Hallo zusammen,
heute morgen habe ich "In meinem Himmel" von Alice Sebold zu Ende gehört. Obwohl mir das Hörbuch schon auch gefallen hat, bin ich froh, dass nun Zeit für was Neues ist. Die Figuren in dem Roman gingen mir zwar durchaus nah. Aber die Geschichte hangelte für mich immer am Rande der Gefühlsduseligkeit entlang. Anna Thalbachs sehr passende, gefühlvolle, einfühlsame Stimme tat ein Übriges. So passend sie als Sprecherin für den Stoff auch gewählt ist, so unterstrich sie diese gefühlsduseligen Momente noch mehr. Ein Vorwurf soll das für die Autorin trotzdem nicht sein. Das Thema - der Verlust eines geliebten Menschen - ist nun mal mit vielen sehr tiefgehenden, auch oft sehr sentimentalen Gedanken und Gefühlen verbunden. Vielleicht kommt auch noch hinzu, dass Verlust gerade ein Thema ist, das ich nicht allzu nah an mich lassen möchte, da ich eigene Verluste noch nicht genügend verdaut habe. Als Hörbuch funktioniert das bei mir immer besser als mit einem Buch. Es kommt mir nicht so nahe wie im Buch. Aber hier war es mir für im Moment dennoch zu viel - trotz Hörbuch-Version.
Fragwürdig ist bei diesem Roman auch die Darstellung der verstorbenen Susi Salmon. Was passiert mit uns nach dem Tod. Alice Sebold gibt hier einen Erklärungsversuch. Der muss nicht mit dem übereinstimmen, was wir selbst denken und annehmen, was mit uns nach dem Tod passiert. Aber da immer betont wird, dass es Susis individueller Himmel ist, kann den auch niemand streitig machen. Das fand ich eigentlich eine schöne Lösung.
So fällt es denn auch leichter die Szenen, in denen Susi auf ihre Angehörigen schaut, anzunehmen. Sie sind in dem Roman einfach so und werden nicht als gängiger Verbleib von Seelen Verstorbener dargestellt. Das tut dem Stoff gut, denn der ist schon sehr abgehoben.
Im Grunde ist dies gar kein Krimi. Wer sich einen solchen erwartet, wird hier sicher enttäuscht. Mich hat es nicht gestört. Aber ich könnte mir diese Idee auch als Krimi gut vorstellen. Wo die verstorbene Susi hilft ihren Täter zu finden und zu stellen. Dieses Thema wird hier aber eigentlich nur angekratzt. Es ist vielmehr ein Drama um die Tat eines Triebtäters. Die Folgen, die es für die Familie hat. Und wie solch eine Tat ein Leben auslöscht. Einem Kind die Möglichkeit nimmt, erwachsen zu werden. All das zu erleben, was in jungen Jahren noch vor einem liegt. Gut fand ich hier geschildert, wie unterschiedlich alle mit dem Verlust umgehen. Erschreckend, wie sehr die Geschwister von Susi darunter leiden, dass ihre Eltern den Verlust eines ihrer Kinder nicht verschmerzen können. Sie sind ebenfalls um ein ganzes Stück Leben betrogen. Das fand ich ganz glaubhaft aufgezeichnet und somit interessant.
Was ich nun als nächstes höre, weiß ich noch nicht. Es wartet so viel vielversprechendes auf meinem Player. Es wird auf jeden Fall etwas kühleres oder gar sachlicheres. Denn von Drama und Gefühlskranken habe ich erst mal genug. War eine leichte Überdosis für mich (dem Thema aber - will ich nochmal betonen - durchaus angemessen).
Nun zu Eurem Hörstoff:
@Steffi: Oh, Du hast auch "Winter in Maine" gehört und es hat Dir gefallen. Wenn auch nicht so uneingeschränkt wie mir, oder auch vor kurzem NatiFine. Für mich blieb nichts unbeantwortet. Bzw. hatte ich nicht das Gefühl, dass der Autor Antworten geben wollte. Für mich hat er viel mehr eine Wirkung erzielt, die sich durch das, was er dort in dem Roman geschehen lässt, entfaltet. Antworten auf die Fragen wären mir hier zu direkt gewesen. Ich fand hier die Wirkung eiinfach absolut faszinierend. Was die Einsamkeit mit Julius Winsome gemacht hat. Wie er diesen letzten Verlust (seinen Hund) nicht mehr verkraftet hat. Wie sich Wut und Aggression geäußert haben. Auch die Themen ums Töten (sei es hier Julius oder früher die Soldaten im Krieg) fand ich sehr anregend. Ja, anregen... das ist es vielleicht was Gerard Donovan meines Erachtens nach eher wollte, als Antworten geben. So mein Eindruck. Aber auch interessant, konträre Erwartungen und Eindrücke zu dem Buch zu hören. Zumal ich schon verstehen kann, dass andere Leser/Hörer eher Antworten von solch einem Roman möchten als eine (teils vage) Wirkung, die sich in einem entfaltet. Danke für Deinen Bericht - für mich sehr interessant.
