Enquist, Anna: Letzte Reise

Hier können registrierte und mitdiskutierende Mitglieder Hörbuch-Rezensionen schreiben.
Forumsregeln
Hier können registrierte und mitdiskutierende Mitglieder Hörbuch-Rezensionen schreiben. Die Moderatoren behalten sich vor, anderweitige und kommerzielle Einträge ohne Kommentar zu löschen!

Enquist, Anna: Letzte Reise

Beitragvon Petra » Fr 8. Jul 2011, 11:36

Enquist, Anna
Letzte Reise

Bild

Kategorie: Gekürzte Lesung
Genre: Historisch
SprecherInnen: Barbara Rudnik
Regie: /
Medium: 6 CDs
Laufzeit: ca. 423 Minuten
Verlag: Random House Audio
Preis: derzeit nicht verfügbar (nur gebraucht erhältlich)
ISBN: 9783866045880
Bewertung: 10 Punkte
(von 10 möglichen Punkten)

Inhalt / Meine Meinung:

Über den Seefahrer und Entdecker James Cook, seine Reisen und Entdeckungen gibt es viel zu erzählen, und wurde auch schon vieles darüber erzählt. Doch in „Letzte Reise“ ist er nur eine Nebenfigur. Aus dem Schatten tritt für diesen Roman seine Frau, Elizabeth Cook. Während man über ihren Mann vieles weiß, ihn für seine Entdeckungen bestaunt, ist über seine Frau nur sehr wenig bekannt. Das hat Anna Enquist nicht losgelassen. Und so schrieb sie einen Roman über diese schattenhafte Gestalt an James Cooks Seite, und rückte sie ins Licht. Ob ins rechte (Licht) vermag wohl niemand zu sagen. Anna Enquist sagt über ihren Roman, dass sie um die Eckdaten (Fakten) herum, eine fiktive Geschichte gewoben hat. Doch diese fiktive Elizabeth Cook erscheint so wahrhaftig, dass man während der Geschichte oft vergisst, dass es nur die Idee ihres Lebens an der Seite James Cooks ist. Warum es trotz der fiktiven Elemente so real scheint, liegt vielleicht darin begründet, dass einige Gedanken Elizabeths irgendwann beinahe zwingend in die Richtung haben gehen müssen, in die auch die Gedanken der Elizabeth im Roman gehen. Gedanken zur bevorstehenden Rückkehr ihres Mannes, wenn er wieder Jahre auf der See verbracht hat. Die Einschneidungen in ihren Alltag, die diese Wiederkehr bedeutet. Das umorganisieren des Haushalts. Ebenso einleuchtend fand ich ihren Wunsch, nach dem Tod ihrer einzigen Tochter, wieder ein Mädchen zur Welt zu bringen. Denn eine Tochter würde in ihrer Nähe bleiben, und nicht wie die Söhne gezwungen sein, zur See zu fahren wie der Vater. Diese Gedanken, Sorgen und Wünsche fand ich so nachvollziehbar, dass ich sie bedenkenlos auch der echten Elizabeth Cook zuschreiben konnte. Somit hat dieser Roman über Elizabeth Cook sehr viel Authentizität, trotz der vielen fiktiven Ausgestaltungen.

Anna Enquist gibt dem Unvorstellbaren Konturen. Elizabeth Cook musste für eine Frau der damaligen Zeit sehr selbständig sein. Sie war dazu gezwungen, da ihr Mann oft Monate oder Jahre lang weg war, alles allein zu regeln und mit sich auszumachen. Selbst die Geburten der Kinder, die er mit ihr in den kurzen Zeiten zeugte, in denen er zu Hause war, hatte sie ohne seine Unterstützung auszustehen. Der von der Autorin gewählte Erzählstil des inneren Monologs empfand ich als sehr stimmig. Gerade weil Elizabeth Cook die meiste Zeit keinen anderen Ansprechpartner als sich selber hatte.

Unfassbar ist auch die Tatsache, dass diese Frau nicht nur ihren Mann überlebte, mit dem sie zusammengerechnet nur 4 Jahre wirklich gemeinsam gelebt hat, sondern auch alle ihre Kinder. Besonders schlimm ist, dass es nicht nur daran lag, dass Elizabeth Cook sehr alt (94 Jahre) wurde, sondern dass alle ihre Kinder jung starben.

Auch sprachlich bemüht sich Anna Enquist nicht, der wahren Elizabeth Cook gerecht zu werden. Einiges ist zu salopp ausgedrückt, als dass eine Frau in der damaligen Zeit solche Worte ausgesprochen oder wohl auch nur gedacht hätte. Aber auch das ist eher ein Vorteil für den Roman. Das Bild der Elizabeth Cook rückt dadurch näher, und bleibt nicht zurückhaltend und dadurch blass. Anna Enquists Mut, sich nicht an die scheinbar gegebene Form zu halten, zahlt sich auch hier aus.

Für diese Lesung wurden Kürzungen vorgenommen. Doch sie scheinen behutsam gesetzt. Es ergibt sich am Ende ein Rundes Bild, auch wenn man zum Schluss hin merkt, dass Straffungen vorgenommen wurden. Es stört nicht.

Herausragend ist die Leistung von Barbara Rudnik. Sie fängt mit ihrer Stimme die Melancholie auf, die sich durch das Buch zieht. Gibt sie wieder, als sei sie von ihr selbst empfunden. Damit verleiht sie Elizabeth Cooks inneren Monologen eine ungeheure Glaubwürdigkeit. Die Authentizität, die Anna Enquist im Roman geschaffen hat, steht der Authentizität, die Barbara Rudnik durch ihre Lesung erzeugt, in nichts nach. Vorlage und Sprecherin sind eine ideale Verbindung.

Ein Hörerlebnis, das mich gedanklich noch lange begleiten wird. Volle Punktzahl für Vorlage und Umsetzung! (Petra)

:arrow: Hörbuch direkt bei Amazon bestellen
Liebe Grüße,
Petra


Ich lese gerade: :lesen:
Rónán Hession - Leonhard und Paul (HC)
Benjamin Stevenson - Die mörderischen Cunninghams. Irgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen (ebook)

Ich höre gerade: :kopfhoerer:
-

Buecher4um
Hoerbuecher4um
Seifen4um
Petras SeifenKUNST
Benutzeravatar
Petra
Administrator
 
Beiträge: 14273
Registriert: Do 27. Mär 2008, 13:34

Zurück zu Rezensionen

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 12 Gäste