Nummi, Markus: Bonbontag

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Nummi, Markus: Bonbontag

Beitragvon Petra » Do 20. Okt 2011, 09:57

Nummi, Markus
Bonbontag

Bild

Genre: Erzählung
Seitenzahl: 400
Verlag: Suhrkamp
Format: Flexcover
Preis: 14,95 €
ISBN: 9783518462768
Bewertung: 9 Punkte
(von 10 möglichen Punkten)

Inhalt:

Erzählt werden verschiedene Geschichten. Mittelpunkt ist der neunjährige Tomi, der in seiner Fantasie Doc Killmore ist, und eine Prinzessin retten muss. In Wahrheit ist Tomi ein vernachlässigter Junge, und die Prinzessin ist ein Mädchen aus der Nachbarschaft, das ihrerseits von ihrer Mutter auf eine andere Art vernachlässigt wird. Die Mutter hat die Trennung von ihrem Mann zu verarbeiten, und ihre Karriere nimmt ihre Zeit in Anspruch. Dass sie dem Kind nicht mehr gerecht werden kann, kann sich die überforderte Frau nicht eingestehen. Und so sperrt sie das Mädchen als Bestrafung für einen in ihren Augen begangenen Vertrauensbruch tagelang in ihrem Zimmer ein. Der soziale Notdienst wird von Doc Killmore über die Gefangenschaft des Mädchens benachrichtigt. Doch wer ist Doc Killmore? Ganz sicher ein Kind. Es muss ein Scherz sein, und die Infos sind auch zu dürftig, um einer Spur nachgehen zu können. So ist Doc Kilmore auf sich allein gestellt. Hilfe und Zuflucht findet er nur bei Ari, einem recht erfolglosen Schriftsteller und Drehbuchautor, an dessen Fersen er sich in seiner Not heftet. Doch letztendlich will oder kann ihm niemand helfen, die Prinzessin zu befreien, und Doc Kilmore ist auf sich allein gestellt…

Meine Meinung:

Im Klappentext heißt es auch: „Eine unerhörte und bewegende Geschichte, von der man sich wünscht, sie möge nur ein Märchen sein.“ Je weiter die Geschichte voranschreitet, steigert sich tatsächlich dieser Wunsch. Aber auch die Furcht, dass es nicht nur ein Märchen, sondern die harte Realität unzähliger Kinder ist.

Gesteigert wird dieser Eindruck vielleicht noch dadurch, dass Markus Nummi dem Drehbuchautor und Schriftsteller Ari eine wichtige Rolle zukommen lässt. Markus Nummi, selbst ja Schriftsteller, aber auch Drehbuchautor, hat vielleicht nicht zufällig eine ihm so ähnliche Figur konzipiert? Hat der Autor womöglich eigene Erlebnisse verarbeitet? Ob es so ist oder nicht, ist im Grunde egal, denn allein der Gedanke, dass es so sein könnte, steigert die Authentizität der Geschichte und verdeutlicht, dass solche Geschichten wirklich passieren. Täglich. Direkt nebenan.

Den Drehbuchautoren merkt man Nummis Stil an. Das ist aber nicht schlimm, sondern passt zu der Story. Nummi baut die Geschichte in Episoden auf. Der Blickwinkel wechselt von Kapitel zu Kapitel zwischen den agierenden Personen. Zu Beginn streifen die Leben der einzelnen Figuren einander nur ganz sachte (sehr schön gemacht). Später laufen die Episoden zu einem atemlosen Showdown zusammen. Aber neben der Spannung, die damit erzielt wird, wird vor allen Dingen das Entsetzen und die Fassungslosigkeit verdichtet. Der einzige, der klar sieht, ist der unverstellte kleine Tomi, während die Erwachsenen mit ihren Rollen und der Situation heillos überfordert sind. Selbst die Frau im sozialen Notdienst, die sich mit diesen Fällen beschäftigt, gibt ein denkwürdiges Bild ab. Sie legt ihre ganze Kraft in ihren Beruf, und somit in das Wohl vernachlässigter Kinder. Doch bemerkt sie nicht, dass ihre eigene Familie darüber ständig zu kurz kommt.

Markus Nummi spricht in diesem Roman ein wichtiges Thema an: Kindeswohlgefährdung, wie man es anscheinend in Finnland nennt. Vernachlässigung hat viele Gesichter. Nummi zeigt uns ein paar davon. Auf eine eindringliche Weise und mit einer starken Figur – Tomi, der neunjährige Junge, in den sich Nummi sehr gut einzufühlen versteht. Die Szenen, in denen Tomi zu Doc Kilmore wird, zerreißen einem von mal zu mal mehr das Herz. (Petra)

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Liebe Grüße,
Petra


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