Ich erinnere mich bei dem Roman auch immer gern an die Bilder. Z. B. die letzten Blumen, die bald schon dem Winter weichen müssen. So wie es in ihm (in Julius) auch immer kälter wird - von allem Lebendigem und Hoffnungsstimmenden verlassen. Wie der Winter Einzug hält - in Maine, besonders aber in Julius Herzen. Oder eben diese Gedanken über den Krieg, das Töten im Krieg. Das Aufbewahren der Orden, da man eine Million Soldaten (also Menscheleben, die ausgehaucht wurden - wie monströs!) nicht einfach so wegwirft.
In mir hat das Buch sehr viele sehr intensive Gefühle ausgelöst. Um dieser Wirkung Willen allein schon war der Roman für mich ein Highlight.
@NatiFine: Deine Eindrücke zu "Das Museum der Unschuld" decken sich sehr mit meinen. Ich hatte ja das Buch bis ca. Seite 300 gelesen. Und ich geriet durch genau zwei Dinge ins Stocken, die Dir bekannt vorkommen dürften: Der seeeeehr langsame Aufbau (Kemal dreht sich mit seinen Gefühlen im Kreis), der der Sache gerecht ist. Aufzeigt, wie es sich halt anfühlt, wenn man in solch einem Gefühlschaos steckt. Die unerfüllte Liebe der einzige Gedanke ist, der einen noch beseelt und daran hindert, am normalen Leben teilzunehmen. Aber es zu lesen erfordert sehr viel Geduld. Pamuk macht es einem so leicht wie möglich, da er eine WUNDERBARE Sprache und Art zu erzählen hat! Man ist absolut bei Kemal. Aber genau da lag der zweite Knackpunkt für mich: Die Gefühle mit Kemal zu durchleben, wurde mir zu intensiv. Mir ging es richtig mit schlecht. Zumal ich mich beim lesen in einer Lage befand, bei der Du (zu Recht) allen abrätst, das Buch zu lesen oder Hörbuch zu hören. Ich hatte selbst gerade ein Jahr der unerfüllten und ungewissen Liebe hinter mir. Zwar hatte sich bei mir alles zum Guten gewendet. Meine persönliche Geschichte ist für mich gut ausgegangen. Aber der Weg dahin sitzt mir auch heute noch (es ist schon 2,5 Jahre inzwischen her) sehr in den Knochen. Mir ging es in der Zeit sehr, sehr schlecht. Vergleichbar mit Kemals Zustand. Und ich möchte diese Gefühle nicht so recht erneut heraufbeschwören. Das tut dieser Roman aber mit einem!
So ließ ich es irgendwann sein. Wollte aber die Geschichte nicht loslassen. Und habe mich für das Hörbuch entschieden. Gehört habe ich es noch nicht. Aber das wird mein Weg sein, diesen Roman von Orhan Pamuk zu beenden. Denn ich finde ihn sehr lesenswert. Ulrich Noethen traue ich das auch sehr zu! Schön zu hören, dass er meine Erwartungen gewiss wohl erfüllen wird!
Ich danke Dir für Deinen Bericht. Der meine Gefühle den Roman betreffend widerspiegelt. Sag bitte dann auch abschließend, wie Dir das Hörbuch gefallen hat, ja?
@Peter: Mit "Das große Tier" hattest Du ja spannende Hörstunden. Und nun bist Du gespannt auf "Collector" von Markus Heitz. Nachdem was Du über die Amazon-Rezensionen schreibst, bin ich aber direkt mal mit gespannt, wie er Dir denn dann gefällt. Lass es uns bitte wissen!
@Elke: "Radio Heimat" kenne ich zwar nicht, da ich aber in Bochum geboren wurde und ich dort oft meine Familie mütterlicheseits besuche und mein Bruder seit 20 Jahren in Dortmund wohnt, wäre das sicher ein Hörbuch für mich. Zumal ich mir denke, dass "Radio Heimat" etwas ist, was man HÖREN anstatt LESEN sollte. Der Slang gehört einfach dazu. Und wenn ich hier lese, wie Du von "Omma" berichtest, dann vermute ich stark, dass Frank Goosen den Ton gut trifft! Ja,... "Ommas", so nennt man sie bei uns im Ruhrgebiet!
PS: Peter - einen Gruß zu Dir ins Ruhrgebiet!
