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Broeckhoven, Diane: Ein Tag mit Herrn Jules

BeitragVerfasst: Mi 14. Apr 2010, 09:55
von Petra
Broeckhoven, Diane
Ein Tag mit Herrn Jules

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Kategorie: Ungekürzte Lesung
Genre: Erzählung
SprecherInnen: Eva Mattes
Regie: /
Medium: 2 CDs
Laufzeit: ca. 120 Minuten
Verlag: DAV – Der Audio Verlag
Preis: 12,99 €
ISBN: 9783898138406
Bewertung: 9 Punkte
(von 10 möglichen Punkten)

Inhalt:

Alice steht wie jeden Morgen auf, als der Duft des Kaffees sie weckt. Die Küche ist sonst ihr Territorium, doch den morgendlichen Kaffee macht ihr Mann Jules.

Doch als Alice zu ihm ins Wohnzimmer kommt, sitzt er tot auf dem Sofa. Alice beschließt noch diesen einen letzten Tag mit ihm gemeinsam zu verbringen. Denn es gibt noch so vieles, was sie ihm zu sagen hat. Dinge, die nie ausgesprochen wurden in ihrer Ehe.

Ein letzter Tag, bevor sie endgültig Abschied nehmen muss von ihrem Ehemann, an dem sie zurückblickt, aber auch nach vorne schaut…

Meine Meinung:

Eine Ehe wie viele. Man lernt sich kennen, heiratet, bekommt ein Kind. Im Laufe des Lebens gibt es Krisen zu überwinden. Und Zeit seines Lebens lässt man sich auf (diesen) einen anderen Menschen ein. Und dann plötzlich ist er tot. Altersschwäche.

Nichts Spektakuläres. Doch was Alice ihm noch zu sagen hat, geht uns alle an. Eben weil es nichts Außergewöhnliches an sich hat. Sondern Alltägliches, das uns alle betrifft, die wir in Beziehungen/Ehen leben. Die alltäglichen Dinge, die wir in einer Beziehung nicht nur an uns selbst, sondern auch an unserem Partner und seinen Wünschen, Vorstellungen und Vorlieben ausrichten. Die kleinen und großen Verletzungen. Die Liebe und die Bindung, die man gegenseitig verspürt und die uns Verletzungen hinnehmen lässt, weil die Vorstellung an ein Leben ohne den Partner nicht mehr erträglich ist. Die Kompromisse, die man eingeht. All das kennen wir. All dies kennt Alice. Und all dies will sie ihm – ihrem Jules – an ihrem letzten gemeinsam Tag sagen und sich selbst von der Seele reden. In Herrn Jules hat sie einen geduldigen Zuhörer, der nicht widerspricht – und im Leser/Hörer auch.

Diane Broeckhoven hat damit eine Ausgangssituation geschaffen, die in Kürze ermöglicht ein Eheleben widerzuspiegeln. Ohne große Szenen, sondern einfach nur die (einseitige) Aussprache an diesem letzten Tag. Eine sehr schöne und geschickte Idee, die erlaubt (durch die Ausgangssituation) mit einer kleinen, leisen Novelle all das zu sagen und anzusprechen, was sonst in einem ganzen Roman Platz sucht. Auch die Umsetzung ist der Autorin sehr schön gelungen. Sowohl in den Dingen, die ein Eheleben so mit sich bringt. Als auch in der Verarbeitung des Todes eines geliebten Menschen.

Alice überkommt in einigen Momenten Trauer und große Leere im Herzen – wie sollte es auch anders sein, am Tag des Abschieds. Dennoch ist die Geschichte nicht trostlos, sondern auch voller Hoffnung auf neue – wenn auch andere – schöne Tage. Beginnend mit dem Ritual, das sonst Herr Jules verrichtet hat. Und mit einem Essen – ich kann mir richtig vorstellen, wie Alice dafür einkauft und es zubereitet – mit frisch hergestellter Mayonnaise. Etwas, das Herr Jules missbilligt hätte.

Unsentimental und doch sehr gefühlvoll berichtet die Autorin in diesem kleinen Roman vom Abschied nehmen. Alice' Gedanken über Herrn Jules Verbleib fand ich sehr schön, tröstend und irgendwie auch wahr. Wer schon einen geliebten Menschen verloren hat, hat sich diesen Gedanken auch schon stellen müssen. Und für mich kann ich sagen, dass ich eine ähnliche Erfahrung gemacht habe, wie hier Alice. Herr Jules ist nicht weg…

… und doch muss sie nun allein ihr Leben ausrichten - nach ihren eigenen Wünschen und diese nicht mehr abgleichen mit Herrn Jules Vorstellungen. Das hat etwas wehmütiges, nach all der Zeit, aber auch etwas belebendes, aufregendes. Zu gern würde ich sie dabei ein wenig begleiten. Wie gut, dass ich das kann, denn mit "Eine Reise mit Alice" gibt es inzwischen eine Fortsetzung. Ich hoffe, dass es dieses Büchlein irgendwann auch noch als Hörbuch geben wird. Am besten wieder gelesen von Eva Mattes, die "Ein Tag mit Herrn Jules" so wunderbar passend zart, melancholisch und doch lebendig vorgelesen hat. (Petra)

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