Hallo Jürgen,
erst einmal herzlich Willkommen hier im Forum! Es ist sehr schön, dass Du Dich angemeldet hast, und gleich mit Fragen zu so einem interessanten Autor wie Dickens beginnst. Ich lese ihn sehr gern, und lese derzeit sogar einen seiner Romane: "David Copperfield".
Deine Einschätzung ist schon korrekt: Dickens schreibt schwülstig. Und man würde niemandem so viel Kitsch und Schwarz-Weiß-Malerei nachsehen, wie ihm. Er hat – wie Du richtig sagst – solch hinreißende schräge Figuren, die trotz ihrer Überzeichnung derart glaubhaft sind, dass ich immer wieder hingerissen davon bin. Er hat eine unglaubliche Fabulierlust – seine Romane sind eine Freude. Trotz dass er ausschweifend ist, und manchmal schwülstig.
"David Copperfield" ist mein dritter Roman von Dickens, den ich lese. Als Hörbuch habe ich seine Weihnachtsgeschichte (um den geizigen Scrooge) gehört. Gelesen habe ich als erstes „Große Erwartungen“. Später „Oliver Twist“. Und jetzt lese ich gerade „David Copperfield. Da ich es als ebook (Gustav Meyrink-Übersetzung) lese, komme ich nur langsam voran. Denn meinen ebook-Reader habe ich nur zum parallel lesen zu meinen Büchern in Druckform.
„Oliver Twist“ las ich auch in der Meyrink-Übersetzung. Arno Schmidt sah in ihm den besten Dickens-Übersetzer. Viel Vergleichsmöglichkeiten habe ich nicht. Aber ich kann für mich sagen, dass ich hochzufrieden mit Meyrinks Übersetzungen bin. „Große Erwartungen“ gibt es m. W. nicht in einer Meyrink-Übersetzung, weshalb ich auf die Reclam-Ausgabe ausgewichen bin, der die Übersetzung von Ulrike Jung-Grell zugrunde liegt. Ich war auch hiermit hochzufrieden, konnte aber keine Vergleiche anstellen. Kürzlich kam ja eine Neuübersetzung von „Große Erwartungen“ beim Hanser Verlag heraus. Übersetzerin ist Melanie Walz. Ich habe vergleichsweise reingelesen, weil ich vor hatte, mir vielleicht eine schönere Ausgabe von diesem wundervollen Roman zu gönnen. Doch die Übersetzung erschien mir fremd, gegen die, die ich gelesen habe. Deshalb ließ ich es bleiben. Ich würde mich auch heute wieder für die Reclam-Ausgabe entscheiden, da mir die Übersetzung sehr gut gefallen hat.
Mein Sammlerherz hat mich auch vor kurzem zum Kauf von einigen weiteren Romanen Dickens verführt. „Unser gemeinsamer Freund“ – darauf bin ich sehr neugierig. Und deutsche Übersetzungen sind schon ewig vergriffen. Ich hatte aber das sagenhafte Glück, eine neuwertige (unglaublich bei dem Alter des Buchs!) Winkler Dünndruck-Ausgabe zu bekommen. Von dem gleichen Händler habe ich noch (ebenfalls neuwertige) Winkler Dünndruck-Ausgaben von „Barnaby Rugde“ und „Der Raritätenladen“ gekauft. Übersetzerin ist Maria von Schweinitz. Das reinlesen macht Freude. Die Winkler-Ausgabe (wie gesagt: nur noch antiquarisch zu bekommen) werden von Illustrationen geziert. Außerdem nehme ich an (hoffe es zumindest), dass den Winkler-Ausgaben schon gute Übersetzungen zugrunde liegen. Ich kann das nicht mit Gewissheit sagen, aber meine bisherigen Erfahrungen mit Winkler haben mir gezeigt, dass darunter sehr gute Übersetzungen zu finden sind.
Ich würde bei der Auswahl so vorgehen, dass ich zuerst schaue, ob es eine Meyrink-Übersetzung gibt. Wenn nicht, dann würde ich am ehesten nach einer Winkler-Ausgabe schauen, da sie optisch und von der Qualität her sehr schön sind. Bei „Große Erwartungen“ bin ich mit meiner Entscheidung für die Reclam-Ausgabe sehr glücklich, da mir die Übersetzung sehr gut gefallen hat.
Gesehen habe ich, dass Du überlegt, „Bleakhaus“ vom Diogenes Verlag zu kaufen. Dafür spricht, dass es die Meyrink-Übersetzung ist. Allerdings habe ich bei Diogenes die Erfahrung gemacht, dass die älteren Auflagen oft kein so ein schönes Druckbild haben. Eng bedruckte Seiten kommen hinzu. Das erschwert mir die Lesbarkeit. Vielleicht hast Du die Möglichkeit vorher in die Diogenes-Ausgabe reinzuschauen? Welcher Übersetzung sich die Winkler-Ausgabe bedient, weiß ich aber leider nicht. Wäre die auch von Meyrink, dann würde ich die Winkler Ausgabe nehmen.
Von „Nicholas Nickleby“ habe ich gar keine dtv-Ausgabe gefunden. Da kann ich somit nichts zu sagen. Vom Insel Verlag gibt es eine. Und vom Winkler Verlag. In der vom Insel Verlag dürften die Illustrationen der Erstausgabe enthalten sein. Es steht dort, dass sie illustriert ist von Phiz.
Vielleicht konnte ich Dir bei der Entscheidung der ein oder anderen Ausgabe helfen. Vielleicht habe ich Dich aber nur noch weiter verwirrt. Und vielleicht kommen durch mein Posting noch weitere Titel hinzu, Die Du gerne hättest. So bin ich z. B. seit kurzem auch sehr neugierig auf „Eine Geschichte aus zwei Städten“. Da käme vielleicht die Insel-TB-Ausgabe in Betracht, da sie auch durch Illustrationen von Phiz geziert wird?
Ich bin ganz gespannt für welche Ausgaben Du Dich dann entscheidest, oder welche Du nun stärker ins Auge fasst. Ich würde mich riesig freuen, darüber mehr von Dir zu hören.
Übrigens lese auch ich sehr gern Dickens in dieser Jahrezeit, ebenso wie Krimis (bevorzugt Krimi-Klassiker). Mehr zu Lektüre, die durch die Jahreszeiten beeinflusst wird, findest Du in diesem
Thread.