Petra hat geschrieben:Im tiefsten Innern haben es gerade noch diejenigen gemerkt, die noch nicht gänzlich überwältigt waren von der Rolle, die man ihnen übertragen hat, und in die sie nur allzu gern geschlüpft sind.
Ja, das ist erschreckend - wie leicht die Manipulation doch gewesen ist. Auch, wie leicht sich die Menschen beeindrucken lassen und wenig kritisch hinterfragen.
Petra hat geschrieben: Mich würde interessieren, was Hitler davon einkalkuliert hat. Das ist so simpel und doch so raffiniert.
Ich könnte mir vorstellen, dass sich das immer weiter so ergeben hat, immer mehr Machtbesessene ohne Mitgefühl haben sich da getroffen und irgendwas in den Menschen losgetreten. Es gibt doch den amerikanischen Versuch "The third wave", da funktionierte es ja ebenso. http://de.wikipedia.org/wiki/The_Third_Wave
Dieser Totalitarismus fing ja schon in den 30er Jahren mit dem italienischen Faschismus an.
Noch mal zu den Gnadengesuchen. Die Eltern der Elise Hampel haben wohl wirklich versucht, Gnade für ihre Tochter zu erwirken. Auch die Eltern von Anna Quangel richten sich – natürlich vergeblich – an den Führer, an den sie so fest glauben. Das sagt auch viel aus. Es sagt, dass viele Menschen WIRKLICH an ihn geglaubt haben.
Er wird "Gott" gleichgesetzt und das zeigt auch dann später das Kapitel 70 (bzw. 69) mit dem Priester, dass man auch der Religion als Institution nicht glauben darf. Fallada reduziert alles auf das Innere des Menschen, auf sein Gewissen, das im Grunde gut sei. Das ethische Gewissen soll sich gegen die Gesellschaft durchsetzten können.
Und in Kapitel 71 (bzw. 70) ist es dann also wirklich soweit. Otto geht seinen letzten Weg. Ein bisschen Mensch steckt noch in dem Arzt. Otto und den Leser freut’s. Noch ein Mensch, ein Wesen, das die Bezeichnung verdient hat.
Neben dem Tod Ottos fand ich auch die verzweifelte Suche nach der übriggebliebenen Menschlichkeit besonders bewegend. Allerdings verlässt Fallada hier und in den zwei folgenden Kapiteln seine Objektivität. Als Autor gönnt er nun seinen Personen und seiner Geschichte einen positiven Aspekt, eine Zukunft. Wie sich auch die Menschen nach dem Krieg verzweifelt eine positive Zukunft wünschten.
Ich bin nicht so einverstanden mit diesem Ende, nicht mit Annas Tod und nicht mit Kunos neuem Leben - verständlich, dass das Buch so endet, mit dem unabwendbaren Blick nach vorne, aber es rundet die Geschichte für mich zu versöhnlich, vielleicht für mich zu unrealistisch ab. Wie gesagt, ich verstehe die Intention und auch den Wunsch, dass alles gut werden kann. Aber das verstellt auch, dass man eben immer auf der Hut sein soll, auch in nicht so dramatischen Zeiten sich seine Kritik und die Besinnung auf sein ethischen Gewissen erhalten muss.