Hallo zusammen,
mehrfach stolpere ich in den letzten Tagen über Romane, in denen Personen eingebunden sind, die real existiert haben. Anstatt reiner Fiktion sind in diesen Romanen biografische Elemente eingebaut. Auch typisch scheint für solchen Romane zu sein, dass das Leben der Personen nicht von der Geburt bis zum Tode erzählt wird, sondern man die Personen in einer gewissen Zeitspanne begleitet. Man findet eher Romanfiguren, als sachlich und mit Distanz geschilderte Persönlichkeiten. Dies ist keine endgültige Definition, sondern nur mein eigenes Verständnis für fiktionale Biografien. Vielleicht kann oder möchte jemand daran etwas ergänzen, richtigstellen, verbessern. Ich wäre daran sehr interessiert, denn für mich ist das noch Neuland, und ich befinde mich auf Entdeckungsreise auf dem Feld. Vielleicht sind einige der nachfolgenden Romane auch eher Romanbiografien. Ich wäre für Eure Einschätzung dankbar, und würde ggf. auch den Betreff des Threads ergänzen oder ändern.
Jedenfalls ist mein Interesse für solche Romane geweckt und ich möchte ihnen einen eigenen Thread eröffnen
Letzten Anlass für mein aufkeimendes Interesse an Romanen dieser Gattung, gab mir der Roman “Arthur & George“ von Julian Barnes, den ich erst jetzt für mich entdeckte (durch Eindrücke zu dem Buch in diesem Forum). Faszinierend, wie Julian Barnes darin die Biografien von Arthur Conan Doyle und George Edalji mit dem wahren Kriminal-Fall verbindet, der diese beiden Personen zusammenführte. Gestern las ich in das Buch rein, und war sehr gefesselt von dem anschaulichen Erzählstil Barnes. Zu diesem Buch habe ich auch zwei interessante Artikel entdeckt, die ich hier verlinken möchte:
Artikel in der Frankfurter Rundschau Der Mann, der Holmes nicht loswurde
Artikel in der ZEIT online Sherlock Holmes rettet Josef K.
Zufällig höre ich derzeit auch ein Hörbuch (ungekürzte Lesung), das ebenfalls in die Gattung der fiktionalen Biografie fallen könnte. In “Drood“ von Dan Simmons begleiten wir Charles Dickens in seinen letzten fünf Lebensjahren, und seinen Freund Wilkie Collins, aus dessen Perspektive der Roman erzählt wird, auf der Suche nach dem geheimnisvollen Drood. Die Geschichte um Drood ist frei erfunden. Lediglich, dass der letzte Roman Dickens unvollendet blieb, und sich mit Edwin Drood beschäftigt, stellt eine Verbindung dar. Aber rein fiktiv. Umso mehr erstaunte mich, als ich direkt zu Anfang bemerkte, wie viel biografisches Material Dan Simmons in diesem Roman verarbeitet hat. Der Leser erfährt unglaubliche Details aus Charles Dickens (und Wilkie Collins) Leben und erhält ein Bild von Dickens Charakter, das gewiss viel Wahres birgt.
Als ich eben dann auch noch zufällig über “Porträt des Meisters in mittleren Jahren“ von Colm Tóibín stolperte, war mein Interesse für Romane dieser Art endgültig entfacht. Hierin zeichnet Colm Tóibín (von ihm habe ich „Brooklyn“ auf meinem SUB) ein wohl recht genaues Bild von Henry James. Zwar umfasst dieser Roman nur wenige Jahre aus seinem Leben, aber unterfüttert ist er wohl mit zahlreichen Details aus Henry James gesamten Lebens. In einigen Rezensionen finden sich Hinweise, dass auch fiktive Elemente eingebaut wurden, deshalb scheint mir der hochgelobte Roman über Henry James hier auch gut platziert zu sein. Tóibín soll dem Leser Henry James sehr nahe bringen. Falls jemand näheres über dieses Buch weiß, wäre ich sehr interessiert an Informationen. Auch in Bezug darauf, ob es doch eher als reine Biografie zu lesen ist. Die Informationen im Internet, die ich zu dem Buch gefunden habe, lesen sich nicht ganz eindeutig. Auch hierzu gibt es einen interessanten Artikel:
Artikel im Titel kulturmagazin Große Kunst, dem nicht gelebten Leben abgewonnen
Ebenfalls hier hinein passen würde “Letzte Reise“ von Anna Enquist. Hier kommt Elizabeth Cook zu Wort. Die Frau von James Cook, zu Wort. Hier spielt die Fiktion eine größere Rolle, als die biografischen Details. Und doch zeichnet sich ein deutliches Bild von James Cook. Und man bekommt eine Idee davon, wie sich seine Frau gefühlt haben mag. Ich habe kürzlich das Hörbuch gehört, und setze mal einen Link zu meiner Rezension.
Gewiss ist dieses Thema ein breites Feld. Umso interessierter wäre ich an Juwelen unter den fiktionalen Biografien. Falls Ihr besondere Perlen in dem Bereich gelesen habt, oder selbst ein Auge auf das ein oder andere Buch dieser Gattung geworfen habt, so wäre ich daran sehr interessiert.