Hallo Petra,
in einem anderen Thread hattest du mich gefragt, welche Buecher von Murakami ich gelesen und welche mir besonders gefallen haben.
Ich muss dazusagen, dass ich alle Romane als Hoerbuecher kennengelernt habe. Etwas ungewoehnlich, aber daran ist Ulrich Matthes "schuld". Er hatte "Freiheit" von Jonathan Franzen fuer mich so eindrucksvoll gelesen, dass ich unbedingt weitere von ihm gelesene Hoerbuecher gesucht habe. Dabei bin ich dann auf den "Mister Aufziehvogel" gestossen.
Er ist bis heute mein Favorit, vielleicht, weil es die "Einstiegsdroge" in den Murakami'schen Kosmos war.
Danach habe ich, ebenfalls jeweils als Hoerbuch, kennen- und lieben gelernt:
After Dark [Sprecher: Ulrich Matthes]
Gefaehrliche Geliebte [Sprecher: Joachim Krol]
Kafka am Strand [Sprecher: Rufus Beck]
1Q84 [Sprecher: David Nathan, hat mich, aehnlich wie Matthes, begeistert]
http://www.youtube.com/watch?v=xjCm8C1QwJsMir haben alle Romane gefallen, ausnahmslos. Jeder erzaehlt seine eigene Geschichte, es gibt Geschichten in der Geschichte, und es gibt, wie du ja erwaehnt hast, nicht nur Querverbindungen zwischen diesen Geschichten sondern auch zwischen den Romanen selbst. Alles haengt rgendwie mit allem zusammen, und ich finde geade das bei Murakami so ungemein spannend, wie uns das im Verlauf der Romane nach und nach enthuellt wird.
Vieles bleibt so nachhaltig im Gedaechtnis, dass ein Objekt genuegt, um die Verbindung zu einer Szene unmittelbar wieder herzustellen. So kann ich bei der Ansicht eines Brunnens wohl bis zum Ende meines Lebens gar nicht mehr anders, als an die beiden Brunnen im "Aufziehvogel" zu denken, denen die Protagonisten so tiefe Erfahrungen verdanken.
Ich hatte es an anderer Stelle schon erwaehnt, dass ich in meiner grenzenlosen Begeisterung Freunde zum Murakami-Lesen animiert habe. Ziemlich enttaeuscht war ich, als ich hoerte, dass sie meine Begeisterung gar nicht teilen konnten. Da wurde z. B. nach einem Drittel des "Aufziehvogels" abgebrochen. Ich kann durchaus nachvollziehen, dass die Art, wie Murakami ueber Sexualitaet und Gewalt schreibt, manche Leser verstoeren oder gar schockieren kann. Mir ging das bei der Beschreibung der Szene, in der jene extrem grausame Folterung detailliert beschrieben wird, ja auch so, dass ich danach einen ziemlich schrecklichen Albtraum hatte.
Sigrid Loeffler hat im "Literarischen Quartett" ja die Meinung vertreten, Murakamis Sprache sei "vulgaer". Das habe ich nicht so empfunden. Die Frage ist hier ja vielleicht auch, wie sich Murakamis Romane diesbezueglich im Originaltext lesen.
Ich kann nur sagen, dass ich nach dem "Aufziehvogel" richtiggehend suechtig geworden bin nach weiteren Romanen von Murakami und jedesmal sehr traurig war, wenn ich am Ende eines Romans angekommen war. So lieb sind mir viele der Figuren aus seinen Geschichten geworden. Hach, May Kasahara vor allem. Solche schraegen und gleichzeitig ebenso liebenswuerdigen Voegel wuerde man im realen Leben so gerne [oefter] treffen. Und ueberhaupt waere es schoen, jetzt einen Cutty Sark zur Hand zu haben und gemuetlich eine "Hope ohne" dazu zu rauchen...
Liebe Gruesse
Lilith