehen, seine dritte Frau Maureen schätzen und lieben lernt. Aber auch das Leben mit ihr ist nicht einfach. Nach einigen Eheproblemen, die Caelum auf seine eigene Art und Weise zu lösen versucht, geschieht das Unfaßbare. Maureen wird Augenzeuge des Schulmassakers in Littleton. Versteckt in einem Wandschrank muss sie voller Ohnmacht mit ansehen, wie zwei Jugendliche 12 ihrer Mitschüler und einen Lehrer erschießen, ehe sie sich selbst richten. Durch diese Erlebnisse stark traumatisiert, schafft sie es von nun an nicht mehr, ihr Leben in den Griff zu bekommen. Caelum leidet stark unter dieser Situation und findet keinen Weg, seiner Frau zu helfen. Im Gegenteil, unaufgearbeitete Familiengeheimnisse machen ihm schwer zu schaffen und stellen den Sinn seines Lebens auf den Kopf.

Wally Lamb hat in seinem Buch "Die Stunde, in der ich zu glauben begann" authentische Geschehnisse und Personen eingebunden und es dadurch geschafft, dass sein Buch wirklichkeitsnah dem Leser gegenübertritt. Fragen nach der Würde des Menschen stehen genauso im Mittelpunkt der Geschichte wie der Umgang mit dem Glauben. In seinem Buch arbeitet der Autor auf, welchen mittelbaren und unmittelbaren Folgen grausame Geschehnisse wie das Massaker von Littleton oder der Irakkrieg auf die Menschen haben. Wie Opfer solcher Greueltaten versuchen mit ihrer Angst umzugehen und leider, oftmals daran scheitern. Ergreifend und sehr gefühlvoll erzählt Wally Lamb seine Geschichte, klagt an, setzt sich mit Vorurteilen auseinander, versucht zu helfen.

Es ist ein wunderbares Buch, das der Autor geschrieben hat, ein Buch, das den Leser bis ins Innerste bewegt und ihn nachdenklich werden lässt. Und trotzdem ist ein wenig Kritik an dieser Stelle angebracht. Obwohl Wally Lamb es verstanden hat, seine Geschichte emotional ausgereift und spannend zu erzählen, hat diese einige Längen, die nicht sein müssten. Geschehnisse, wie beispielsweise die Erlebnisse aus der Schulzeit von Caelum, wurden zu ausschweifend behandelt und sind in diesem Umfang nicht notwendig für das Verständnis des Lesers. Aber eines muss man dem Autor lassen, er hat in seinem Buch nicht nur eine ergreifende und teilweise authentische Beschreibung der damals stattgefundenen Geschehnisse präsentiert, sondern dem Leser ein Stück amerikanischer Geschichte und Lebensphilosophie nahegebracht. (villawiebke)
keksigirl
 
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